Interview mit dem kroatischen Neu-Nationalspieler Antonio Colak aus Freiberg „Ich will unbedingt zur EM 2021“

Von Andreas Eberle
Antonio Colak (rechts) bejubelt das Elfmetertor zum 3:1 für PAOK Saloniki im Duell bei Panetolikos Agrinio – sein erster Pflichtspiel-Treffer in der griechischen Liga. ⇥ Foto: Antonis Nikolopoulos via www.imago-images.de

Der Freiberger Antonio Colak ist seit vergangener Woche kroatischer Nationalspieler. Wie er das Debüt erlebt hat und wie er sich bei seinem neuen Klub PAOK Saloniki fühlt, verrät er im BZ-Interview.

Antonio „Toni“ Colak war in den vergangenen Tagen mit der kroatischen Fußball-Nationalmannschaft unterwegs. Im Interview spricht der in Freiberg aufgewachsene Stürmer über sein Länderspiel-Debüt, die Begegnung mit Weltstar Luka Modric und die ersten Wochen beim neuen Klub PAOK Saloniki in Griechenland.

Was bedeutet es Ihnen, das rot-weiß-karierte Trikot des kroatischen Nationalteams zu tragen?

Antonio Colak: Da geht ein Traum in Erfüllung. Es gibt für einen Fußballer nichts Größeres, als für sein Land aufzulaufen – gerade wenn man bedenkt, dass Kroatien als Vizeweltmeister die zweitbeste Mannschaft der ganzen Welt ist. Als ich dann gegen die Türkei eingewechselt wurde, habe ich das als große Ehre und Anerkennung empfunden. Das hat mich alles sehr berührt.

Beim 2:3 im Nations-League-Heimspiel am Dienstag gegen Portugal standen Sie zwar im kroatischen Kader, saßen aber 90 Minuten auf der Bank. Hat Sie das enttäuscht?

Ich hatte schon auf Einsatzminuten gehofft, leider hat es nicht geklappt. Unser Ziel war, nicht aus der Gruppe A abzusteigen. Die Formation gegen Portugal war sehr defensiv ausgerichtet, wir haben ohne echten Stürmer gespielt. Darum war auch die Chance nicht so groß, als Angreifer eingewechselt zu werden – erst recht nach der Gelb-Roten Karte für meinen Mitspieler Marko Rog. Aber überhaupt im Kader zu stehen und Cristiano Ronaldo oder João Félix so nahe zu sein und mit ihnen die Trikots zu tauschen, war ein Erlebnis, das ich mitnehme und als Ansporn sehe.

Auf welchen kroatischen Star haben Sie sich bei der Nationalmannschaft am meisten gefreut?

Auf Luka Modric. Auf dem Platz sieht man, dass er der beste Spieler der Welt war oder vielleicht noch immer ist. Ich spiele ja schon auf einem guten Niveau und in der Europa League, aber wenn man Luka zuschaut, merkt man, dass das noch mal eine ganze Klasse drüber ist. Von so einem Mann kann man viel lernen und sich viele Dinge abschauen.

Haben Sie ihn auch abseits des Spielfeldes mit Fragen gelöchert?

Und wie, ich war sehr neugierig, wollte alles aufsaugen. Wir haben über seinen Verein Real Madrid und Sergio Ramos geredet, und ich wollte zum Beispiel wissen, bei welchem Spiel er aufgeregter war – beim Champions-League- oder beim WM-Finale. Es war toll, einen so großen Spieler mal näher kennenzulernen.

Gab es nach ihrem Länderspiel-Debüt viele Glückwünsche aus dem heimischen Freiberg?

Ja, ich bin mit vielen meiner früheren Schulkameraden aus der Oscar-Paret-Schule noch in Kontakt, wir schreiben uns regelmäßig. Ich freue mich über jedes Feedback aus der Heimat. Als ich das erste Mal für die Nationalmannschaft nominiert wurde, hat mir auch mein Jugendverein SGV Freiberg gratuliert. Sonst bekommt man natürlich Nachrichten aus der ganzen Fußball-Welt von Leuten, die man während seiner Karriere kennengelernt hat.

Seit Ende September stürmen Sie nun für PAOK Saloniki. Wie haben Sie sich in Griechenland eingelebt?

Thessaloniki ist eine wunderschöne Stadt, direkt am Meer. Hier haben wir aktuell immer noch sehr gutes Wetter und Temperaturen um die 20 Grad. Vor zwei Wochen sind meine Freundin Diana und ich in unsere Wohnung eingezogen. PAOK ist einer der größten Vereine in Griechenland und hat ein tolles Stadion sowie Top-Trainingsbedingungen. Die Fans sind sehr fußball- und PAOK-verrückt. So eine Begeisterung habe ich bisher noch nie erlebt und gibt es auf der Welt sicher nicht so oft. Das hat schon angefangen, als ich am Flughafen angekommen bin. Da haben mich viele Fans und Journalisten erwartet. Die Leute leben für diesen Klub und machen dir das auch klar. Sie erwarten, dass du alles für den Verein gibst, denn auch sie geben alles für ihn.

Wie gut sprechen Sie schon Griechisch?

Ein paar kleinere Dinge wie Begrüßungen habe ich schon gelernt. Meine Freundin hat vor zwei Wochen mit einem Griechisch-Kurs angefangen. Von Montag bis Freitag hat sie jeden Tag Unterricht. Sie ist da schon gut dabei, und ich versuche, von ihr einiges aufzuschnappen. Natürlich will ich die Sprache noch besser lernen.

Wie klappt die Kommunikation mit dem Coach und den Teamkollegen?

Unser Trainer Pablo García ist Uruguayer und spricht Spanisch und Griechisch. Da ich in der Schule Spanisch gelernt habe, können wir uns gut unterhalten. Aber wir haben auch Übersetzer, die alles auf Englisch übersetzen. Da gibt es keine Verständigungsprobleme.

PAOK ist aktuell Tabellendritter in Griechenland und spielt in der Europa League. Was haben Sie mit dem Klub in dieser Saison noch vor?

Der Verein will auf Topniveau spielen. Wir haben nur knapp die Champions-League-Quali verpasst, sind aber auf einem sehr guten Weg. Weder in der griechischen Liga noch in der Europa League haben wir bisher ein Spiel verloren. Diese Serie wollen wir so lange wie möglich durchhalten. Am nächsten Donnerstag können wir mit einem Sieg beim PSV Eindhoven einen Riesenschritt in Richtung Endrunde machen. Der FC Granada ist momentan Gruppenerster. In Spanien haben wir 0:0 gespielt und waren sogar besser. Das war ein guter Maßstab für uns. Im nationalen Wettbewerb sind die Ambitionen so, dass PAOK Titel gewinnen will und muss. Das Ziel hat auch die Mannschaft. In Olympiakos Piräus sehen wir den größten Rivalen um die Meisterschaft.

Wie stark schätzen Sie die griechische Super League im Vergleich zur Bundesliga ein?

Die Topklubs wie Piräus, PAOK oder AEK Athen könnten in der Bundesliga gut mithalten. Der Rest hat gutes Zweitliga-Niveau. Die griechische Liga ist auf jeden Fall viel stärker als die kroatische, in der ich davor gespielt habe.

Kroatien ist für die Europameisterschaft im nächsten Jahr qualifiziert. Wie beurteilen Sie Ihre Chancen auf einen Platz im Aufgebot?

Bei der EM 2021 will ich unbedingt dabei sein. Ich zähle jetzt zum Kreis der Nationalmannschaft und habe die Möglichkeit dazu. Die Voraussetzungen sind, dass ich weiter meine beste Leistung bringe, als Stürmer Tore schieße und gesund bleibe. Der Rest wird sich dann ergeben.

War der Wechsel 2018 von Hoffenheim nach Kroatien, in die Heimat ihrer Eltern, für Sie der entscheidende Schritt zum Nationalspieler?

Es war wichtig, diesen Schritt zu wagen. Die Zeit in Rijeka hat mich enorm weitergebracht. Ich bin in der vergangenen Saison in der kroatischen Liga zum besten Spieler gewählt worden und war Torschützenkönig. Mein Ziel in Kroatien war, noch mehr in den Fokus der Nationalmannschaft zu rücken, denn ich wusste, dass ich die Qualität dafür habe. Jetzt habe ich den Sprung geschafft. Aber Fußball ist ein Tagesgeschäft, da musst du dich jeden Tag neu beweisen. Man darf sich nie auf dem ausruhen, was man in der Vergangenheit geleistet hat, sondern muss seine Leistung immer wieder bestätigen.

Wird man Sie irgendwann wieder in der Bundesliga sehen?

Zur Bundesliga würde ich nicht Nein sagen. In dem Geschäft weiß man aber nie, wohin es einen verschlägt. Ich bin glücklich darüber, dass ich im September in dem durch Corona nicht einfachen Transferfenster zu PAOK gewechselt bin. In Griechenland fühle ich mich sehr wohl und habe auch noch einiges vor.

ZUR PERSON

Antonio Colak stammt aus der Jugend des SGV Freiberg und spielte außerdem für den Nachwuchs der Stuttgarter Kickers, der TSG 1899 Hoffenheim und des Karlsruher SC. Die ersten Aktivenjahre verbrachte der heute 27-jährige Mittelstürmer beim 1. FC Nürnberg und bei Lechia Gdansk in Polen. Von 2015 bis 2019 stand er bei Hoffenheim unter Vertrag, wurde aber immer wieder ausgeliehen. Die Stationen waren Kaiserslautern, Darmstadt, Ingolstadt und Rijeka. In 28 Erst- und 29 Zweitliga-Partien hat Colak insgesamt neun Tore erzielt. Zur Saison 2019/20 wechselte der gebürtige Ludwigsburger aus dem Kraichgau ganz zum HNK Rijeka und wurde Torschützenkönig in Kroatiens Eliteklasse. Im September 2020 verpflichtet ihn PAOK Saloniki. Am 11. November gab Colak im Testspiel gegen die Türkei (3:3) sein Debüt im kroatischen Nationaltrikot. Das Internet-Portal transfermarkt.de taxiert seinen aktuellen Marktwert auf vier Millionen Euro. ⇥ae

 
 
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