Holzernte in Bietigheim-Bissingen „Baum fällt“ im Rotenacker Wald

Von Heidi Vogelhuber
Kim Kühn ist seit 1,5 Jahren Revierförster von ForstBW. Regelmäßig streift er mit seiner Hündin durch die Wälder, für die er zuständig ist, um den Zustand der Bäume im Blick zu behalten. Foto: /Oliver Bürkle

Im Staatswald bei Bissingen finden derzeit Durchforstungsarbeiten statt. Worauf es dabei ankommt und warum das so wichtig ist, erklärt Revierförster Kim Kühn von ForstBW.

Es wird Kahlschlag betrieben. Wenn das so weiter geht, steht hier bald kein Baum mehr. Das ist Raubbau!“ Solche und ähnliche Vorwürfe muss sich Kim Kühn oft anhören. Der 34-Jährige ist Revierförster von ForstBW. Er ist für den Staatswald im Revier Neckar-Enz zuständig, so auch im Bietigheimer Forst, im Rotenacker Wald bei Bissingen, aber auch für den Ludwigsburger Salonwald sowie den Favoritepark und noch weitere.

„Wir Förster sind die letzten, die dem Wald etwas Schlechtes wollen“, sagt er beim Besuch der BZ im Rotenacker Wald. „In anderen Ländern gibt es die Unterscheidung in Nationalparks und Wirtschaftswälder“, erklärt er. Zweitere würden regelmäßig komplett abgeholzt. Man müsse bedenken, dass die Wälder Deutschlands viele Nutzungen in sich vereinen: Natur- und Wasserschutz, Naherholung sowie die wirtschaftliche Nutzung. Im Rotenacker seien auch drei Waldkindergärten angesiedelt.

Sicherheit steht an erster Stelle

In so einem Wald stehe die Sicherheit natürlich an erster Stelle. Der Revierförster kontrolliert die Bäume an den Hauptwegen häufig, aber auch alle anderen müssen regelmäßig geprüft werden. Trockenphasen, aber auch Krankheiten muss der Förster stets im Blick behalten. Unter anderem das Eschentriebsterben, das derzeit in aller Munde ist, sei ein Problem, vor allem im Salonwald in Ludwigsburg. „Manchmal sind die Kronen der Eschen noch komplett grün, die Bäume kippen aber einfach um, weil die Wurzeln abgefault sind“, erklärt Kühn die Notwendigkeit, kranke Bäume rechtzeitig dem Wald zu entnehmen. Auch, um das Holz zumindest noch wirtschaftlich nutzen zu können. Holz wird in Güteklassen von A bis D unterteilt. Von Holz, das für Bretter, Balken und als Fassholz geeignet ist bis zum Brennholz. Totholz wiederum lässt der Revierförster zum Teil im Wald zurück, als Lebensraum für Vögel und Insekten.

„Ein bis zwei Mal im Jahrzehnt erfolgt die Holzernte“, sagt Kühn. Eine Übernutzung gebe es keineswegs, denn alle zehn Jahre wird jeder Wald durch das Forsteinrichtungswerk taxiert. Kern des Werks ist ein Inventar der Waldflächen und eine Planung für die Pflege des Bestands, die Holzentnahme und die Aufforstung. „Langfristig gesehen handeln wir immer nachhaltig“, sagt der Revierförster und erklärt, dass der so oft genutzte Nachhaltigkeitsbegriff ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammt.

„Es gibt einen gesellschaftlichen Bedarf nach Holz“, sagt Kühn. Daher sei es doch am nachhaltigsten, regional Holz zu schlagen, anstatt unzertifiziertes Holz zu importieren. Entnommen werden am Beispiel des Rotenacker Waldes 70 Festmeter pro Jahrzehnt, bei einem Zuwachs von 100 Festmetern. Den Überblick behält dabei Kühn selbst. Bei seinen Streifzügen durch den Wald, markiert er Bäume mit roten/pinken Strichen sowie gelben Markierungen. Auch blaue Zeichen sind an einzelnen Stämmen zu erkennen.

Rot, gelb und blau markiert

Die roten Zeichen markieren Bäume, die durch Forstwirte gefällt werden sollen. Die rücken nicht nur mit Motorsägen und Fällkeilen an, sondern auch mit schweren Kombimaschinen, die mit ihren Greifarmen die Bäume aus dem Dickicht heben und anschließend die Ladung aus dem Wald fahren können. Dafür werden eigene Wege genutzt, sogenannte Rückegassen, die mit blauen Markierungen gekennzeichnet sind. Bei ForstBW werden alle 40 Meter solche Maschinenwege angelegt, das kann aber bundesweit variieren, ebenso die Farbe der Markierungen. Auch gelbe Zeichen sind im Rotenacker zu finden. „Gelb markiere ich Zukunftsbäume, auch Z-Bäume genannt“, sagt der Förster. Das sind Bäume, die durch Vitalität, also einem kräftigen Stamm und einer großen Krone, hervorstechen und gut stehen. Die „Bedränger“, Bäume die dicht am Z-Baum stehen und mit ihnen um Licht und Wasser konkurrieren, werden bei der Holzernte entnommen, um den Z-Baum zu fördern. Zeitgleich wird so auch kleineren Bäumen im Umfeld ermöglicht, zu gedeihen und damit die Zukunft des Waldes zu sichern. „So haben wir unterschiedliche Baumgenerationen auf der Fläche.“

Die Fällungen übernehmen professionelle Forstwirte. Die Holzernte wird jeweils für drei Jahre vergeben und muss laut EU-Vorgabe ausgeschrieben werden. Derzeit sind fünf Forstwirte einer Illinger Firma im Rotenacker beschäftigt. Einer davon ist Sebastian Stepper. Er ist seit fünf Jahren Forstwirt und das mit Herzblut. „Ich habe schon mein Leben lang gern im Wald gearbeitet“, sagt er. Das Beste an seinem Job: die Holzernte. Nicht so gerne hat er das Freischneiden von frisch gepflanzten Baumflächen, aber das gehöre nun mal auch dazu.

Über eine Woche dauern die Fällarbeiten im Rotenacker, in dieser Woche werden die Baumstämme abtransportiert. Dann wird der Wald wieder komplett für Nordic Walker, Jogger und Spaziergänger freigegeben. Einer der Spaziergänger könnte auch Kim Kühn sein. Denn trotz der vielen Zeit, die er berufsbedingt im Wald verbringt, gehe er gern am Wochenende mit der Familie in den Wald. Dass er dabei überall Arbeit sieht, könne er aber nicht leugnen, sagt er und lacht.

 
 
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