Ingersheim Countertenor Nils Wanderer hört auch gerne mal Pop

Von itz
  Foto: /Oliver Bürkle

Der Countertenor Nils Wanderer lebt in Ingersheim. Er hat den ersten Preis für die beste Barockarie beim Bundeswettbewerb Gesang 2022 gewonnen.

Countertenor bezeichnet einen Sänger, der sowohl die Alt-, und auch Sopranlage singen kann. Dies ist man in der Regel eher von Sängerinnen gewohnt. „In der hohen Stimme bin ich zuhause“, sagt der 28-jährige national und international gefeierte Countertenor Nils Wanderer im BZ-Interview.

Sie sind Solist, Opernsänger, Oratorien- und Konzertsänger. Was liegt Ihnen besonders?

In der Oper kann man alles intensiv reingeben, aber ich liebe Oratorien. Egal ob von Bach oder Händel. Die Menschen kommen in die Kirche, weil sie einen Gottesdienst musikalisch hören möchten. Solche Liederabende sind wie kleine Opern und da kann ich als Künstler frei sein. Das sind immer sehr intime Momente mit meinem Publikum, weil eine enge Kommunikation stattfindet.

Welche Musik hören Sie privat? Gibt es auch anderes?

Ja auf jeden Fall. Ich höre viel elektronische Musik, weil ich mich gerne bewege und tanze. Dazu kommt Soul, Pop und R&B. Ich selbst mache auch elektronische Musik, auf die Barock trifft. Das Programm heißt ‘Wanderer zwischen den Welten‘ mit dem ich auf Tour gehe. In der ersten Hälfte gibt es einen Liederabend oder Barockorchester, in der zweiten Hälfte dunklen Beat, so richtig auf die Zwölf.

Wie war Ihre Entwicklung?

Mit fünf Jahren war ich schon im Knabenchor Capella Vocalis in Reutlingen und habe nach dem Stimmbruch mit der Stimmlage einfach weiter gesungen. Ich habe eine tiefe Stimme aber in der hohen Stimme fühle ich mich als Sänger wohl und in der bin ich zuhause.

Seit wann sind Sie professioneller Countertenor?

Mit dem Studium habe ich 2013 an der Hochschule in Weimar begonnen, danach bin ich nach London und habe an der Guildhall School of Music & Drama den Opernkurs belegt. Das ist ein Exzellenzprogramm für die zehn besten Sänger des Landes, wo man speziell ausgebildet und gefördert wird. Meine erste Rolle habe ich in der Operette „Der Vetter aus Dingsda“ 2015 gesungen, erstmals in meinem Stimmfach 2016 in München das Weihnachtsoratorium von Bach.

Sie haben ein breites Repertoire. Gibt es einen Lieblingskomponisten?

Wenn ich nur noch einen Komponisten singen dürfte, müsste ich zwischen Bach und Purcell entscheiden. Bach sind meine Wurzeln mit der Verbindung aus kirchlicher Musik und der deutschen Sprache. Hinzu kommt der geistliche Hintergrund, der mir auch etwas bedeutet. Bei Purcell ist es vor allem die Menschlichkeit. Es sind einfache Harmonien, aber die Stimme kommt dabei so sehr zum Vorschein, dass man damit die Menschen tief berühren kann. Besser als mit jedem Popsong.

Wie bereiten Sie sich auf eine Bühnenrolle vor?

Die erfahre ich in der Regel ein Jahr vorher. Zuerst bekomme ich die Noten, lese aber zunächst nur den Text. Ich singe auf Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch – je nachdem. Wenn es nicht Deutsch ist, übersetze ich es erst einmal. Mir ist wichtig, die Rolle zu verstehen. Also die Handlung und wie fühle ich mich in der Rolle. Dann kommen erst Melodie und Rhythmus dazu. Nach und nach kommt man dann in die Rolle hinein. Das Ziel ist, sich darin authentisch zu bewegen und in der Oper nicht nur schöne Töne zu produzieren.

Wie gehen Sie mit Kritik um?

Gute Frage. Man wird als Sänger immer bewertet, aber das gehört dazu. Wenn Kritik konstruktiv ist, ist dies auch eine Chance zu wachsen. Musikkritiken lese ich gar nicht, weil ich schon wieder am nächsten Projekt bin.

Wie sehen Ihre Planungen aus?

Im nächsten Jahr gibt es ein Festival ‘Wanderer zwischen den Welten‘ in verschiedenen Schlössern mit unterschiedlichen Ensembles sowie befreundeten Musikern aus Irland und Kanada. Im nächsten Jahr wird es auch eine EP mit sechs Songs geben. Ich hatte schon viele Angebote für ein Album, aber ich wollte immer abwarten, was mich widerspiegelt und meinen Weg aufzeigt. Das haben wir jetzt gefunden.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person

Countertenor Nils Wanderer
wurde in Ludwigsburg geboren und ist in Bietigheim-Bissingen aufgewachsen. Er tritt mit Orchestern in ganz Europa auf und bezeichnet London als seine „zweite Heimat“. Der Sänger ist schon jetzt bis 2025 ausgebucht. Im Laufe der letzten Jahre wurden mehrere Werke für den Countertenor geschrieben, die unter anderem im Festspielhaus Baden-Baden zur Uraufführung gebracht wurden. Wanderer gewann zahlreiche Preise, neben seiner Gesangskarriere ist er künstlerischer Leiter des Barock-Ensembles „Merides“.

Am 22. Dezember
tritt er um 19 Uhr im Kleiningersheimer Schloss auf.  

www.nilswanderer.de

 
 
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