Herausforderungen für die Jugendförderung „Das Netz“ durch die Pandemie In der Krise gefragter denn je

Von Michaela Glemser
Harald Finkbeiner-Loreth, Maria Limoli und Frank Schneider (von rechts) vom Bietigheimer Jugendhaus „Das Netz“. Foto: Martin Kalb

Mitarbeiter der Jugendförderung registrieren eine massive Zunahme der Ängste und Depressionen unter Kinder und Jugendlichen. Sie fordern ein Umdenken in der Politik.

Die Pandemie hielt und hält für die Verantwortlichen von „Das Netz – Jugendförderung in Bietigheim-Bissingen“ besondere Herausforderungen bereit. Das Team des Jugendhauses „4D“, des Jugendtreffs in Bissingen, der offenen und mobilen Jugendarbeit sowie der Schulsozialarbeit an den Bildungseinrichtungen der Stadt, versteht sich als „Anwälte der Kinder und Jugendlichen“, und als solche sind die Mitarbeiter in dieser Zeit gefragter denn je.

„Kinder- und Jugendschutz braucht Systemrelevanz. Er darf in Krisenzeiten nicht einfach ausgesetzt werden. Kinder und Jugendliche haben auch Rechte, auf die in der Pandemie verschärft geachtet werden muss. Ich wünsche mir, dass dies in den Köpfen der politischen Verantwortungsträger endlich ankommt“, macht Harald Finkbeiner-Loreth, Leiter der gemeinnützigen Einrichtung „Das Netz“ deutlich.

Diese Worte kann Frank Schneider von der Fachbereichsleitung für Schulsozialarbeit nur bestätigen. Er registriert eine massive Zunahme der Ängste und Depressionen unter Kinder und Jugendlichen. „Es treten beispielsweise Ängste davor auf, nach einer so langen Phase zuhause wieder in die Schule zu gehen. Die fehlenden sozialen Kontakte machen sich bei den Kinder und Jugendlichen mit Kontaktängsten bemerkbar. Es gibt auch bei jenen Auffälligkeiten, die vor der Pandemie gar nicht in Erscheinung getreten sind“, so Schneider.

Psychiater "völlig überlaufen"

Die Kinder- und Jugendpsychiater seien völlig überlaufen und das ganze Ausmaß der Folgen und Schäden bei Kinder und Jugendlichen noch gar nicht zu überblicken, so Schneider. Als zu Beginn des ersten Lockdowns der Online-Unterricht noch nicht so etabliert war, hatten die Schulsozialarbeiter große Schwierigkeiten, den Kontakt zu den Schülern nicht abreißen zu lassen. „Wir haben daher die sozialen Medien genutzt, haben Beratungsgespräche via Skype geführt, sind aber im Bedarfsfall auch zu den Kindern und Jugendlichen nach Hause gefahren oder haben in der Stadt geschaut, wo sie sich möglicherweise aufhalten“, erzählt Schneider.

Noch schwieriger gestaltete sich die Schulsozialarbeit in der Pandemie-Krise in den Grundschulen, wo der soziale Kontakt und die Nähe für die kleinen Kinder noch besonders wichtig ist. „Wir müssen im neuen Schuljahr mit niederschwelligen Angeboten schauen, wie wir wieder an die Kinder herankommen“, so Schneider. Er bemerkt auch eine Zunahme der häuslichen Gewalt und Konflikte in der Stadt, aber erfreulicherweise kein Anstieg der Drogenproblematik.

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Angebot „Walk and Talk“

Seine Kollegin Maria Limoli von der Jugendhausleitung und der offenen Jugendarbeit kann seit rund zwei Wochen wieder Kinder und Jugendliche mit Voranmeldung zu den unterschiedlichen Projekten wie  „Breakdance“, „Tonstudio“, „Zirkus“ oder „Garten“ begrüßen. „Den Kindern und Jugendlichen ist es wichtig, dass sie endlich wieder Gleichaltrige treffen können.“ Zudem habe man in der Pandemie ein neues Angebot „Walk and Talk“ etabliert, bei dem bei einem gemeinsamen Spaziergang über alles, was einen bewegt, gesprochen werden kann, erläutert Limoli. Solche Beratungsspaziergänge gibt es inzwischen auch in der Schulsozialarbeit.

„Wir sind in allen Bereichen gut miteinander vernetzt, denn unser Name ist bei uns Programm“, sagt Finkbeiner-Loreth. Im Herbst solle eine völlig neue Konzeption für die Jugendarbeit vorgestellt werden, bei der Nachhaltigkeit eine ganz wichtige Rolle spiele. Im Projekt „Open Urban Gardening“ findet dieses neue Konzept schon jetzt seinen Ausdruck, denn dabei wird der Garten des Jugendhauses unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit völlig neu gestaltet.

Neue Grundlage nötig

Die Pandemie habe auch in der Kinder- und Jugendarbeit einen Umbruch verursacht. „Das Blatt ist leer und will neu beschrieben werden. Der Funke muss wieder überspringen. Wir können nicht so weitermachen wie vor der Krise. Die Kinder und Jugendlichen sollen ihre Wünsche und Gedanken äußern, damit wir zu einer gemeinsamen Grundlage der Kinder- und Jugendarbeit zurückfinden“, ergänzt Finkbeiner-Loreth.

 
 
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