Ingersheim „Geisterhäuser“ im Angebot

Von Jörg Palitzsch
Nach acht Jahren Leerstand soll nun eines der Doppelhäuser in der Andreas-Kieser-Straße in Ingersheim vermietet werden. ⇥Foto: Martin Kalb Foto: Martin Kalb

Jahrelang standen im Ingersheimer Wohngebiet Brühl II Doppelhaushälften leer. Jetzt soll diese lange und unliebsame Geschichte zu Ende gehen.

Der jahrelange Leerstand von vier Doppelhäusern im Ingersheimer Wohngebiet Brühl II ist der Gemeinde und dem Gemeinderat schon lange ein Dorn im Auge. Jetzt erschien im Amtblatt eine Anzeige, in der eine der 2012 fertiggestellten Doppelhaushälften – aber nie bewohnten Häuser in der Andreas-Kieser-Straße – zur Miete angeboten wird.

Der Grund für den Sinneswandel ist der Tod der  Eigentümern. Nach der jüngsten Ratssitzung, wo das Thema auf der Tagesordnung stand, ging Bürgermeisterin Simone Lehnert auf die möglichen Erben zu. Auch mit dem Auftrag aus dem Gremium, eventuell ein Bußgeld zu verhängen.

Satzung 2018 beschlossen

Die rechtliche Grundlage für dieses Vorgehen ist eine im Oktober 2018 beschlosse Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung – wozu auch der Leerstand von dringend benötigtem Wohnraum zählt. Einen entsprechenden Antrag für eine solche Satzung haben die Fraktionen der SPD und Grünen bereits im Februar 2016 eingebracht, um dem Leerstand der sogenannten „Geisterhäuser“ in der Andreas-Kieser-Straße ein Ende zu bereiten.

Der damalige Bürgermeister Volker Godel machte den Kompromissvorschlag den Antrag noch ein Jahr zurückzustellen, da die Verwaltung ohnehin  die Wohnraumnot dokumentieren müsse. Der Antrag war nicht unumstritten. Ursula Heinerich (CDU) verwies damals auf die „Unantastbarkeit von Privateigentum“, die diesem  entgegenstünde. Seitens der SPD wurde  dem entgegengehalten, dass die leer stehenden Häuser schließlich nicht enteignet, sondern ihre Eigentümer lediglich gezwungen werden sollen, ihre Immobilien zu vermieten.

Nachdem in den Städten Stuttgart, Tübingen, Freiburg und Konstanz bereits ein „Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum“ beschlossen wurde, war es in Ingersheim im Oktober 2018 so weit. Mit einer klaren Mehrheit von 19:3 Stimmen stimmte das Gremium für den Satzungsbeschluss. SPD-Fraktionsvorsitzender Thorsten Majer hatte schon vor Beginn der Debatte den Antrag  damit begründet, dass er keinerlei Zweifel daran habe, dass die Gemeinde Ingersheim unter akutem Wohnungsmangel leide. „Es bleibt  kein anderer Weg, als zu diesem gesetzlich erlaubten Mittel zu greifen“, sagte Majer, denn über Jahre leer stehende Immobilien seien kein Zeichen von unsozialem, sondern „von asozialem Verhalten“.

In der jüngsten Sitzung des Gemeiderates im Oktober gab es nun auf Antrag der SPD einen Sachstandsbericht zur Satzung des Zweckentfremdungsverbotes, die bis zum 2. November 2023 wirksam ist. Bürgermeisterin Simone Lehnert machte deutlich, dass die Gemeinde die Satzung bislang  nicht aktiv umgesetzt und die Einhaltung auch nicht überprüft habe. Diese Überprüfung für das gesamte Gemeindegebiet würde einen hohen bürokratischen Aufwand bedeuten, den man derzeit nicht leisten könne, so ihre  Begründung.

Denunziantentum vermeiden

Würde man die Satzung umsetzen, bedeute dies für jeden Eigentümer, der eine Wohnung leer stehen lässt, (etwa Einliegerwohnungen in Einfamilienhäusern), sich diesen Leerstand von der Gemeinde genehmigen zu lassen. Bei einem Verstoß droht ein Bußgeld in Höhe von 50 000 Euro.

Da sich die Satzung  vor allem gegen den Leerstand der Häuser in der Andreas-Kieser-Straße  richtet, wurde in der Sitzung von Thorsten Majer der Eindruck vermieden, man wolle Denunziantentum befördern – vielmehr verschaffe sich die Gemeide einen Ermessungsspielraum. Majer rief dazu auf, den Erben der Immobilien im Brühl II eine Frist zu setzen, damit dort gegebenfalls ein Bußgeldbescheid auf dem weihnachtlichen Gabentisch liegen könne.

Bürgermeister Simone Lehnert nahm unterdessen Kontakt auf. So sollen die Häuser eventuell auch alle verkauft werden. Wichtig sei, dass sie nach acht Jahren Leerstand als Wohnraum genutzt werden.

 
 
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