Ingersheim „Ich bin ein Wanderer zwischen den Welten“

Von Bettina Nowakowski
Zwischenstopp im heimatlichen Ingersheim: Countertenor Nils Wanderer genießt die künstlerische Pause in der alten Heimat mit seinem Hund Uno. Foto: /Martin Kalb

Nils Wanderer wird als erster deutscher Countertenor seit 20 Jahren nächstes Jahr an der New Yorker Metropolitan Oper singen.

Im Moment überschlagen sich die Ereignisse im Leben des 31-jährigen Countertenors Nils Wanderer. Seit bekannt wurde, dass er als erster deutscher Countertenor seit über 20 Jahren nächstes Jahr sein Debüt an der Metropolitan Oper (Met) in New York geben wird, kommen etliche Anfragen von Presse und Fernsehen. „Das war der Ritterschlag für mich“, freut sich der Sänger, der für eine kurze Verschnaufpause ins heimatliche Ingersheim zurückgekehrt ist.

Rolle mit darstellerischer Herausforderung

Der Anruf vom Casting-Direktor der Metropolitan Oper, Michael Heaston, habe ihn schlichtweg umgehauen. „Er erzählte mir, dass man mich schon über mehrere Jahre beobachtet hätte und der Meinung sei, dass ich für die Rolle in der neuen Oper ‚El Último Sueño de Frida y Diego’ genau der Richtige wäre“, erklärt er seine Berufung an die Met.

In der zeitgenössischen Oper über die Künstlerin Frida Kahlo verkörpert Nils Wanderer in der ersten Hälfte den Schauspieler Leonardo, der als Travestiekünstler auftritt. In der zweiten Hälfte verwandelt er sich in die männliche Variante eines Liebhabers. Diese Rolle ist nicht nur eine darstellerische Herausforderung, sondern zeigt auch die enorme Bandbreite seines gesanglichen Könnens. Vom Bariton bis Mezzosopran reicht seine Stimmlage.

„Anfangs wusste ich gar nicht, dass ich ein Countertenor bin“, erzählt Nils Wanderer. Das hatte er erst während seines Studiums entdeckt. „Das hat sich für mich sofort ganz natürlich angefühlt, das ist meine Seelenstimme, meine Passion“, beschreibt Nils Wanderer sein Talent.

Kein Unterschied zwischen E- und U-Musik

Seinen Erfolg hat er sich über die Jahre hart erarbeitet. Geboren 1993 in Ludwigsburg, aufgewachsen in Bietigheim-Bissingen und aus einem Handwerkerhaushalt stammend, wo eher Heavy Metal gehört wurde, kam er nach Maulbronn ins Internat, wo die Grundlagen für seine musikalische Ausbildung gelegt wurden.

Nach Weimar und Studium in London gewann Nils Wanderer zahlreiche bedeutende Wettbewerbe. Seitdem singt er in den großen Opernhäusern der Welt, allein in diesem Jahr ist der Kalender mit Auftritten in London, Toulouse, Japan, Paris, Glyndebourne, Atlanta und Chicago gefüllt.

Schon früh hat Nils Wanderer für sich gewusst, dass er auf der Bühne stehen wolle. Und – was ihm bis heute sehr wichtig ist – dass er nicht nur ein Genre bedienen wollte. Den Unterschied zwischen E- und U-Musik, also Klassik und Unterhaltung, macht Nils Wanderer bewusst nicht. „Auch Oper ist Unterhaltungsmusik“, so sein Credo.

Er wolle die Menschen auf seine musikalische Reise mitnehmen, sich einem „Chamäleon“ gleich, wie er sich selbst nennt, in eine Rolle versetzen. Es gehe ihm um Authentizität. Zu seinem Profil gehört daher auch, dass er gern in Rollen eintaucht, die anspruchsvoll, mythisch und energiegeladen sind.

Ob Psychopath, Mörder, Todesengel oder Liebhaber: für Nils Wanderer ist das alles Ausdruck seines innersten Wesens, das er nach außen trägt und mit seinem Publikum teilt. Dabei hilft ihm auch, dass er neben der Gesangsausbildung Erfahrung aus Tanz und Schauspiel mitbringt. „Ich bin sehr demütig, was meinen Beruf angeht“, meint der Sänger.

Ein „Wanderer zwischen den Welten“ sei er, so Nils Wanderer. „Ich habe Freundschaften auf der ganzen Welt gefunden und egal, wo ich bin, ich lerne immer etwas dazu.“ Denn er sieht seinen Erfolg vor allem auch als Teamwork: „Ohne Freunde, Familie, Unterstützung von Regisseuren, Dirigenten und Kollegen wäre das alles gar nicht möglich gewesen.“

So gern er reist und dabei seine Partituren lernt, liebt er es auch, etwas ganz Normales zu tun. So macht er schon mal ein kleines Praktikum bei der befreundeten Tierärztin: „Das ist mein Ausgleich zu dem bewegten Leben und entspannt mich total“, erzählt Nils Wanderer schmunzelnd.

Eigenes Festival im Schloss von Kleiningersheim

Neben den großen Opernhäusern liegt ihm seine Heimat musikalisch am Herzen. So feiert er mit seinem Festival „Wanderer zwischen den Welten“ auf dem Schloss in Kleiningersheim am 4. Juli eine „Irische Nacht“ mit klassischem Ensemble und am 5. Juli gibt es „Electronic Rave“ mit DJ’s. Die Mischung von Klassik mit populärer Musik ist Nils Wanderer ein wichtiges Anliegen.

„Mein Ziel ist es, Klassik niederschwellig zu machen“, so die Vision des Ausnahmekünstlers. „Ob barocke Oper oder ein kleines Konzert in Ingersheim – es gibt für mich keine Grenzen in der Musik.“

 
 
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