Ingersheimer Schwimmerin Aus dem Wasser an den Schreibtisch

Von Daniel Haug
Das Wasser war lange Jahre Annika Bruhns Element. Die Freistil-Spezialistin ist Europameisterin, WM-Medaillengewinnerin und Olympia-Teilnehmerin. Außerdem hält sie über 200 Meter auf der Kurzbahn immer noch den deutschen Rekord. Foto: Eibner-Pressefoto/Schulz

Mehr als zehn Jahre lang war die Ingersheimerin eine der besten deutschen Schwimmerinnen. Jetzt hat sie ihre Karriere beendet. 

Europameisterin, WM-Medaillengewinnerin, dreimalige Olympia-Teilnehmerin, 25-fache Deutsche Meisterin – die Schwimm-Karriere von Annika Bruhn kann sich sehen lassen. Doch in diesem Jahr fehlte ihr Name auf sämtlichen Startlisten. Jetzt hat die Ingersheimerin das Ende ihrer Leistungssportkarriere bekannt gegeben. „Der Gedanke ans Aufhören hat sich immer mehr entwickelt. Ich habe schon vor Olympia in Tokio überlegt, wie es weitergeht. Irgendwann muss der Schritt kommen – und so habe ich entschieden, ab diesem Jahr einen anderen Weg einzuschlagen“, erklärt die 30-Jährige.

In Abu Dhabi zum letzten Malam Start

Bereits im vergangenen Dezember war Bruhn bei der Kurzbahn-Weltmeisterschaft in Abu Dhabi letztmals bei einem internationalen Wettkampf am Start. „Das Karriereende war für mich schon Anfang des Jahres klar. Ab Januar habe ich alle Power in meine Masterarbeit gelegt und den Leistungssport nicht mehr richtig verfolgt“, sagt Bruhn, die inzwischen ihr Masterstudium in Prävention und Gesundheitsmanagement an der Deutschen Hochschule (DHfPG) erfolgreich abgeschlossen hat. „Das ist schon etwas verrückt. Ohne das tägliche Training fällt die Struktur komplett weg. Es war gut, dass ich mit der Master-Thesis beschäftigt war, sonst weiß man teilweise nicht, wohin mit sich. Trotzdem war es auch mal schön, einfach in den Tag zu leben. Aber die Trainingskollegen und die Menschen drumherum vermisst man schon“, beschreibt Bruhn den Wechsel vom Schwimmbecken an den Schreibtisch.

Der wurde in der vergangenen Woche offiziell vollzogen. Bruhn arbeitet ab sofort beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) als Elternzeit-Vertretung im Bereich Leistungssport, Gesundheitssport und Duale Karriere. „Das ist etwas komplett anderes, aber trotzdem mit dem Sport verbunden und daher für mich ein cooler Berufseinstieg“, erzählt die 30-Jährige mit Blick auf ihre neue Aufgabe. Dabei geht es vor allem um Konzeption, Gesundheitsmanagement und Nominierungsprozesse.

Passend zum Start ins berufliche Leben informierte Bruhn auf ihren Social-Media-Kanälen über das Ende ihrer Schwimmkarriere, die beim SV Bietigheim ihren Anfang genommen hat. „Als ich für das Posting Fotos recherchiert habe, sind einige Erinnerungen hochgekommen. Ich durfte so viele Momente erleben, die ich nie vergessen werde“, blickt die Freistil-Spezialistin zurück, die mit ihrem Freund in Leonberg wohnt.

Dreimal qualifizierte sich die gebürtige Karlsruherin für Olympische Spiele. Vor allem ihre erste Teilnahme in London 2012 als 19-Jährige hat sich eingebrannt. Bruhn: „Das war ein mega krasses Event und was ganz Besonderes, auch weil man einen Meilenstein erreicht hat.“ Bei ihrer dritten Teilnahme in Tokio im vergangenen Jahr schaffte es Bruhn erstmals in ihrer Karriere in ein olympisches Finale – mit der 4 x 200-Meter-Freistil-Staffel.

Über 200 Meter Freistil gelang eine persönliche Bestzeit und mit Platz 14 ihr bestes Olympia-Einzelergebnis. „Ich bin sehr dankbar, dass es bei mir nie große Stagnation gab, sondern ich mich stetig entwickelt habe. Obwohl man mit Ende 20 als Schwimmerin ja schon relativ alt ist, bin ich immer noch Bestzeiten geschwommen“, bilanziert Bruhn, die über 200 Meter Freistil auf der Kurzbahn sowie mit zwei Staffeln immer noch den deutschen Rekord hält.

Bei internationalen Großevents schwamm Bruhn zu drei Medaillen. Neben WM-Bronze 2015 mit der Mixed-Staffel über 4 x 100 Meter Lagen sowie EM-Bronze 2018 mit der 4 x 200-Meter-Freistil-Staffel der Frauen zählt der Europameistertitel 2018 mit der Mixed-Staffel über 4 x 200 Meter Freistil zu den größten Erfolgen der Ingersheimerin. „Das war ein absolutes Gänsehautrennen, wie ich die führende Russin noch überholte und die drei anderen dann mitgefeiert haben. Obwohl Schwimmen eine Individualsportart ist, sehe ich mich als Teamplayerin und hatte immer großen Spaß mit den Staffeln“, erinnert sich Bruhn an ihr vielleicht bestes Rennen, in dem sie als Schlussschwimmerin über eine Sekunde Rückstand aufholte.

Nach unzähligen Sprüngen vom Startblock startet Bruhn jetzt in einen neuen Lebensabschnitt, allerdings nicht ganz ohne den Schwimmsport. „Zum Abtrainieren bin ich aktuell zwei- bis dreimal pro Woche im Wasser“, berichtet Bruhn, die seit dieser Saison für den VfL Sindelfingen startet. Hier möchte sie ihre Erfahrung an den Nachwuchs weitergeben und auch noch die ein oder andere Mannschaftsmeisterschaft schwimmen.

„Ich bin mit mir komplett im Reinen. Nach Olympia 2016 hatte ich Gedanken, dass noch mehr in mir steckt und ich so noch nicht aufhören kann. Aber jetzt gehe ich aus dem Wasser und weiß: Ich habe alles gegeben, was ich konnte, und bin damit komplett zufrieden.“

 
 
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