Interview mit der Ingersheimer Bürgermeisterin Lehnert: „Jedes Gespräch ist wichtig“

Von Claudia Mocek
Die Ingesheimer Bürgermeisterin Simone Lehnert will 2022 gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern einen Gemeindeentwicklungsplan auf die Beine stellen.⇥ Foto: Helmut Pangerl

Bürgermeisterin Simone Lehnert aus Ingersheim will im nächsten Jahr mit den Bürgern einen Entwicklungsplan für die Gemeinde angehen.

Bebauungsplan für „In den Beeten II“, Online-Übertragung des Gemeinderats und die Sanierung der Ortsdurchfahrt: Die Ingersheimer Bürgermeisterin Simone Lehnert blickt auf ein ereignisreiches Jahr zurück und gibt einen Ausblick auf das Jahr 2022.

Was war für Sie 2021 entscheidend – neben Corona?

Simone Lehnert: Wir haben sehr viel auf den Weg gebracht. Zum Beispiel der Bebauungsplan für „In den Beeten II“ war ein großes Projekt, das auch die Verwaltung stark gefordert hat. Wir haben eine Wärmekonzeption vorgelegt und einen Konzessionär gefunden. Die Umlegungsverträge waren ausgelaufen, da gab es ein eng getaktetes Programm, das wir erfüllen mussten.

Und dann war da noch Corona.

Ja, wir haben ein mobiles Impfzentrum aus dem Boden gestampft. Einmal im Frühjahr für die über 80-Jährigen im Ort und ein weiteres Mal im November/Dezember für alle, die eine Impfung wollten. Das hat viel Kapazität und Energie gebunden. Ich bin meinem Team sehr dankbar, dass es da so mitgegangen ist und wirklich viel geleistet hat.

Welche Projekte konnten Sie 2021 abschließen?

Wir haben die Bauplätze von „In den Beeten II“ nach einem fairen Verfahren vergeben, wie ich finde. Wir haben uns da im Vorfeld viele Gedanken gemacht und Kriterien entwickelt, wie den Ortsbezug und für bestimmte Bauplätze soziale Aspekte erarbeitet.

Seit Ende 2020 übertragen Sie die Gemeinderatssitzungen digital. Wie ist die Resonanz?

Wir haben im Schnitt 50 Zugriffe bei jeder Sitzung. Das ist deutlich mehr Publikum als früher in den Ratssaal kam. Und das sind nicht nur ältere Bürger, alle Altersklassen sind vertreten. Das höre ich immer wieder bei verschiedenen Begegnungen im Ort

Werden Sie die Übertragung künftig weiterführen?

Ich habe nur positives Feedback aus den Reihen des Gemeinderats bekommen. Ich möchte das auf jeden Fall weiter machen. Das ist eine gute Möglichkeit, unsere Arbeit in die Wohnzimmer zu bringen. Das ist gerade in Zeiten wie heute wichtig, wo die Politik mit dem Thema Vertrauen zu kämpfen hat. Da können wir einen guten Beitrag an der Basis leisten.

Ihre persönliche Bilanz?

2021 war arbeitsintensiv. Der Befreiungsschlag in der Pandemie ist leider ausgeblieben und man merkt, dass die Leute müde werden – in allen Bereichen. Wenn ich am Ende einer Woche denke, dass wir wirklich viel geschafft haben, dann wird mir immer wieder klar, wie wichtig jeder Termin und jedes Gespräch ist. Es war ein bisschen schwierig, Kontakt zu den Menschen zu bekommen und zu halten. Viele sind seit Corona mit sich selbst beschäftigt. Einige ziehen sich völlig zurück und gehen kaum noch aus dem Haus.

Die Finanzen in Ingersheim sind eine Herausforderung. Was waren die wichtigsten Investitionen?

Für die Konzeption des Bebauungsplans haben wir Geld in die Hand genommen. Im Bestandsgebiet „In den Beeten“ gab es Kanal- und Straßenarbeiten, eine neue Straßenbeleuchtung und Gasanschlüsse für die Anwohner, die es wollten. Das war eine sehr große Investition. Mit 1,3 Millionen Euro war zudem die erste von drei Raten für die Oscar-Paret-Schule in Freiberg fällig. Da wir laut Haushaltskonsolidierungskonzept nur eine Millionen Euro an Investitionen pro Jahr haben sollten, ist das ein Wort.

Was steht 2022 an?

Das Mammutprojekt „Sanierung der Ortsdurchfahrt“, die Baumaßnahme wird mindestens neun Monate dauern. Das Projekt wird uns viel Geld kosten.

Und viel Ärger mit sich bringen?

Ja, weil viele Menschen davon betroffen sein werden. Abschnittsweise wird komplett gesperrt werden und zwei bis drei Monate wird die Brücke nach Pleidelsheim gesperrt sein. Ich hoffe, dass die Leute trotzdem Verständnis aufbringen, weil wir es machen müssen. Der Kanal wird saniert, die Bushaltestellen barrierefrei gestaltet. Wir wollen eine zusätzliche Haltestelle im Tal zum Anschluss an den Edeka, das Gewerbegebiet und die Sportanlagen einrichten. Aber da steht die Genehmigung noch aus.

Bleibt es eng im Ingersheimer Haushalt oder rechnen Sie in mit einem Geldsegen?

Durch die Grundstücksverkäufe von „In den Beeten II“ werden wir ungefähr neun Millionen Euro erlösen. Aber man muss natürlich die Ausgabe gegenrechnen. Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, weil wir anstehende Investitionen haben und schon eine Lücke. Einen wirklichen Geldsegen kann ich nicht sehen. Gewerbe- und die Einkommenssteuer sind zurückgegangen. Deswegen gibt es im Gemeinderat auch den Wunsch, das Gewerbegebiet Zweckverband Bietigheimer Weg auszubauen, um perspektivisch dort mehr Boden unter die Füße zu bekommen.

Ich finde es für die Gemeinden eine missliche Lage, dass wir darauf angewiesen sind, immer mehr in die Fläche zu gehen und noch mehr Gewerbe anzusiedeln, um Einnahmen zu generieren. Da müssen Bundes- und Landespolitik umdenken. Wir können langfristig so nicht weitermachen.

Wenn ich im Bereich der Kinderbetreuung sehe, dass meine Personalkosten deutlich über 50 Prozent liegen und ich schauen muss, woher wir das Geld bekommen, ist es unausweichlich, dass wir ins Gewerbegebiet gehen und die letzten Bauplätze, die wir noch haben, auch zu einem guten Preis veräußern.

Zeichnet sich im Gewerbegebiet etwas ab?

Wir haben jede Menge an Anfragen. Es gibt Branchen, die überhaupt nicht von Corona betroffen sind. Nach der Absage von Atlanta geht es nun in die nächste Runde und ich bin sehr optimistisch, dass wir zu einer guten Lösung kommen.

Wer sind die Sorgenkinder?

Die Finanzen auf den richtigen Weg zu bringen wird schwierig. Der hohe Grad an Bürokratisierung bindet uns im Arbeitsalltag zunehmend. Online einen Personalausweis beantragen oder sich digital ummelden: Das Onlinezugangsgesetz soll bis 2023 umgesetzt werden. Ich weiß, dass Digitalisierung wichtig ist, und gleichzeitig müssen wir es als kleine Gemeinde stemmen.

Überall dort, wo wir als Gemeinde einen Service anbieten, den auch ein privater Anbieter übernehmen könnte, sind wir künftig umsatzsteuerpflichtig. Zum Beispiel bei Dienstleistungen im Bereich des Friedhofswesens. Deshalb müssen wir jede Dienstleistung, die wir erbringen, daraufhin prüfen. Das ist Bürokratie, die von außen niemand wahrnimmt. Datenschutz ist auch so ein Thema, das ich sehr herausfordernd empfinde. Da war ich beim Austausch zwischen dem Gemeindetag und dem Ministerpräsidenten enttäuscht, der zwar auch Bürokratie abbauen will, aber auf die Belange der Gemeinde nicht eingegangen ist.

Groß- und Kleiningersheim feiern dieses Jahr ihren 50-jährigen Zusammenschluss. Sind sie gut zusammengewachsen?

Man ist zwar eine Gemeinde, aber man ist doch ganz klar entweder Klein- oder Großingersheimer, zumindest diejenigen, die schon länger hier wohnen. Aber mein Eindruck ist, dass man das nicht so ernst nimmt. Es gibt in beiden Orten Musik- und Turnvereine, obwohl sie auch kooperieren.

Was planen Sie 2022?

Dieses Jahr möchte ich zusammen mit der Bürgerschaft, dem Gemeinderat und der Verwaltung ein Gemeindeentwicklungskonzept erarbeiten. Dabei wollen wir uns die Themen anschauen, die Ingersheim in den nächsten Jahren beschäftigen werden und Maßnahmen daraus ableiten. Themen werden etwa eine attraktive Ortsmitte, Ehrenamt, Jugendliche und die Begegnungsstätte sein. Der wichtigste Punkt betrifft das gesellschaftliche Miteinander. Aber auch den Verkehr, den die Menschen als immer belastender empfinden.

Erwarten Sie, dass sich viele daran beteiligen werden?

Ja, wir wollen auch digitale Medien einsetzen, um junge Leute einzubeziehen. Der Förderantrag ist gestellt, wir würden gerne im Frühjahr starten.

 
 
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