Ingersheimer Geschichte Mit 50 Jahren ins Bürgermeisteramt

Von Jörg Palitzsch
Karl Braun war zum Zeitpunkt seiner Wahl 50 Jahre alt und blieb bis zum Jahr 1964 im Amt. Foto: BZ-Archiv

Vor 75 Jahren wurde der Sozialdemokrat und Kreisrat Karl Braun mit 572 Stimmen zum Verwaltungschef in Großingersheim gewählt. Er musste Flüchtlinge unterbringen und ließ eine Schule bauen.

Bei der ersten demokratischen Bürgermeisterwahl nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Großingersheim vor 75 Jahren der Sozialdemokrat Karl Braun gewählt. Von insgesamt 1049 Stimmberechtigten gaben im Jahr 1948 insgesamt 944 ein Votum ab, 22 Stimmen waren ungültig. Braun hatte mit Reinhold Fischer aus Renningen einen Gegenkandidaten, der 350 Stimmen auf sich zog, Braun 572.

Karl Braun war zum Zeitpunkt seiner Wahl 50 Jahre alt, blieb bis 1964 im Amt, und hatte in der Gemeinde viele Aufgaben vor sich. Neben der allgemeinen Wohnungsnot mussten rund 450 Flüchtlinge untergebracht werden, die man zugewiesen bekommen hatte. In Zusammenarbeit mit der Württembergischen Landsiedlung sorgte Braun deshalb für den Bau von Siedlungshäusern im Ort.

Gemeinde war kreisweit Vorreiter im Schulbau

Bereits 1950 konnte Großingersheim als erste Gemeinde im Landkreis ein neues Schulhaus (Schillerschule) einweihen. Der Bau dieser Schule, damals noch auf einem freien Acker am Ortsrand gelegen, wurde zu einem Bindeglied zwischen dem erst 25-jährigen Claus Weyrosta aus Breslau und dem doppelt so alten Karl Braun. Weyrosta war Bauführer an der Schule und musste dem kommunalen Aufgeber regelmäßig über den Baufortschritt und die Materialauswahl unterrichten.

Der gelernte Schlosser Braun galt als geradliniger Mensch, der immer den Blick für praktische Lösungen hatte. Er besuchte in Großingersheim die Volksschule und arbeitete nach seinem Schulabgang zunächst in der Holzindustrie bei der Bietigheimer Firma Faber. Von August 1916 bis zum Juni 1918 wurde Braun zum Kriegsdienst verpflichtet und nahm am Russlandfeldzug teil. Nach Erfrierungen an den Füßen leistete er ab September 1917 Garnisonsdienst.

Der sangesfreudige Braun war in der Sport- und Kulturbewegung aktiv und trat 1919 im Alter von 22 Jahren in die SPD ein. Von Anfang an war er für die sozialdemokratische Partei aktiv. Bereits 1925, im Alter von 28 Jahren, stand er auf der Kandidatenliste der SPD für den Landtag.

Neben seinen Aufgaben als Bürgermeister und Kreisrat wurde Braun 1952 in die Verfassunggebende Landesversammlung gewählt. Nach heftigen politischen Auseinandersetzungen hatte man sich im dreigeteilten Südwestdeutschland am 9. Dezember 1951 in einer Volksabstimmung für die Bildung des Südweststaates Baden-Württemberg ausgesprochen. Braun gehörte dem folgenden baden-württembergischen Landtag dann ununterbrochen bis zum 1. Februar 1967 als Abgeordneter an.

Er erlebte bis 1960 eine Allparteienregierung unter Ausschluss der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) und ohne Oppositionsfraktion im Stuttgarter Landtag. Bei der Landtagswahl am 26. April 1964 konnte der Abgeordnete Karl Braun einen Stimmenzuwachs für seine Partei verbuchen: Die SPD erzielte 37,3 Prozent, während die CDU mit 39,5 Prozent über drei Prozent verlor. Angesichts des Verlustes beendete die CDU unter Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger die Allparteienregierung und bildete eine Koalition mit der FDP/DVP und dem BHE (Block der Heimatvertriebenen).

Zum 1. Februar 1967 legte der nun 70-jährige Abgeordnete Karl Braun sein Landtagsmandat nieder. In einem Schreiben an Landtagspräsident Dr. Franz Gurk führte er gesundheitliche Gründe an. Ihm folgte Architekt Claus Weyrosta, der seit 1962 in der SPD sowie im Bietigheimer Stadtrat und 1964 bereits Zweitbewerber im Wahlkreis Ludwigsburg-Nord war.

Seit 1967 Ehrenbürger von Großingersheim

Für seine Verdienste wurde Karl Braun 1967 die Ehrenbürgerwürde der Gemeinde Großingersheim verliehen. 1983 verstarb der Altbürgermeister.

Eine im Jahre 1991 von seinem Nachfolger, dem damaligen Bürgermeister Martin Maier, vorgeschlagene Umbenennung der Schillerschule in „Karl-Braun-Schule“ scheiterte im Gemeinderat in einer nichtöffentlichen Sitzung am 19. Februar mit 4 Ja-Stimmen zu 8 Nein-Stimmen, drei Gemeinderäte waren entschuldigt. Die Gegner einer Umbenennung meinten, man solle die Schule nicht mit dem Namen eines Politikers belasten. Die Befürworter machten hinter verschlossenen Türen auch den Vorschlag, den Hindenburgplatz nach dem früheren Bürgermeister zu benennen. Es sei unverständlich, dass ein Platz in Ingersheim immer noch den Namen des „Steigbügelhalters von Hitler“ trage. Auch dies scheiterte.

So wurde eine Straße nach Karl Braun benannt. Die ,,Karl-Braun-Straße“ führt durch das Gebiet „Holderweg“ – und der Hindenburgplatz heißt bis heute noch so.

 
 
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