Hebammen im Kreis Ludwigsburg 1:1-Betreuung im Kreißsaal ist essenziell

Von Petra Neset-Ruppert
Im Bietigheimer Hebammenkreißsaal werden die Gebärenden intensiv betreut. Eine 1:1-Betreuung fordern die Hebammen und Verbände, um die Arbeitsbedingungen in den Kliniken zu verbessern.⇥ Foto: RKH Kliniken / Martin Stollberg

Vier Hebammen aus dem Kreis Ludwigsburg berichten von ihrer Arbeit. Gerade die 1:1-Betreuung sei wichtig, um die Arbeitsbedingungen in der Klinik zu verbessern. Auch das Hebammenstudium habe nicht nur positive Aspekte.

Es gibt da ein Zitat: ‚Anfassen ist simpel, berühren ist Kunst.’ Ich finde das beschreibt den Beruf der Hebamme sehr gut. Wir haben die Chance, Frauen zu berühren und sie zu stärken. Das macht für mich diesen Beruf aus“, schwärmt Hebammenstudentin Dörte Hackenberg. Seit vergangenen Oktober lässt sie sich in einem dualen Studium zur Hebamme ausbilden. Heute am Welthebammentag wird vielerorts auf die immer noch schwierigen Arbeitsbedingungen aufmerksam gemacht. Die BZ hat bei vier Frauen nachgefragt, was sie dazu antreibt, in diesem Beruf zu arbeiten, und was sie sich für die Zukunft wünschen.

Ursula Pressel, arbeitet seit 1978 als Hebamme

Ursula Pressel hat bereits viele Jahre Berufserfahrung gesammelt. 1978 machte sie ihr Hebammen-Examen. „So viel am Schreibtisch saßen wir früher nicht“, sagt Pressel, als sie auf die Entwicklung ihres Berufs zurückblickt. Die viele Dokumentation sei eine unbezahlte Arbeit, da sie nicht korrekt in den Stundenlohn einkalkuliert sei, kritisiert die erfahrene Hebamme. Qualitätsmanagement sei wichtig, doch „da rechnet irgend ein Mensch aus, wie viel Zeit ich mir für die Frau nehmen kann. Das funktioniert nicht.“

Pressel arbeitet als selbstständige Hebamme im Hebammenzentrum Justine in Ludwigsburg. Die Geburt und Nachsorge einer Frau und des Kindes könne „nicht nach Norm, sondern nur individuell betreut werden“ und das gebe das System momentan nur bedingt her. Die Einführung des Hebammenstudiums findet sie grundsätzlich gut und glaubt: „Das könnte auch der Forschung zu Gute kommen, wenn die Hebammen dann noch einen Master oder auch Doktor draufsetzen.“

Deborah Friedrich arbeitet seit 2004 als Hebamme

Deborah Friedrich sieht die Aufwertung des Hebammenberufs durch ein Studium durchaus auch kritisch: „Dadurch ist vielen Frauen, die zum Beispiel nur die Mittlere Reife haben, erst einmal die Möglichkeit erschwert, den Beruf ergreifen zu können.“ Friedrich arbeitet seit 2006 im Bietigheimer Krankenhaus und leitet seit Oktober das dortige Team.

Sie ist überzeugt vom Konzept des Hebammenkreißsaals, wie es ihn in Bietigheim gibt. Hier würden die Gebärenden intensiv durch die Hebammen betreut und so durch die Geburt geführt. „Dieses System auszuweiten, wäre sinnvoll für die Zukunft“, glaubt Friedrich. Sie findet das wieder mehr Hebammen in die Klinik kommen müssten. „Damit eine 1:1-Betreuung überhaupt möglich ist, brauchen wir mehr Personal.“ Schon jetzt würden viele Engpässe nur deshalb gestemmt werden können, weil viele Kolleginnen immer wieder einspringen, wenn Not an der Frau sei.

„Wir sind einfach zu sozial eingestellt. Solange der Wagen noch nicht komplett an die Wand fährt, scheint die Politik das Thema zu ignorieren.“ Die Schließung kleiner Geburtskliniken müsse aufhören, damit Frauen weiterhin mehr Wahlmöglichkeiten haben, findet die Teamleiterin. „Der Platz der Hebamme ist am Bett der Gebärenden. Da müssen wir wieder hinkommen“, fordert Friedrich.

Jule Riecke arbeitet seit 2019 als Hebamme

Auch Jule Riecke konnte sich nie ganz von der Geburtsarbeit verabschieden. Sie machte 2019 das Hebammenexamen in Stuttgart und kam dann nach Bietigheim. 2020 machte sie sich selbstständig und arbeitet nun in Teilzeit im Krankenhaus und im Ludwigsburger Hebammenzentrum Justine.

Der Hebammenberuf war für sie nicht schon immer ein Wunschberuf. Sie wollte eigentlich Tierärztin werden, entschied sich dann doch noch um, als sie nach dem Abitur Mutter wurde und so die Arbeit der Hebammen kennenlernte. Natürlich gebe es viele Aspekte, die ihren Beruf unattraktiv machten: „Für meinen Stundenlohn setzt sich ein Handwerker nicht einmal ins Auto“, sagt Riecke. Auch das „Hick-Hack mit den Krankenkassen“, wenn es um die Abrechnung gehe, sei anstrengend. Und doch sei es für sie eine Sinn stiftende Arbeit. „Es wird nie langweilig und ich freue mich, wenn ich in der Nachsorge erlebe, wie schnell junge Eltern komplett intuitiv ein gutes Gefühl für ihr Kind entwickeln und als Familie zusammenwachsen.“

Im Hebammenberuf käme man den Menschen so nahe und erhalte viele Einblicke in das Privatleben der Familien: „Wer spaziert schon selbstverständlich in das Schlafzimmer frisch gebackener Eltern?“, fragt sie und lacht. Sie findet, dass die Hebammen bisher keine richtige Lobby hätten. „Es gibt zwar einen Verband und auch Verdi, aber das reicht noch nicht.“

Für die Zukunft wünscht sie sich neue Orte, an denen Frauen ihre Kinder zur Welt bringen können: „Ich habe von einem Geburtshaus in der Schweiz gehört, das auf dem Gelände einer Klinik gebaut wurde.

Dort arbeiten die Hebammen im Belegsystem und bei Bedarf ist die Klinik ums Eck. Die Zahlen dort seien beeindruckend. Auf sowas hätte ich auch richtig Lust“, überlegt Riecke. Wichtig sei es vor allem, dass ein realistischeres Bild für Geburten auch in der Bevölkerung ankäme. „Wir brauchen weniger Hollywood.“ Deshalb sei auch die Hebammenarbeit in der Geburtsvorbereitung unerlässlich.

Dörte Hackenberg, Hebammenstudentin seit Oktober 2021

Auch die Studentin Dörte Hackenberg glaubt, dass die Aufklärung über die Arbeit der Hebammen wichtig ist und mehr forciert werden muss. Viele junge Hebammen organisieren und informieren sich über Soziale Medien. „Das ist wertvoll und wichtig und kann auch in Zukunft dazu beitragen, sich besser politisch zu engagieren“, so Hackenberg. Ihr Duales Studium macht sie an der DHBW in Karlsruhe und den praktischen Teil im Bietigheimer Krankenhaus.

Für sie hat die Arbeit der Hebamme auch viel mit Feminismus zu tun: „Wir Frauen können was. Was Frauen bei der Geburt leisten, ist unheimlich stark. Das darf nicht unter den Tisch fallen.“ Auf diese Stärke sollten sich Frauen immer wieder beziehen und daraus Kraft für andere Aufgaben ziehen.

Sie ist froh, dass sie einen Studienplatz erhalten habe. Das sei leider gar nicht so leicht. „Der Bewerbungsprozess ist wirklich eine große Hürde. Ich frage mich: Warum gibt es so wenige Plätze?“, fragt sie. Sie habe Bekannte, die schon seit Jahren darauf warten, als Hebamme ausgebildet zu werden. „Ich verstehe nicht, weshalb es den Frauen so schwer gemacht wird, einen Studienplatz zu finden, wenn doch der Bedarf an Hebammen so hoch ist.“

Ein echter „Teamberuf“ sei die Arbeit als Hebamme, deshalb möchte die Studentin die Arbeit im Kreißsaal auch nicht missen. Doch für sie steht fest: Eine gute Arbeit kann die Hebamme im Kreißsaal nur leisten, wenn die 1:1-Betreuung auch umgesetzt wird. „Das muss funktionieren, sonst wird man niemandem gerecht.“

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