Ingersheim Gerangel um Haus in der Tiefengasse

Von Jörg Palitzsch
Die Gemeinde bezahlt für das Haus laut Beschluss 150 000 Euro. Foto: Martin Kalb

Die Gemeinde übt ein Vorkaufrecht aus, die Erstkäufer drohen im Gemeinderat mit dem Rechtsanwalt. 

Zu einer unschönen Szene kam es bei der Jahresabschlusssitzung im Ingersheimer Gemeinderat. Erst wollte ein Besucher in der laufenden Diskussion um ein Vorverkaufsrecht der Gemeinde für ein unbewohntes Haus in der Tiefengasse 12 ein Statement abgeben, was ihm Bürgermeisterin Simone Lehnert verwehrte.

Er hätte sich vier Tagesordnungspunkte zuvor in der Einwohnerfragestunde zu Wort melden können. Nach dem mehrheitlichen Beschluss für die Ausübung des Vorverkaufsrecht stand der Besucher dann erzürnt auf, drohte mit dem Gang zum Rechtsanwalt, dann verließ er den Sitzungssaal.

Berechtigtes Interesse

Zur Vorgeschichte: Die Gemeinde erhält Kaufverträge über Grundstücke und Häuser vom Notariat nach der Beurkundung übersandt, mit der Bitte um die Ausstellung eines „Negativzeugnisses“. Darin ist festgelegt, dass ein Vorkaufsrecht nicht besteht oder ein bestehendes Vorkaufsrecht nicht ausgeübt wird.

In den allermeisten Fällen hat die Gemeinde nichts gegen die Verträge einzuwenden. Auch die rechtlichen Hürden für die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die Gemeinde sind hoch. „Deshalb haben wir diesen Fall von einem spezialisierten Rechtsanwalt prüfen lassen“, so Bürgermeisterin Simone Lehnert. In dem Fall konnte die Gemeinde das Vorkaufsrecht ausüben, weil ein berechtigtes Interesse vorliege.

Das Grundstück befindet sich im Bereich des Sanierungsgebietes „Inneres Ei“, das die Gemeinde entwickeln möchte. Alle Grundstücksbesitzer in diesem Gebiet hätten dies gewusst, so Lehnert, hierfür habe es auch eine Machbarkeitsstudie gegeben. Über viele Jahre habe man nur wenige Grundstücke erwerben können.

Aus Sicht der Gemeinde hatte man deshalb gar keine andere Wahl, als das Vorkaufsrecht auszuüben, so Lehnert. Sonst wären die Bemühungen der letzten Jahre ins Leere gelaufen. Zwar habe man im „Inneren Ei“ schon Gestaltungsmöglichkeiten, aber durch den Erwerb des Gebäudes erweitern sie sich.

Das beschlossene Vorverkaufsrecht soll nun so rasch wie möglich umgesetzt werden, „wir treten nach dem Beschluss in den Vertrag ein“, so Lehnert. Ob ein Abriss des Gebäudes erfolgt, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. „Wir entwickeln das Gebiet gemeinsam mit dem Gemeinderat und die Planungen hierfür sollen im nächsten Jahr beginnen“, sagte sie.

Man könne das Haus auch gut nutzen. So müssten nach wie vor jeden Monat Geflüchtete in der Gemeinde aufgenommen und untergebracht werden. Lehnert: „Hierfür brauchen wir immer mehr Kapazitäten“.

Gemeinde zahlt 150 000 Euro

Die Androhung, man werde einen Rechtsanwalt einschalten, nimmt die Bürgermeisterin gelassen hin. Auf ein Schreiben, Einwände einzureichen, erfolgte keine Reaktion. Sowohl der Erwerber als auch die Verkäuferin dazu angeschrieben worden. „Deshalb nun im Nachhinein mit dem Rechtsanwalt zu drohen, erscheint mir nicht schlüssig“, so Lehnert, „ich schaue dem gelassen entgegen.“ Die Gemeinde bezahlt für das Haus laut Beschluss 150 000 Euro.

 
 
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