Am Wochenende wurde im Ingersheimer Rathaus die Ausstellung „Das Kino bleibt im Dorf“ feierlich eröffnet. Exponate stammen von Thorsten Majer, der 20 Mal die Berliner Filmfestspiele besuchte und Stars interviewte. Jörg Palitzsch steuerte lokale Erinnerungen an die Großingersheimer Gloria-Lichtspiele bei, wie zum Beispiel die noch erhaltene Kinokasse.
Ingersheim Das Leben eingefangen
Im Rathaus wurde am Wochenende die Ausstellung „Das Kino bleibt im Dorf“ von Thorsten Majer und Jörg Palitzsch eröffnet
Gut besucht war die Vernissage und Bürgermeisterin Simone Lehnert begrüßte die Gäste: „Film, Kino, auch ein bisschen Glamour kommt heut zu uns ins Rathaus und ich merk, dass das ein Thema ist, das viele anspricht“, führte sie weiter aus. Im Ingersheimer Rathaus finden regelmäßig Ausstellungen zu unterschiedlichen Themen statt und Simone Lehnert freute sich, dass es diesmal gelungen war, auch einmal Leute anzulocken, die ansonsten diese Rathausveranstaltungen nicht besuchen: „Ich bin immer sehr gerne ins Kino gegangen“, resümierte Lehnert. Allerdings habe es seit Corona deutlich abgenommen, bedauerte sie und hoffte umso mehr, dass der Abend Lust mache sich wieder einmal auf das besondere Erlebnis der großen Kinoleinwand einzulassen. Kinoflair versprühen die Filmplakate, Autogrammkarten berührter Schauspielerinnen und Schauspieler, die die Rathauswände zieren. Ganz unten in einer Vitrine im ersten Stock steht die originale Kinokasse noch gefüllt mit einigen alten D-Mark Stücken. Direkt gegenüber ist auf einem vergilbten Blatt Papier „Gloria-Lichtspiele Grossingersheim Bestuhlungsplan“ zu lesen. Die insgesamt 178 Sitzplätze verteilten sich auf zwei Logen, den Balkon sowie die Kategorien erster und zweiter Platz im Parkett. Der alte Lageplan des Kinos ist umrandet von historischen Fotos. Auf ihnen zu sehen zum Beispiel der Filmvorführer Georg Schneider im sogenannten Bildwerferraum, aber auch das bis heute erhaltene Kassenfenster.
Faszination Filmfestspiele
Trotz der Angebote von Streamingdiensten, die das Kino ein Stück weit nach Hause ins Wohnzimmer holen, ist die Faszination für das Kino ungebrochen. Bereits in jungen Jahren war Thorsten Majer ein Kino-Enthusiast, wie er in seiner Rede zur Vernissage erzählte. Schon als Schüler schrieb der zukünftige Rechtsanwalt ehrenamtlich für ein Stadtmagazin und ab dem Jahr 2005 zog es ihn jährlich nach Berlin zu den Internationalen Filmfestspielen, der Berlinale: „Es ist das größte Publikumsfestival der Welt“, stellte Majer fest und informierte weiter, dass sich dort über 2500 Pressevertreter aus über 80 Ländern einfinden. Sein persönlicher Filmrekord belief sich auf 34 Filme in acht Tagen, konnte das Publikum von Majer erfahren. Sah er früher daheim auf dem heimischen Sofa Elmar Wepper im Fernsehen, so war das Zusammentreffen in Berlin eine spezielle Begegnung, erinnerte er sich und alle, mit denen er gesprochen hat, waren sympathisch, versicherte er.
Mit Schauspieler Moritz Bleibtreu kam es bereits im Hotelaufzug zu einem kleinen Smalltalk und Anke Engelke war stets für ein Gespräch bereit. Interviewen durfte er aber auch große Hollywoodstars wie Daniel Craig und John Hurt. Abschließend verwies er darauf, dass man das Gemeinschaftserlebnis Kino hochleben lassen sollte, denn gerade in der heutigen Zeit hätten wir Gemeinschaft bitter nötig.
Von der Welt zum Lokalen
Nach dem Report vom großen Filmgeschäft, nahm Jörg Palitzsch alle mit in die lokale Kinogeschichte, erzählte über Lichtspielhäuser in Besigheim, Sachsenheim, Freiberg und Bietigheim-Bissingen bevor er seinen Blick auf Grossingersheim richtete. 1957 kaufte Familie Nägele ein Anwesen an der Pleidelsheimer Straße zu dem auch das Gloria-Kino gehörte und betrieb es fortan bis zur Schließung im Jahr 1975: „Die Winnetou-Filme waren damals so beliebt, dass eine zusätzliche Bestuhlung nötig wurde“, entsann sich Jörg Palitzsch ebenso wie an bereits damals verspätete Züge, die eigentlich die Filmrollen bringen sollten: „Wenn die Filme gar nicht ankamen, wurden die Kinobesucher eben auf die nächste Vorstellung vertröstet“. Immer montags wurde das Kino gründlich gereinigt, denn Kaugummi unter Sitze zu kleben, erfreute sich auch schon einiger Beliebtheit, wie Jörg Palitzsch schmunzelnd berichtete.
Auf Ingersheim als Kulisse für den Kinofilm „Die Kirche bleibt im Dorf“ verwies er ebenfalls und schloss seine Rede mit einem Aufruf: „Filme testen, schockieren, zerstreuen und konfrontieren uns mit der Gegenwart. Lassen Sie sich dies nicht entgehen und gehen Sie ins Kino“ – sowie in die Ausstellung „Das Kino bleibt im Dorf“, die noch bis Februar im Ingersheimer Rathaus zu sehen sein wird.