In Bus und Bahn mit Handyticket Digitale Tickets boomen, ihre Kontrolle ist aber aufwendig

Von Uwe Roth
Digitale Tickets für Bus und Bahn werden immer beliebter.⇥ Foto: Helmut Pangerl

Immer mehr Menschen kaufen Bus- und Bahn-Fahrscheine mit dem Handy. Bei der Kontrolle sind Busfahrer allein oft überfordert. Eine einheitliche Lösung fehlt.

Jeder vierte VVS-Kunde kauft seinen Einzel- oder Tagesfahrschein inzwischen elektronisch und lädt diesen aufs Smartphone. Bei den Wochen- und Monatskarten sind es etwa zehn Prozent. „Der Anteil steigt kontinuierlich an“, teilt eine Sprecherin des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS) in Stuttgart mit. Mit dem E-Ticketverkauf spart der VVS Verwaltungskosten. Doch die Kontrolle ist aufwendig und teuer, weil jeder Prüfer und Bus im Verbundnetz einen Scanner braucht, um das Ticket lesen zu können. Andererseits geht es um viel Geld: Den Schaden wegen Schwarzfahrens schätzt der VVS auf etwa 15 Millionen Euro im vergangenen Jahr.

Ob ein Fahrgast auf seinem Display tatsächlich ein korrekt bezahltes Ticket zeigt, wird regelmäßig in der S-Bahn geprüft. In den Bussen sind dafür die Fahrer zuständig. „Fahrscheine sollten grundsätzlich geprüft werden“, lautet die Vorgabe des Verkehrsverbunds. Doch für die Busfahrer bedeutet es, den QR-Code zu scannen, eine zusätzliche Aufgabe neben viele weiterer: Schließlich müssen sie nach wie vor Fahrscheine bar verkaufen und einen Blick auf die Papierfahrscheine werfen, die die Einsteigenden vorzeigen, und darauf achten, dass niemand hinten einsteigt. Dazu kommen Tickets auf der polygo-Card und Eintrittskarten zu Veranstaltungen, die gleichzeitig VVS-Ticket sind.

Fahrgast soll Ticket beim Einstieg bereit halten

Die Regeln des VVS, der zusätzlich eigene Kontrolleure in die Linienbusse schickt, sind eindeutig: „In allen Bussen im VVS gilt einheitlich der Einstieg an der vorderen Tür.“ Das ist der Anspruch. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Das weiß der VVS. „Bei der Prüfung des Tickets kommt es auf die Situation an“, heißt es von dort. Bei Verspätungen und starkem Andrang an Knotenpunkten dürfe das Fahrpersonal darauf verzichten und die hintere Türe zum Einstieg offen lassen. Unter Zeitdruck stehen die Busfahrer tagsüber fast immer. Die Straßen sind voller geworden und die Taktzeiten dichter. Folge: Fahrgäste werden von den Busfahrern oftmals durchgewunken, um Abfahrtzeiten einzuhalten.

Spillmann-Geschäftsführer Bülent Menekse bestätigt, dass es in Hauptverkehrszeiten im Netz von Bietigheim-Bissingen solche Ausnahmen gibt. Der Fahrgast habe aber „grundsätzlich davon auszugehen, dass der Fahrer prüfen möchte, ob er ein gültiges Ticket besitzt.“ Idealerweise solle der Fahrgast das Ticket bereithalten und „nicht erst mit der Suche in der Tasche oder im Rucksack anfangen, wenn man vom Fahrer darauf angesprochen wird“.

Laut VVS reichen fünf Sekunden, um ein E-Ticket zu prüfen. Das sei im Normalfall ausreichend, bestätigt Meneske. „Wenn Sie jedoch zu den Stoßzeiten an einer zentralen Haltestelle 50 Zusteiger haben, würde sich insgesamt die Prüfzeit auf etwa vier Minuten belaufen.“ Daher werde „in der betrieblichen Praxis oft nur stichprobenartige Prüfungen angewandt“. Spillmann will ab diesem Jahr „Kontrollpersonal einsetzen und die Kontrollquote deutlich erhöhen, um die Fahrer zu entlasten“.

Forderung: Verkauf und Kontrolle außerhalb der Busse

So sieht es auch Erhard Kiesel, Geschäftsführender Gesellschafter von Wöhr Tours in Weissach. „Die über den Vordereinstieg hinausgehende Fahrscheinprüfung haben wir einer Fremdfirma übertragen.“ Diese setze ihre Prüfer auf allen Linien zu unterschiedlichen Tageszeiten ein. Die Ludwigsburger Verkehrslinien (LVL) beschäftigt zwei Kontrolleure, die täglich an den Haltestellen zusteigen, um Schwarzfahrer zu erwischen. Am Rathaus und ZOB beim Bahnhof bleibt den Fahrern wegen des großen Andrangs kaum Luft, E-Tickets zu checken. Die Busse sind in der Regel unkontrolliert zugänglich.

Auch ansonsten bleibt die Sichtprüfung eher oberflächlich. „Die Haltestellen liegen 400 bis 500 Meter auseinander. Da ist keine Zeit für eine gründliche Kontrolle“, sagt LVL-Betriebsleiter Frank Metzger. Insgesamt findet er den Fahrschein-Scanner aber eine gute Sache. „Mit einem Blick sieht der Fahrer, ob der Fachschein gültig ist oder nicht.“

Letztlich sind die befragten Busbetreiber mit dem Fahrkartensystem unzufrieden. „Es setzt auf die Infrastruktur der 1990er-Jahre“, kritisiert Meneske. „Mit Blick in die Zukunft empfehlen wir dem Verbund und dem Land eingehend ein einheitliches Ticketing-System, welches die Verkaufs- und Kontrollprozesse aus dem Bus vollständig auslagert“, so der Spillmann-Geschäftsführer. Damit könne „eine weitere wesentliche Zutrittsbarriere zum System ÖPNV für Pkw-Umsteiger abgebaut und gleichzeitig das Fahrpersonal entlastet werden.“

 
 
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