Ingersheim Wärmeplanung mit Rückschlag

Von Palitzsch, Jörg
Bei der Energieversorgung setzt die Gemeinde auf Umweltwärmequellen wie den Neckar. Foto: /Oliver Bürkle

Ende Oktober 2024 stieg man aus den Planungen für eine Erweiterung des Nahwärmenetzes im Bereich Holderweg Süd aus. Fünf Maßnahmen für die Transformation sollen bald anlaufen.

Ingersheim hat bereits im Herbst 2023 eine kommunale Wärmeplanung erstellt. Dabei wurden auch fünf Maßnahmen beschlossen, die man derzeit bereits umsetzt, beziehungsweise in den nächsten Jahren umsetzen wird, so Bürgermeisterin Simone Lehnert. „Wir sind somit sehr früh dran und haben als Gemeinde unter 10.000 Einwohnern unsere Hausaufgaben schon gemacht.“ Allerdings habe die Initiative im Gebiet Holderweg Süd gezeigt, dass es keinen Sinn mache, Wärmenetze am Bedürfnis der Bevölkerung vorbei auf den Weg zu bringen. „Deshalb beobachten wir die Situation aufmerksam“, so Lehnert.

Zu geringe Nachfrage

Rückblick: Ende Oktober 2024 verkündete die KWA Energiesysteme GmbH & Co. KG, man werde trotz der fortgeschrittenen Planungen und intensiven Vorbereitungen die Erweiterung des Nahwärmenetzes vom Neubaugebiet „In den Beeten II“ aus in Richtung Holderweg Süd nicht realisieren. Der entscheidende Grund hierfür war die zu geringe Nachfrage und die daraus resultierende nicht tragfähige Wirtschaftlichkeit des Projektes. Die Absage hatte allerdings keine Auswirkungen auf die Versorgung des Nahwärmenetzes „In den Beeten II“.

Die Absage sei zwar ein herber Rückschlag beim Ausbau erneuerbarer Energien, das Thema an sich sei jedoch nicht für immer gestorben, so die Bürgermeisterin. Lehnert verweist auf die bereits beschlossene kommunale Wärmeplanung, die aufzeige, dass für viele Bereiche von Ingersheim, insbesondere denen mit großen Mehrfamilieneinheiten, die Zukunft der Wärmeversorgung in einem Nahwärmenetz liegen könne, so die Bürgermeisterin weiter.

Fünf Maßnahmen

So wurden fünf Maßnahmen erarbeitet, deren verpflichtende Umsetzung laut Klimaschutzgesetz in den nächsten fünf Jahren begonnen werden sollen und die mit der Verwaltung, den Stadtwerken Bietigheim-Bissingen, der Syna GmbH sowie der KWA Contracting AG entwickelt wurden.

Bis 2030 soll sich durch Gebäudesanierung und Effizienzsteigerung der Wärmebedarf um rund 18 Prozent reduzieren. Knapp die Hälfte des Wärmebedarfs soll bis dahin bereits über erneuerbare Energien bereitgestellt werden, wovon der Großteil durch Wärmepumpen gedeckt wird. Die fünf Maßnahmen dienen der kommunalen Verwaltung als Leitfaden für die Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung in den nächsten Jahren.

Ein Überblick. Ein zentraler Baustein dieser Transformation ist der sogenannte Stromnetzcheck. Er soll untersuchen, ob das bestehende Stromnetz den zukünftigen Anforderungen standhalten kann, die durch die zunehmende Nutzung von Wärmepumpen, Elektromobilität sowie dezentralen Stromerzeugungs- und Speichersystemen entstehen.

Für Ingersheim bedeutet dies allein durch den Betrieb von Wärmepumpen einen zusätzlichen Strombedarf von etwa 6400 Megawattstunden jährlich, was einem Anstieg von rund 36 Prozent gegenüber dem aktuellen Verbrauch entspricht.

Bedarf soll reduziert werden

Ein weiterer Schwerpunkt der kommunalen Energieplanung ist die Reduktion des Wärmebedarfs. Das Einsparpotenzial durch Sanierung und Effizienzsteigerung wird auf etwa 17 Gigawattstunden jährlich geschätzt. Davon sollen rund 15 Gigawattstunden durch die Verbesserung der Gebäudehüllen erreicht werden. Weitere zwei Gigawattstunden sollen durch optimierte Prozesse in Gewerbe, Handel, Dienstleistungen sowie der Industrie eingespart werden.

Für die Versorgung mit klimaneutraler Wärme setzt die Gemeinde auf Umweltwärmequellen. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Neckar. Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung ist für das Gebiet Großingersheim eine zentrale Versorgungsstruktur vorgesehen, die die thermische Energie des Flusswassers nutzt. Eine Machbarkeitsstudie soll die technische und rechtliche Umsetzbarkeit einer Flusswasserentnahmestelle im Bereich der Neckarbrücke und der Pleidelsheimer Schleuse prüfen.

Alte Heizölanlagen austauschen

Ein großes Potenzial zur Emissionsreduktion liegt im Austausch veralteter Heizölanlagen. Im Jahr 2020 wurden in Ingersheim rund 28 Gigawattstunden Wärmeenergie über etwa 800 Ölheizungen erzeugt. Damit deckte Heizöl etwa 55 Prozent des gesamten Wärmeenergiebedarfs ab und war gleichzeitig der größte Verursacher von Treibhausgasemissionen im Wärmesektor. Über 60 Prozent dieser Heizungsanlagen sind älter als 20 Jahre. Die Klimaziele des Landes erfordern bis zum Jahr 2040 einen vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien. Um private Immobilieneigentümer beim Austausch zu unterstützen, plant die Kommune ein Informationsprogramm mit konkreten Anreizen. Gebäudeeigentümer sollen gezielt angesprochen und über Fördermöglichkeiten informiert werden.

Zur Umsetzung dieser Maßnahmen sind weitere planerische und organisatorische Schritte notwendig. Dazu gehören die Integration der Wärmeplanung in die laufenden kommunalen Planungsprozesse, der Aufbau interner Verwaltungsstrukturen sowie ein durchdachtes Kommunikationskonzept. Vor allem die Akzeptanz in der Bevölkerung und bei anderen lokalen Akteuren ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg.

 
 
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