Ingersheim Finanzierung ist noch unklar

Von Von Jörg Palitzsch
Ingersheims Bürgermeisterin Simone Lehnert macht bei der kommunalen Wärmeplanung Tempo. Sorgen bereitet ihr derzeit die Umsetzung des Nahwärmenetzes „In den Beeten II“. Foto: /Martin Kalb

Die Kommunale Wärmeplanung nimmt Fahrt auf. Bürgermeisterin Simone Lehnert wirbt um Anschluss im „Holderweg Süd“.

In Ingersheim will man bei der Wärmeplanung nicht unter Zugzwang geraten. Im BZ-Interview beschreibt Simone Lehnert die Vorteile, aber auch die Nachteile. „Wenn man abwartet, müssen am Ende die Mieter die teure Energie bezahlen“, so die Bürgermeisterin.

Kleinere Kommunen haben bei der Wärmeplanung bis 2028 Zeit. Warum prescht Ingersheim zeitlich so vor?

Simone Lehnert: Wir hatten das Glück, dass die Stadt Bietigheim-Bissingen uns angefragt hat, ob wir uns im Konvoi gemeinsam mit Sersheim und Oberriexingen an deren Wärmeplanung anschließen wollen. Dies hat den großen Vorteil, dass wir durch diese Lösung Fördermittel für die Erstellung der Wärmeplanung erhalten. Ich finde, es ist eine gute Idee, die Planung schon jetzt für Ingersheim aufzustellen. Wir können unsere Strategie bis 2040 dadurch schon jetzt frühzeitig erarbeiten. Es wird ja nicht besser, wenn in ein paar Jahren alle gleichzeitig loslegen und wir unter Zugzwang geraten.

Welche Vorteile bringt die Konvoilösung mit Bietigheim-Bissingen, Sersheim und Oberriexingen?

Lehnert: Wir können, etwa bei Ingenieurleistungen, die günstige Finanzierung nutzen. Ebenso wird die Planung gemeinsam betrachtet, dies kann aus meiner Sicht auch nur Vorteile haben, weil man sich mit den anderen Orten vergleichen kann. In Ingersheim haben wir festgestellt, dass es hier viel mehr Ölheizungen gibt als in den anderen Kommunen. Eine Besonderheit, die man sonst gar nicht bemerkt. Mein Motto ist es, die Dinge anzugehen und Chancen zu ergreifen, wenn wir diese erhalten. Das Thema wird jetzt nach und nach für alle interessant und wir sind inzwischen weit voraus.

Die Erstellung von nötigen, aber umfangreichen Katastern ist eine Aufgabe, die der Bund über die Länder an die Kommunen übertragen will. Befürchten Sie keine Kostenexplosion?

Lehnert: Die ganze Wärmeplanung ist von oben nach unten an die Kommunen durchgereicht worden und wir müssen dies jetzt vor Ort lösen. Und es ist noch nicht geklärt, wie das Ganze finanziert werden soll. Das ist ein großes Problem, da müssen Bund und Land nachbessern und aufzeigen, wie es funktionieren kann. Hinzu kommt viel Bürokratie, die wiederum zusätzliche Personalressourcen braucht und wir abarbeiten müssen. Wenn jetzt alle Städte und Gemeinden gleichzeitig beginnen würden, müsste überall die Infrastruktur gebaut werden. Dazu hätten die Kommunen weder die notwendigen Handwerker, noch die Finanzen. Das von Ihnen genannte Kataster wurde übrigens im Rahmen der jetzt erstellten Konzeption bereits erarbeitet. Dafür durften Daten von Energieversorgern und Schornsteinfegern genutzt werden. Deshalb wissen wir beispielsweise, wie hoch der Anteil an Ölheizungen bei uns ist.

Viele Haushalte sind im Unklaren, welche Heizung für sie am besten infrage kommt. Muss dann nicht die Gemeinde beratend zur Seite stehen?

Lehnert: Das können wir alleine nicht stemmen. Wir sind als Gemeinde jedoch Mitglied bei der Ludwigsburger Energieagentur. Dadurch hat jeder Einwohner von Ingersheim die Möglichkeit, eine kostenfreie Beratung zu erhalten. Dies wird auch bereits rege in Anspruch genommen. Wir möchten auch durch die Klimaschutzstelle im Rathaus, die wir gerade besetzen, Hilfestellungen geben und Beratungen anbieten.

Im Ausblick auf die Potenzialanalyse spielt die Wärmegewinnung von Flusswasser für Ingersheim eine entscheidende Rolle. Nötig wären jedoch hohe Investitionen in ein Wärmenetz vom Neckar in beide Ortsteile. Wer soll das bezahlen?

Lehnert: Nach dem Beschluss der Konzeption ist der nächste Schritt, mit einer zu 50 Prozent geförderten Machbarkeitsstudie zu untersuchen, ob die Wärmenutzung des Neckars über eine Flusswärmepumpe überhaupt umsetzbar wäre. Aus meiner Sicht kann jedoch keinesfalls die Gemeinde das Netz bauen. Dafür haben wir weder das notwendige Know-how, noch die finanziellen Mittel. Wir brauchen einen Energieversorger, der dies für uns übernimmt. So haben wir das auch beim Wärmenetz für „In den Beeten II“ gemacht.

Unterdessen gibt es jetzt schon Schwierigkeiten bei der Umsetzung eines erweiterten Nahwärmenetzes von „In den Beeten II“ in das angrenzende Wohngebiet „Holderweg Süd“. Die Einwohner zeigen sich zögerlich mit Blick auf einen Anschluss. Dies sind doch schlechte Voraussetzungen?

Lehnert: Das beschäftigt mich und den Gemeinderat tatsächlich sehr. Uns ist es ein großes Anliegen, dass dieses Wärmenetz ein Erfolg wird. Ich kann jeden Haushalt verstehen, der sagt, ich habe es durchgerechnet, ich habe ein Einfamilienhaus, habe hohe Energiestandards schon umgesetzt und eine autarke Lösung macht mehr Sinn. Was ich nicht verstehen kann, ist die abwartende Haltung der Eigentümergemeinschaften der großen Mehrfamilienhäuser. Mein Eindruck ist, dass man dort abwartet – und wenn es dann gut ist, will man sich anschließen. Aber so herum funktioniert es leider nicht.

Warum?

Lehnert: Falls die Erweiterung des Wärmenetzes für das Gebiet „Holderweg Süd“ scheitert, weil sich zu wenig Haushalte anschließen und dadurch die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist, haben wir ein Riesenproblem in Ingersheim. Dann können wir alle Zukunftsszenarien und Möglichkeiten, die wir untersuchen, abhaken. Denn es wird sich voraussichtlich kein Energieversorger mehr finden, um uns in der Zukunft ein Nahwärmenetz zu bauen. Ich werbe deshalb eindringlich dafür, die gute Chance zu nutzen und jetzt auf die Nahwärme zu setzen. Wenn man abwartet, müssen am Ende die Mieter die teure Energie, wie etwa Gas, bezahlen. Hier sind die Eigentümer gefordert. Schwäbischer als mit der Nahwärme werden wir die Energieversorgung der Zukunft nicht realisiert bekommen. Die autarken Lösungen, über eine Wärmepumpe am eigenen Haus beispielsweise, kommen eben für die meisten der Bestandsgebäude nicht in Frage.

 
 
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