Im Jahr 1944 erlebte Großingersheim sein schrecklichstes Kriegsjahr. Bei einem Bombenangriff am 16. Dezember wurden vor 80 Jahren 21 Menschen getötet. Die Gemeinde Ingersheim erinnert an diesem Montag mit einer Gedenkveranstaltung vor dem Rathaus an das Ereignis, im Anschluss gibt es einen Gottesdienst in der Martinskirche.
Historie Großingersheim versank in Schutt und Asche
Heute vor 80 Jahren luden amerikanische Bomber des Typs „Fortress B-17“ ihre Fracht ab. Es gab 21 Tote.
Das Wetter an diesem Donnerstag war kalt, es gab regionale Niederschläge mit Schneeregen. Im englischen Norwich waren am Morgen 108 viermotorige Bomber des Typs „Fortress B-17“ gestartet. Ihr Hauptziel waren die Bahnanlagen in Kornwestheim, als „Gelegenheitsziel“ war Bietigheim vorgesehen. Schon beim Start der Bomberverbände traten Schwierigkeiten auf, die Anflüge wurden mehrfach geändert. Gegen 13 Uhr hatten die Piloten dann Bietigheim im Visier.
Radarsystem gestört
Störungen im Radarsystem H2 X, das der Zielfindung unter schlechten Sichtbedingungen diente, führten die Piloten über Großingersheim. Zu spät gesetzte Rauchzeichen und die starke Bewölkung im Endanflug brachten Tod und Schrecken. Die schreckliche Bilanz des rund zehnminütigen Luftangriffs: 21 Tote in Großingersheim, schwere Flurschäden, die Häuser entlang der Bietigheimer Straße versanken in riesigen Rauch- und Staubwolken.
Der Ingersheimer Adolf Leibbrand hat sich schon seit den 1980er-Jahren mit der Rekonstruktion des Bombenabwurfs beschäftigt. Er konnte Karten, Bilder und Protokolle aus den amerikanischen Archiven auswerten, allein von den Bombenabwürfen über Großingersheim gibt es 18 Aufnahmen. So war schon Mitte der 1990er-Jahre eine detaillierte Darstellung der Geschehnisse möglich.
Spreng- und Stabbrandbomben
Der Navigator der Führungsmaschine, Lieutenant E. Bishop, gab zu Protokoll, dass das Radargerät gut arbeitete, aber nahe des Auslösepunktes habe er die Entfernungseinstellung verloren. Das Ausklinken der Bomben aus 6000 Metern Höhe, so die Rekonstruktion, fand über der Parzelle Bissingen um 12.58 Uhr statt, 120 Sprengbomben explodierten rund 300 Meter südlich von Großingersheim beim Riedberg.
Die nachfolgende Bomberstaffel folgte der Führungsstaffel daraufhin ohne Radar und warf weitere Bomben auf die Rauchraketen, jedoch einige Grad nördlicher. Die Bomben dieses Verbandes mit 13 Maschinen trafen den südlichen und östlichen Ortsteil von Großingersheim mit rund 130 Sprengbomben und 2500 Stabbrandbomben.
Der dritte Pulk der Staffel unter Captain Pittmann änderte kurz darauf den Kurs und drehte in Richtung Hauptziel Kornwestheim ab. So blieben Großingersheim und Bietigheim, dort gab es fünf Tote, von einer dritten Bombenserie verschont.
Gemeinschaftsgrab an der Kirche
Trotzdem waren die Schäden erheblich. Im Schadensbericht wurden für Großingersheim 68 Gebäude als vollständig zerstört gemeldet. Rund 185 Einwohner wurden obdachlos.
Am nächsten Tag bahrte man in der Martinskirche die 21 Toten auf, die anschließend in einem Gemeinschaftsgrab neben der Kirche beigesetzt wurden. Der Friedhof konnte wegen zahlreicher Bombentrichter nicht mehr genutzt werden. Unter den Toten waren neben den einheimischen Männern, darunter der langjährige Kommandant der Feuerwehr, Gottlob Ansel, den Frauen und Kindern auch Evakuierte aus Stuttgart, die sich in Großingersheim sicher fühlten – und unerwartet den Tod fanden.
Most und Gülle zum Löschen
Nach dem Luftangriff waren viele Häuser verwüstet, Blindgänger von Stabbrandbomben fanden sich in großen Mengen. Sie hatten die Dächer durchschlagen, blieben auf Dachstühlen liegen, in Höfen, Gärten und auf Wegen. Der Ort stand in seinem Kern lichterloh in Flammen. Eine zerstörte Hauptwasserleitung erschwerte die Löscharbeiten an den getroffenen Gebäuden.
Trotzdem gelang es durch gemeinsame Anstrengung und die Unterstützung durch die Nachbarwehr aus Kleiningersheim sowie zahlreiche Helfer aus Pleidelsheim, viele Gebäude zu retten. Augenzeugen berichteten, dass Most und Gülle das fehlende Wasser ersetzen mussten.
Großingersheim wurde nach dem Bombenangriff hermetisch abgesperrt, niemand durfte in das Dorf oder das Dorf verlassen. Auf Plakaten war „Wer plündert wird mit dem Tode bestraft“ zu lesen. Nach dem Angriff zeigten viele Bürger, auch aus den Nachbarorten, Hilfsbereitschaft. Die Schäden des Bombenangriffs waren dagegen lange sichtbar, noch in den 1950er-Jahren erinnerten in Ingersheim vereinzelt Hausruinen an den 16. Dezember 1944.
Ölbild vom Bombenangriff
Wilhelm Cramer hielt den Bombenangriff auf einem Ölbild fest. Zu sehen sind die Martinskirche, das Rathaus sowie nahestehende Gebäude oberhalb des Friedhofes. Alles stark beschädigt, dicke Rauchschwaden ziehen über den Ort. Der Großingersheimer Bürgermeister Karl Braun, von 1945 bis 1964 im Amt, kartierte nach dem Angriff die Schäden. 68 Wohngebäude wurden total zerstört, Ställe, Scheunen und Geräteschuppen schwer beschädigt, es gab über 100 Brandherde im Ort. An die 21 Toten erinnert ein Gedenkstein neben der Kirche.