Iker Romero will in die NBA des Handballs Provinzprobleme sind Vergangenheit

Von Sebastian Klaus
Nach vier erfolgreichen Jahren als Co-Trainer unter seinem spanischen Landsmann Carlos Ortega in Hannover coacht Iker Romero ab dem Sommer den Zweitligisten SG BBM Bietigheim.⇥ Foto: Marco Wolf

Iker Romero heuert zur nächsten Saison als Coach des Zweitligisten SG BBM Bietigheim an. Doch wer ist der Mann und warum zieht es einen Weltstar in die Kleinstadt? Ein Erklärungsversuch.

Ein paar Tage lang hatten die Verantwortlichen der SG BBM Bietigheim rumgedruckst, hatten sich geziert und gewunden und mit der Antwort auf die Frage, warum es nach der Saison zur Trennung des doch so geschätzten Trainers Hannes Jon Jonsson kommt hinterm Berg gehalten – nur um dann endlich am Dienstagnachmittag auch offiziell zu bestätigen, was ohnehin schon jeder ahnte: Zur neuen Spielzeit hat der Handball-Zweitligist Iker Romero unter Vertrag genommen. Mit dem Co-Trainer des Bundesligisten TSV Hannover-Burgdorf kommt ein echter Weltstar an die Enz. Die Titelsammlung des Spaniers ist länger als ein Feierabend-Stau auf der A81: Weltmeister, zweimaliger Champions-League-Sieger, dreifacher Europapokalsieger, dreimaliger spanischer Meister, DHB-Pokal-Gewinner und und und. Und genau diese unglaubliche Vita war es dann wohl auch, die das Pendel von Jonsson weg und in Richtung Romero hatte ausschlagen lassen.

Der Vertrag des Spaniers bei den Niedersachsen endet im Sommer und der 40-Jährige hatte schon seit längerer Zeit durchblicken lassen, dass er sich einen Posten als Chefcoach durchaus vorstellen könne. Es sieht danach aus, als hatten sich die SG-Macher die möglicherweise einmalige Chance nicht entgehen lassen wollen, einen der wohl spannendsten Trainer auf dem Markt nach Bietigheim zu locken. Man könnte sagen, hätte es Romero nicht gegeben, Jonsson wäre die 1A-Lösung geblieben.

Provinz kam nicht infrage

Doch die Anfrage des Bietigheimer Zweitligisten ist dabei nicht etwa das erste Angebot aus der deutschen Provinz, das Romero je unterbreitet wurde. Die ersten Vertragsgespräche sind allerdings schon ein paar Jahre her. 2005 hatten Verantwortliche des TBV Lemgo den damals noch im Irokesen-Look spielenden Rückraum-Linken in Barcelona besucht, um ihm ein Engagement in Ostwestfalen-Lippe schmackhaft zu machen. Doch als er nach langer Suche das 40 000-Einwohner-Städtchen Lemgo auf der Karte endlich gefunden hatte, habe er sofort gewusst, das komme nicht infrage. berichtete der Spanier Jahre später im Interview mit dem Berliner Tagesspiegel, warum der TBV für den Mittzwanziger keine Option darstellte. Statt Romero wechselte dann der spätere Welthandballer Filip Jícha nach Lemgo.

Nach acht sehr erfolgreichen Jahren beim FC Barcelona wurde es 2011 dann doch noch was mit einem Handball-Job in Deutschland. Die aufstrebenden Füchse Berlin hatten mit dem dänischen Internationalen Torsten Laen gute Erfahrungen gemacht und versprachen sich von der Verpflichtung Romeros den nächsten Entwicklungsschritt. Wo Berlin auf der Karte lag, das wusste der damals 31-Jährige zumindest. Und die deutsche Hauptstadt bot ähnliche Ausgehmöglichkeiten wie Barcelona. Allen Versuchungen der Metropole zum Trotz lieferte der neue Star der Berliner auf der Platte Woche für Woche ab.

„Eviva Espana“ nach jedem Tor

In seinen vier Spielzeiten mit den Füchsen gewann Romero an der Seite der langsam ins Rampenlicht rückenden Talente Fabian Wiede und Paul Drux den nationalen Pokal und den Europacup. Zu den Klängen von „Die Sonne scheint bei Tag und Nacht, Eviva Espana“ der niederländischen Schlagersängerin Imca Marina bejubelte das Publikum in der Max-Schmeling-Halle jeden Treffer der Klublegende. Und nach Laens Abschied von den Füchsen im Jahr 2013 übernahm der von seinen Mitspielern hochgeschätzte Romero vom Dänen sogar die Kapitänsbinde.

Im Sommer 2014 lernte Romero bei einem Besuch seines ehemaligen Mitspielers aus Barcelona-Tagen, Laszlo Nagy die damalige Handball-Nationalspielerin Laura Steinbach kennen, die bei FTC Budapest in Ungarn unter Vertrag stand. Im Oktober 2014 löste die Tochter des ehemaligen NOK-Präsidenten und Spitzen-Schwimmers Klaus Steinbach ihren Vertrag bei den Ungarn auf und wechselte ebenfalls nach Berlin. Mitte 2016, also fast genau ein Jahr nach dem Ende seiner aktiven Karriere bei den Füchsen, heirateten die beiden im Beisein vieler ehemaliger Weggefährten in Spanien. Nach einer Auszeit auf dem Weingut der Eltern im baskischen Vitoria und einem Masterstudium in Sportmanagement wurde der 200-malige Auswahlspieler Teammanager der spanischen Nationalmannschaft.

Traum-Duo in Hannover

Nach einer beispiellosen Niederlagenserie des TSV Hannover-Burgdorf mit einer kompletten Rückrunde ohne Sieg heuerte Romero zur Saison 2017/18 an der Seite von Cheftrainer, Ex-Barca-Mitspieler und Freund Carlos Ortega beim Klub aus der niedersächsischen Landeshauptstadt an. Innerhalb kürzester Zeit schafften die beiden Trainer aus einer völlig verunsicherten Truppe ein Spitzenteam zu formen. Gleich am ersten Spieltag gelang den Recken ein sensationeller Auswärtssieg in Kiel. Bis zum 6. Spieltag führte Hannover die Tabelle an. Am Ende stand ein überragender sechster Platz und der Einzug ins DHB-Pokal-Finale.

Romero setzt auf Jugend

Mit der A-Jugend der Recken, die Romero nebenbei betreute – ein Umstand, der ihm in den Vertragsgesprächen mit der SG BBM sicherlich zu Gute kam – hatte der 40-Jährige ebenfalls das Halbfinale erreicht. Die Tatsache, dass es sechs seiner Zöglinge in dieser Saison in den Bundesliga-Kader geschafft haben, bezeichnet der Spanier dabei als „wichtiger als jeden Titel“. Verabschieden will sich Romero dennoch mit einem Titel aus Hannover. Im Juni hat sein Noch-Klub dazu beim Pokal-Final-Four in Hamburg die Möglichkeit. Dann wartet im Halbfinale die MT Melsungen.

Möglicherweise hätte Romero den Schritt in Richtung Cheftrainerposten schon ein Jahr eher gewagt, doch die Geburt seines zweiten Kindes im Dezember 2019 stoppte den großen Familienmensch. Anfragen und Verhandlungen hatte es laut einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen anscheinend zur Genüge gegeben. Auch als Nachfolger von Ortega in Hannover soll Romero im Gespräch gewesen sein, für den Fall, dass sein Freund und Mentor das Angebot einen Topclubs angenommen hätte.

Guter Anschluss

Nun geht der Spanier mit dem Wechsel nach Bietigheim aber doch in die Vollen – wie er es auch stets in der Halle getan hatte – und die Kinder sehen endlich die Oma häufiger, die in Bad Urach lebt. Auch für Romeros Frau, Laura Steinbach, die ihre ersten fünf Profijahre bei der TuS Metzingen verbrachte, dürfte es keine Anlaufschwierigkeiten geben. Einen Großteil der Bundesliga-Spielerinnen der SG BBM Bietigheim kennt sie schließlich bereits aus ihrer Zeit als Teammanagerin der Deutschen Nationalmannschaft, die sie bis September 2019 betreute. „Im Leben musst du deine Möglichkeiten nutzen“, hatte der Weltstar einmal gesagt. Und diese Gelegenheit will der begeisterte Hobby-Jäger in Bietigheim beim Schopfe packen.

Roi Sánchez als Vorbild

Dass sich dabei die sportlichen Ziele Romeros mit denen der SG-Macher decken dürften, steht außer Frage. Der Spanier strebt in die Bundesliga, die NBA des Handballs, wie er sie gerne nennt. Als Vorbild für Romero könnte dessen einstiger Vorgänger bei Hannover, Roi Sánchez, dienen. Erst vor wenigen Tagen hatte Bietigheims Bundesliga-Nachbar TVB Stuttgart die Verpflichtung des Spaniers zur neuen Saison verkündet. In Hannover hatte der 36-Jährige von 2013 bis 2017 nicht nur als Co-Trainer des Erstliga-Teams gearbeitet, sondern auch die A-Jugend gecoacht – beides Aufgaben, die dann Romero ansatzlos übernommen hatte. Zuletzt trainierte Sánchez die zweite Mannschaft von Romeros Ex-Klub FC Barcelona. Dass er nie alleine Wein trinkt, hatte Romero in einem Interview verraten. Doch die Zeit, sich bei einem Glas Rioja auszutauschen, dürften die beiden Landsmänner sicherlich finden.

Aber was ist nun eigentlich mit dem Problem mit dem Leben in der Provinz? „Ich bin in meinem Inneren immer ein Kleinstadttyp geblieben, ich liebe es, in den Bergen zu sein und durch den Wald zu wandern“, hatte Romero dem Tagesspiegel bereits bei seinem Abschied aus Berlin gesteckt. Problem gelöst.

 
 
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