Die invasive Ameisenart Tapinoma Magnum (Große Drüsenameise) breitet sich im Südwesten Deutschlands zunehmend aus. Für Aufsehen sorgte jüngst die Stadt Kehl, in der die kleinen Tiere bereits Strom- und Internetausfälle verursachten. Im Kreis Ludwigsburg war es bislang ruhig um die eigentlich aus dem Mittelmeerraum stammende Art. Doch inzwischen ist eine Tapinoma-magnum-Kolonie auch in Hessigheim bestätigt worden. Etwa acht Grundstücke in einer Sackgasse in einem Wohngebiet am Ortsrand sind nach Auskunft von Bürgermeister Günther Pilz betroffen. Schon von der Straße aus lasse sich die Ameisenstraße erkennen, sagt Pilz.
Hessigheim/Kreis Ludwigsburg Die Sorge vor dem großen Krabbeln
Die invasive Ameisenart Tapinoma magnum wurde erstmals im Kreis bestätigt. Die Bekämpfung gestaltet sich jedoch schwierig.
Für die Anwohner wird die Anwesenheit größerer Kolonien schnell zu einem extremen Störfaktor, im schlimmsten Fall können die Tiere gar öffentliche Infrastruktur zerstören. „Wir wollen als Gemeinde aktiv werden, bevor sie sich noch weiter ausbreiten“, so Pilz Auch Kontakt mit anderen betroffenen Gemeinden will er deswegen aufnehmen.
Jede Woche eine neue Kolonie
Doch die Bekämpfung der Ameisen, die vermutlich über Pflanzentransporte eingeschleppt wurden, ist gar nicht so einfach. Denn bestehende Pestizide sind nicht für Tapinoma magnum zugelassen. Schließlich hätte die Art in Deutschland bis vor kurzem überhaupt keine Rolle gespielt, wie Manfred Verhaagh vom Karlsruher Naturkundemuseum erklärt. Doch inzwischen verzeichne man in Baden-Württemberg wöchentlich neue Kolonien – waren im April noch 15 Stück bekannt, hat sich diese Zahl mittlerweile verdoppelt. „Aktuell befinden sich alle in einem Experimentierstadium“, sagt Verhaagh. Manche Gemeinden würden ihr Glück mit Pestiziden versuchen, andere – so etwa Kehl – arbeiten mit heißem Wasser.
Der Erfolg der Maßnahmen hänge jedoch maßgeblich von der Größe der Kolonie ab. So reicht es bei einer herkömmlichen Ameisenkolonie, die Königin zu erwischen. Doch bei Tapinoma magnum handle es sich meist um diffuse Systeme im Boden, welche aus zahlreichen Brutzentren mit Millionen von Arbeiterinnen und Tausenden fortpflanzungsfähigen Königinnen bestehen können. Bleibt nur eine davon übrig, werden die Tiere wiederkommen, sagt Verhaagh. Vor allem bei weitläufigen Kolonien gelinge deshalb häufig nur eine Eindämmung der Insekten. Zudem verursache ein größerer Befall schnell Kosten im fünfstelligen Bereich, so der Experte.
Auf effektive Bekämpfungsmethoden aus dem Mittelmeerraum könne man sich auch nicht stützen, denn dort lebt Tapinoma magnum in einem völlig anderen Ökosystem mit anderen Ameisenarten und möglichen Fressfeinden. „Die Tiere kommen in einen ökologischen Kontext, in dem sie sich ungebremst ausbreiten können“, sagt Verhaagh.
Noch steckt die Forschung über die Auswirkungen dieser invasiven Art auf unsere Ökosysteme in den Kinderschuhen, doch Beobachter vor Ort berichten, dass in Bereichen von Tapinoma-magnum-Superkolonien keine anderen Ameisenarten mehr anzutreffen waren, wie Amelie Höcherl vom Stuttgarter Naturkundemuseum sagt. Tapinoma könne nämlich eine Substanz abgeben, die für andere Arten toxisch ist, erklärt sie. An den Naturkundemuseen in Stuttgart und Karlsruhe startete deshalb Anfang des Jahres ein gemeinsames Forschungsprojekt mit dem Ziel, die Ausbreitungsmechanismen der Insekten besser zu verstehen und Strategien zur Bewältigung der Invasion zu entwickeln.
Tipps bei Verdachtsfällen
In einem Science-Blog auf der Website des Stuttgarter Naturkundemuseums unter dem Titel „Ameisen-Alarm! Tapinoma magnum – wenn kleine Insekten große Probleme machen“ geben die Forscher Tipps zur Identifizierung der Ameisen. Denn bei 120 heimischen Arten bestehe sonst schnell Verwechslungsgefahr.
In aller Kürze: Tapinoma magnum ist komplett schwarz gefärbt und nicht außergewöhnlich groß. Ein wichtiges Erkennungsmerkmal bei Ameisen ist der Knoten zwischen Vorder- und Hinterleib. Bei Tapinoma ist dieser Knoten flach und vom Hinterleib verdeckt, während er bei anderen Gattungen deutlich sichtbar ist. Bei einer Reizung verströmen die Ameisen einen intensiven Geruch, der laut den Forschern nur schwer mit bekannten Gerüchen vergleichbar sei. Auffällig sind zudem die breiten, teils mehrspurigen Ameisenstraßen sowie der Auswurf von Erdreich um die Nesteingänge. In jedem Fall sollte man einen Verdachtsfall zunächst von einem Experten bestätigen lassen, rät Höcherl.
Auch für den Fall, dass Tapinoma magnum im heimischen Garten bestätigt wurde, raten die Forscher jedoch von einem Privat-Einsatz von Pestiziden ab und empfehlen stattdessen, erfahrenen Schädlingsbekämpfern das Feld zu überlassen.
Beide Experten sind sich einig: Vernetzung ist bei der Bekämpfung unerlässlich. „Nur auf dem eigenen Grundstück tätig zu werden, hat wenig Aussicht auf Erfolg, wenn die Nachbarn das nicht auch tun“, sagt Höcherl. Auch die Kommune sollte in jedem Fall informiert werden. Ein koordiniertes Vorgehen auf öffentlichen und privaten Grundstücken sei entscheidend. Genau das will man in Hessigheim nun angehen.