Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen Nicht genügend Platz für Schutz suchende Frauen

Von Gabriele Szczegulski
Arezoo Shoaleh und Judith Raupp (von links) leiten den Verein Frauen für Frauen und das Frauenhaus. Sie appellieren an den Kreistag, endlich für weitere Plätze für Schutz suchende Frauen im Landkreis zu sorgen. Foto: /Martin Kalb

Es ist der Internationale Tag gegen Gewalt gegen Frauen. Im Frauenhaus müssen täglich unter Gewalt leidende Frauen abgewiesen werden.

Fünf Frauen täglich müssen Arezoo Shoaleh, pädagogische Leiterin des Frauenhauses des Landkreis Ludwigsburg, und die Leiterin für Finanzen und Verwaltung, Judith Raupp, und ihre Mitarbeiterinnen abweisen. „Wir haben nur 19 Betten für die Frauen, die meist auch noch Kinder haben“, sagt Shoaleh. Es gebe, ist das Frauenhaus voll belegt, keine Notplätze, keinen Ort, an den diese Frauen zum Schutz vor Gewalt in der Ehe und Familie hinkönnten. Grund: „Das sind einzig die Finanzen“, sagt Shoaleh.

Zusätzliche Plätze sind nötig, allein es fehlt das Geld

Seit Langem plant der Verein Frauen für Frauen ein weiteres Haus mit zusätzlichen 39 Plätzen in offener Form mit kleinen Wohneinheiten – allein, es fehlt das Geld. Der Kreis als Träger weiß um das Problem, es gebe sogar ein Gebäude, das aber saniert werden müsste (die BZ berichtete). Aber der Kreistag verschiebt die Entscheidung, auch im Haushalt für das Jahr 2025 ist kein Posten für das Frauenhaus enthalten. „Und genau das ist das Grundproblem, dass heute immer noch, am Tag gegen Gewalt der Frauen, viele dieses Thema als ein privates ansehen, das die Frauen selbst lösen müssen, sich alleine wehren“, so Shoaleh.

Die Zahlen Schutz suchender Frauen steige ständig. Die Fälle, wo Frauen mit Gewalt zu tun hatten, dies verschweigen aus Scham oder ohne Anzeige Hilfe suchen, tauchen in keiner Statistik auf. „Diese Gewalttaten an Frauen sind um zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen“, so Judith Raupp.

Die Dunkelziffer allerdings liege bei 80 Prozent, das bedeute, so Raupp, nur 20 Prozent der von Gewalt betroffenen Frauen zeigten die Taten überhaupt an oder suchten Schutz bei Beratungsstellen oder im Frauenhaus. „Dass wir Frauen, die Schutz und Hilfe suchen, abweisen müssen, ist skandalös.“ Auch auf andere Frauenhäuser in Deutschland können viele Frauen nicht verwiesen werden, da auch diese voll seien.

Dabei sei, so sagt Shoaleh, ein positiver Aspekt der steigenden Zahlen an Schutz suchenden Frauen auch der, dass sie zeigen, dass sich immer mehr Frauen wehren und Hilfe, Schutz und Beratung in Anspruch nehmen oder Anzeige erstatten. Es sei nicht unbedingt so, dass mehr Gewalt ausgeübt werde, sondern dass mehr Frauen sich an Beratungsstellen und Frauenhäuser wendeten. „Die Frauen werden selbstbewusster, sie begehren auf, gehen weg und lassen sich helfen“, so Raupp. „Früher harrten die Frauen in ihrer Ehe aus“, so Shoaleh.

Gewalthilfegesetz wäre die Lösung

Bezahlt werden die Plätze durch die Tagessatzfinanzierung, das heißt, Notplätze für eine temporäre Unterkunft kann der Verein nicht vorhalten, da sie nur finanziert werden, wenn auch Frauen darin wohnen. „Es ist nach wie vor so, dass der Gewalt an Frauen keine große Bedeutung zugemessen wird“, sagt Raupp und verweist auf das Gewalthilfegesetz, das der Bundestag schon längst verabschieden wollte. „Und nun wird die Entscheidung wieder vertagt, wegen der Neuwahlen.“

Gerade am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen müsse man darauf hinweisen, dass das Gewalthilfegesetz die Lösung für den Schutz aller unter Gewalt leidenden Frauen sei.

Kurz bevor die Ampel zerbrach, legte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) noch ein Gesetz vor, auf das viele lang gewartet hatten: Mit dem Gewalthilfegesetz wollte der Bund Frauenhäuser mitfinanzieren, den Zugang zu Schutz und Beratung in Fällen von häuslicher Gewalt durch einen Rechtsanspruch garantieren, wie es im Koalitionsvertrag vorgesehen war. Kosten für den Bund von 2027 bis 2036: 2,2 Milliarden Euro, so rechnete es Paus Ministerium aus.

Mit dem Gewalthilfegesetz wollen Bund, Länder und Kommunen eine rechtliche und finanzielle Grundlage schaffen, die allen Betroffenen häuslicher Gewalt Schutz und Unterstützung garantiert ‒ flächendeckend, niedrigschwellig und vor allem kostenfrei.

Der Deutsche Frauenrat, UN Woman Deutschland sowie weitere Institutionen wie Frauenberatungsstellen, kommunale Frauenbüros, die Wohnungslosenhilfe, der paritätische Gesamtverband, der deutsche Juristinnenverband, der katholische Frauenverband oder Pro Familia sowie viele Privatpersonen und Prominente haben einen Brandbrief an die Bundesregierung verfasst, das Gesetz endlich zu realisieren, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Die Finanzierung scheiterte an dem Veto des ehemaligen Finanzministers, Christian Lindner (FDP)

„Sie haben im Koalitionsvertrag angekündigt, ein Gesetz zu schaffen, das Betroffene besser vor Gewalt schützt. Jetzt drängt die Zeit! Ihre Regierung hat nur noch wenige Wochen um dieses Versprechen einzulösen“, heißt es darin. Und weiter: „Obwohl die Gewaltstatistik Jahr um Jahr ansteigt, fehlen tausende Plätze in Deutschlands Frauenhäusern, sind Beratungsstellen chronisch überlastet und die Wartezeiten auf einen Platz im Frauenhaus oder einen Termin für eine Beratung für Personen nach einer Vergewaltigung unerträglich lang. Besonders in ländlichen Regionen ist die Situation verheerend: Betroffene werden häufig völlig allein gelassen mit ihrem Schmerz, weil es einfach keine Hilfsangebote gibt.“

 
 
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