Ingersheim Vereinsheim ist ein „Problemkind“

Von Jörg Palitzsch
Das Kleiningersheimer Vereinsheim Schönblick ist schon lange sanierungsbedürftig. Für eine grundlegende Renovierung wären hohe Investitionen nötig. ⇥ Foto: Martin Kalb

1971 stimmten Groß- und Kleiningersheimer für einen Zusammenschluss. Im kleineren Ortsteil gibt es keine Möglichkeit der Versorgung, zudem wären hohe Investitionen nötig.

Kleiningersheim ist sehr beliebt – vor allem am Wochenende. Dann drängen sich in dem Teilort viele Fahrzeuge, die Gäste haben meist die beiden Wirtshäuser zum Ziel. Hinzu kommen Wanderer, die in den Weinbergen, in der freien Landschaft und im Wald Entspannung suchen. Und trotzdem: Die Kleiningersheimer sehen sich in der seit 1972 mit Großingersheim gebildeten Gesamtgemeinde manchmal abgehängt und benachteiligt.

Dazu ein Blick in die Geschichte: Beide Kommunen wurden 1938 im Zuge einer württembergischen Gebietsreform offiziell getrennt. Der Zusammenschluss 1972 erfolgte dann auf der Grundlage einer Wahl am 12. September 1971 – und zwar mit einem eindeutigen Ergebnis. Die Großingersheimer stimmten damals bei einer Wahlbeteiligung von 57 Prozent mit 94 Prozent für einen Zusammenschluss, die Kleiningersheimer, hier betrug die Wahlbeteiligung 73 Prozent, stimmten mit 65 Prozent der kommunalen Hochzeit zu.

Im Gespräch war schon vorher eine Verwaltungsgemeinschaft zwischen Großingersheim, Kleiningersheim und Pleidelsheim – unter Wahrung der kommunalen Selbstständigkeit aller drei Gemeinden. Weiter wie bis zu einem gemeinsamen Nachbarschaftsausschuss kam das Vorhaben allerdings nicht, damit war die anvisierte Verwaltungsgemeinschaft erledigt.

Vor der Wahl zum Zusammenschluss fanden Bürgerversammlungen in beiden Ortsteilen statt und in Kleiningersheim wurde ein tiefer Graben sichtbar. Allerdings nicht zwischen Groß- und Kleiningersheim, sondern zwischen dem Kleiningersheimer Gemeinderat und seinem Bürgermeister Siegfried Braitling, wie in der Bietigheimer Zeitung vom 4. September 1971 nachzulesen ist.

Während der Bürgermeister eisern die Fahne für die Selbstständigkeit von Kleiningersheim hoch hob, vertrat sein Gemeinderat die Auffassung, dass die Kommune mit ihren 829 Einwohnern nicht länger lebensfähig sei und im Zug der Verwaltungsreform über kurz oder lang mit irgend jemand zusammengeschlossen werden müsse. Braitling bezeichnete dies als einen „Verkauf der Gemeinde“, ein Zusammenschluss bringe auch keine Vorteile.

Transportiert man diese vor 48 Jahren geäußerten Bedenken in die heutige Zeit, kann von einem Verkauf des kleineren Ortsteils freilich keine Rede sein.

Und dennoch gibt es markante Kritikpunkte, wie Bärbel Bötz, Vorsitzende der Kleiningersheimer Landfrauen, deutlich macht. Sie erinnert daran, dass es im Ort einmal zwei Lebensmittelgeschäfte und einen Metzger gab, und dies, als die Einwohnerzahl noch viel geringer war als heute. In Kleiningersheim gibt es seit Jahren gar keine Einkaufsmöglichkeiten mehr, „so etwas“, sagt Bärbel Bötz, „ist doch paradox“. Der wöchentliche Bürgerbus, der ältere Kleiningersheimer zum Einkaufen nach Großingersheim fährt, sei deshalb eine sinnvolle Einrichtung.

Bärbel Bötz weist ebenso auf die reduzierten Geschäftszeiten der Filiale der VR-Bank hin, die, in Zeiten der Raiffeisenbank, noch jeden Tag besetzt war. Da junge Bankkunden ihre Geschäfte online erledigen und die älteren Kunden in der Bank immer seltener Ansprechpartner finden, werde die Filiale über kurz oder lang auch geschlossen, so ihre Befürchtungen.

Dringend saniert werden müsste nach Meinung von Bärbel Bötz das Vereinsheim „Schönblick“, schon allein der Boden dort sei „eine Katastrophe“. Die SPD-Gemeinderätin Hilde Grabenstein, die auch in Kleiningersheim zu Hause ist, bezeichnet das sanierungsbedürftige Vereinsheim dann auch als „bauliches Problemkind“. Eine Renovierung oder Sanierung sei schwierig, „denn wo beginnt man und wo hört man auf“. Sie fordert deshalb einen Runden Tisch, an dem die Nutzer und die Verwaltung über eine Neukonzeption nachdenken sollten. Dies gelte auch für die Kelter in der Ortsmitte, wobei es dort das Problem gibt, dass zu wenig Parkplätze zur Verfügung stehen.

Die Gemeinderätin kann dem Dorfleben bei aller Kritik dann doch auch positive Seiten abgewinnen. Ergänzend zum Bürgerbus kommt einmal die Woche der Brotwagen und zwei Mal im Monat ein Müller, der Mehl verkauft. Gut funktioniere auch die Anbindung an den Nachtbus, als auch das dörfliche Zusammenleben. So findet in diesem Jahr am 4. und 5. Juli wieder ein Dorffest mit engagierten Weinbauern, Selbstständigen und Vereinen aus dem Ort statt. „Das Miteinander“, so Hilde Grabenstein, „klappt sehr gut.“

 
 
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