Jahresbericht der Jugendförderung „Das Netz“ Bietigheim-Bissingen „Der Jugend wird viel abverlangt“

Von Rena Weiss
Das Jugendhaus 4D der Jugendförderung „Das Netz“ in Bietigheim-Bissingen ist beliebter Treffpunkt für Jugendliche.⇥Foto: Martin Kalb Foto: Martin Kalb

„Jugendarbeit im Zeichen der Pandemie“, unter diesem Titel stellte Harald Finkbeiner-Loreth den Jahresbericht der Jugendförderung „Das Netz“ im Jugendausschuss der Stadt vor.

Der Jugend werde viel abverlangt, machte Harald Finkbeiner-Loreth in der Sitzung des Jugendausschusses der Stadt Bietigheim-Bissingen am Dienstagabend deutlich. Gerade in diesem Alter gehe es darum, Kontakte zu knüpfen. „Was üben wir damit ein?“, sagt der Leiter der Jugendförderung „Das Netz“ zu den Kontaktbeschränkungen. Es werde gerade Kindern und Jugendlichen vermittelt, Abstand zu halten. Auf Dauer sei dies nicht gesund für eine soziale Gesellschaft.

Sein Jahresbericht von September 2019 bis August 2020 trägt den passenden Titel „Jugendarbeit im Zeichen der Pandemie“. Auch die Jugendförderung war vom Lockdown betroffen. „Da wir viele soziale Medien schon vor der Pandemie für den Kontakt mit jungen Menschen genutzt haben, konnten wir sehr schnell reagieren“, sagte Finkbeiner-Loreth, „und mit den Jugendlichen trotz Kontaktbeschränkungen über Online-Angebote weiterhin in Kontakt bleiben.“ Allerdings können diese Angebote nicht den persönlichen Kontakt mit den Menschen ersetzen, lautet das Fazit des „Das Netz“-Leiters. Er äußert zudem Kritik an der Bundesregierung: „Jugendhilfe braucht gerade in Krisenzeiten Systemrelevanz.“ Es könne nicht sein, dass der Kinderschutz in Krisenzeiten ausgesetzt werde. „Der erste Lockdown war ein Schock für uns. Wir waren in einer Reihe mit Discos, Bars, Klubs und Bordellen und mussten schließen“, zeigt sich der Diplompädagoge bestürzt. Denn gerade die Pandemie-Zeit habe gezeigt, wie wichtig der persönliche Kontakt für Kinder und Jugendliche sei.

Dass dieser Kontakt überhaupt bestehen blieb, habe man den Mitarbeitern zu verdanken, so Finkbeiner-Loreth. „Wir haben sämtliche zur Verfügung stehenden digitalen Medien genutzt“, nannte er die Mobile Jugendarbeit als Beispiel. Telefonische Bewerbungshilfe, virtuelle Spielangebote oder Livestreams über Instagram sind nur einige der Angebote. Im Mai war es zudem möglich, wieder auf der Straße unterwegs zu sein. Beratungsspaziergänge seien eine Möglichkeit gewesen, mit Jugendlichen in Kontakt zu treten, die ein persönliches Gespräch benötigten. Diese Arbeit erforderte einiges an Engagement von den Mitarbeitern. Umso besser sei es für Harald Finkbeiner-Loreth, dass die Jugendförderung personell gut aufgestellt sei. „Nachdem alle Mitarbeiterinnen, die in Elternzeit waren, zurückgekehrt sind und die verbliebenen offenen Stellen alle qualifiziert besetzt werden konnten, blicken wir für die kommende Saison auf ein stabiles und vollständiges Team.“

So erweiterte sich das Angebot wieder, als die Jugendhäuser im Sommer öffnen durften. Den Anfang machte der Zirkus, gefolgt von der Breakdance-Gruppe, dem Mädchentheater und schließlich bedingt auch das Tonstudio. Hier stellt der Diplompädagoge klar, dass die Schließung nicht bedeutete, dass die Jugendförderung komplett ausfiel, wie es manche vermuteten. Das sei auch der Grund, warum manche Angebote nicht mehr den gewohnten Zulauf hätten. Der Offene Bereich beispielsweise musste während des Lockdowns pausieren. „Es ist uns allerdings nicht gelungen, die Besucher, im Gegensatz zu den Projektgruppen, für Online-Formate zu gewinnen.“ So fanden nach der Wiedereröffnung im Juni nur vereinzelte Jugendliche den Weg in den Offenen Treff. Ähnlich sieht es auch beim Boxen aus: „Leider ist der Kontakt zu einem erheblichen Teil dieser Jugendlichen mit der Umsetzung der Pandemiebestimmungen vollständig abgerissen“, erklärt Finkbeiner-Loreth und ergänzt, dass es ihm wichtig sei, dieses Angebot fortzuführen. Die Breakdance-Gruppe habe sich durch die lange Schließzeit ebenfalls nahezu aufgelöst.

Musik kommt an

Positiver sei dagegen das digitale Ersatzangebot der Musikwerkstatt angekommen. Nachdem der zuständige Mitarbeiter zum 1. Oktober 2019 das „Das Netz“-Team verlassen hatte, blieb die Stelle bis zum 1. November 2020 unbesetzt und damit wurde auch der Betrieb des Projektstudios eingestellt (die BZ berichtete). Allerdings setzte sich eine Studentin während ihrer Praxisphase fürs Tonstudio ein. Während der Schließungszeit entwickelte „Das Netz“ zudem das Onlineformat „Couchkonzerte“ via Instagram. „Letztlich haben uns auf diesem Wege einige Jugendliche entdeckt, die uns bis dahin nicht kannten und die wir für das Tonstudio und die Musikwerkstatt nachhaltig begeistern konnten.“ Das Ergebnis: Bis Ende des Jahres seien alle Termine vollständig vergeben.

Verbliebene offene Stellen besetzt

Die Stelle für den Musik- und Veranstaltungsbereich im Jugendhaus 4D war ein Jahr lang vakant und wurde zum 1. November 2020 mit einer ehemaligen Studentin, die bereits für „Das Netz“ arbeitete, besetzt.

„Eine Kollegin hat uns Ende März aus familiären Gründen verlassen müssen, so dass es an der Gustav-Schönleber-Schule noch einmal zu Veränderungen kam“, sagt Harald Finkbeiner-Loreth, „Das Netz“-Leiter. Die Stelle wurde zum 1. September 2020 wieder besetzt.

„Manchmal werden Träume wahr“, sagt er zudem zu Frank Schneiders Bewerbung. Die Fachbereichsleitung der Schulsozialarbeit konnte mit Schneider nach intensiver Suche zum 1. August 2020 letztlich besetzt werden. Schneider sei eine erfahrene Fachkraft, die die Einrichtung in früheren Jahren schon einmal als Supervisor und an zwei Schulen als Coach bei der Einführung der Schulsozialarbeit unterstützt habe und neben Erfahrungen in der Supervision und der Personalleitung auch Erfahrungen als Schulsozialarbeiter und Fachbereichsleiter in der Schulsozialarbeit mitbringt. So könne Schneider dem Team in Fällen der Kindeswohlgefährdung als „Insoweit Erfahrene Fachkraft (IEF)“ den Weg zu anderen Diensten sparen, so Finkbeiner-Loreth.

 
 
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