Jahresinterview „Wir werden unsere Standards senken müssen“

Von Claudia Mocek
Landrat Dietmar Allgaier will wegen einzelner Haushaltsjahre keine generationenübergreifende Projekte in Frage zu stellen – wie die Stadtbahn, die voraussichtlich zu 90 Prozent gefördert wird. Foto: /Oliver Bürkle

Landrat Dietmar Allgaier gibt einen Ausblick auf 2025. Im nächsten Jahr geht es vor allem darum, den Haushalt des Landkreises zu konsolidieren. Das Ziel: 50 Millionen Euro einsparen.

Sinkende Steuereinnahmen, 50 Millionen Defizit bei den Kliniken, steigende Kreisumlage: Auch beim Landkreis ist die finanzielle Lage angespannt. Im BZ-Interview zieht Landrat Dietmar Allgaier Bilanz und gibt einen Ausblick auf das neue Jahr.

Was erwartet uns 2025?

Dietmar Allgaier: Aufgrund der sinkenden Steuereinnahmen haben wir jetzt eine Situation, die alle Kommunen und Kreise trifft. Im Landkreis werden die Einnahmen unter anderem über die Grunderwerbssteuer eingezogen. Ein Beispiel: Noch vor zwei Jahren haben wir knapp 50 Millionen Euro Einnahmen im Haushalt hieraus veranschlagt. Heute sind es mit 39 Millionen Euro elf Millionen Euro weniger. Es verschiebt sich alles.

Hinzu kommen steigende Aufgaben vom Bund.

Bestes Beispiel ist das Bundesteilhabegesetz, wofür wir Personal einstellen müssen. Auf der einen Seite gibt es viele Mehrkosten, auf der anderen Seite gibt es keinen ausreichenden finanziellen Ausgleich. Über die Kreisumlage können wir trotz prozentualer Erhöhungen nicht die Einnahmen im Verhältnis erzielen, die wir bräuchten, weil es unseren Städten und Gemeinden nicht viel besser geht.

Die Kreisumlage steigt auf 31 Punkte, bis 2028 soll sie auf 40 Prozentpunkte steigen. Das ist für die Kommunen doch gar nicht zu stemmen?

Die Kreisumlage betrug in den Jahren 2005 und 2006 schon einmal 39,5 Prozent. Das ist jetzt eine Gratwanderung: Wegen der kommunalen Haushaltsabschlüsse schreibe ich derzeit einen blauen Brief nach dem anderen an unsere Städte und Kommunen und wir fahren zeitgleich mit der Kreisumlage hoch.

Es gibt schon politische Aussagen aus dem Kreistag, die sagen, da machen wir nicht mehr mit. Deshalb starten wir einen Konsolidierungsprozess, um dem gegenzusteuern. Die Zielmarke ist eine Einsparung von 50 Millionen Euro. Parallel haben auch die Kliniken einen Konsolidierungsprozess eingeleitet. Schließlich macht der Verlustausgleich für die Kliniken einen hohen Anteil des Defizits des Landkreises aus.

Was werden die Konsequenzen der Sparpolitik sein?

Wir werden unsere Standards senken müssen. Wir müssen uns gesellschaftspolitisch darauf einstellen, dass viele Themen, die wir in der Vergangenheit noch finanzieren konnten, in Zukunft so nicht mehr funktionieren werden. Ich glaube, dass es dafür auch schon ein Grundverständnis gibt.

Schwierig wird es dann, wenn Betroffenheiten entstehen, wenn etwa über Kulturetats gesprochen wird oder Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs gestrichen werden. Ich befürchte, uns bleibt keine Alternative und unseren Städten und Gemeinden auch nicht. Wir müssen versuchen, mit weniger Geld unsere gesamte öffentliche Infrastruktur und unsere Dienstleistungen aufrecht zu erhalten. Ich finde es wichtig, dass man transparent darüber spricht, wie die Lage ist, damit die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, dass wir sparen müssen.

Wie gehen Sie die Senkungen der Standards an?

Wir haben eine Haushaltskommission mit 13 Kreisräten gebildet. Wir werden jetzt von Grund auf unseren kompletten Haushalt durchleuchten. Wir haben viele weisungsgebundene Aufgaben, da haben wir keinen Spielraum. Bei Pflichtaufgaben haben wir teilweise Spielraum und dann gibt es noch die freiwilligen Aufgaben. Wir werden unseren Haushalt gedanklich auf null setzen und schauen, wo wir Einsparungen vornehmen können.

Was sagen freie Träger wie Caritas und Diakonie dazu?

Wir haben uns für 2025 mit den Freien Trägern darauf verständigt, keine Kürzungen vorzunehmen. Aber es gibt auch keine Erhöhung. Und gerade dort stehen ja oftmals Leistungen dahinter, die auch von den Institutionen finanziert werden müssen. Dort, wo wir vertragliche Grundlagen haben, werden wir auch erst mittelfristig zu Entlastungen kommen.

Wie sieht es mit den Investitionen in geplante Projekte aus?

Wir investieren insgesamt jetzt noch einmal knapp über 70 Millionen Euro. Wir haben zum Beispiel in Bietigheim Teileigentum an der Schule in der Schwarzwaldstraße für die Schule am Gröninger Weg erworben. Das bewegt sich schon im zweistelligen Millionenbereich.

Wir haben die Schule am Favoritepark erweitert und nehmen weiter Renovierungsarbeiten in den Beruflichen Schulen vor. Die Sanierung des Kreishauses haben wir hingegen schon nach hinten verschoben.

Wir müssen unsere Zulassungsstelle neugestalten, da sind wir dran, haben aber auch deutlich priorisiert. Wir werden versuchen, unsere energetischen Maßnahmen fortzuführen. Dann haben wir das Katastrophenschutzzentrum. Ein großes Projekt, das ich nach wie vor für wichtig halte, weil es hier um den Schutz unserer Bevölkerung geht und wir dort zudem eine langfristige Lösung für unsere Integrierte Leitstellen finden. Das Projekt ist im Haushalt finanziert.

Stichwort Stadtbahn?

Ich würde davor warnen, wegen einzelner Haushaltsjahre generationenübergreifende Projekte in Frage zu stellen. Zumal wir mit einer 90-prozentigen Förderung rechnen. Ich halte dieses Infrastrukturprojekt nach wie vor für richtig. Statt auf die Bremse zu treten, sollten wir also Gas geben.

Sie sprechen von einzelnen Haushaltsjahren. Das heißt Sie hoffen, dass es künftig besser wird?

Ja, wir haben jetzt eine Finanzplanung, da zeigt sich 2028 ein bisschen Licht am Horizont. Ich habe keine Glaskugel, aber ich hoffe, dass nach der Rezession wieder eine Aufschwungphase kommt. Zudem möchten wir uns mit unserem Prozess der Haushaltskonsolidierung wieder neue Gestaltungsspielräume erarbeiten.

Das Defizit bei den Kliniken liegt bei 50 Millionen Euro. Was ist geplant?

Mit Vaihingen und Marbach haben wir zwei Häuser geschlossen. In Bietigheim und Ludwigsburg gibt es ein hohes Defizit. In Markgröningen haben wir ein ausgewogenes Verhältnis. Wir haben ein finanzielles Problem, weil wir strukturell unterfinanziert sind. Bund und Land sind hier klar gefordert, endlich eine auskömmliche Finanzierung sicherzustellen.

In den vergangenen Jahren gab es nicht einmal einen Inflationsausgleich. Es war klar, dass die Kliniken so immer weiter nach unten gezogen werden, durch höhere Kosten und Gehälter. Wir haben uns immer zu unserer öffentlichen Trägerschaft bekannt. Das tun wir auch weiterhin. Wir müssen aber unbedingt Kosten reduzieren. Daran führt kein Weg vorbei. Wir werden sicherlich auch bei den medizinischen Leistungen prüfen, ob wir diese in unseren Häusern zwingend vorhalten müssen, wenn sie defizitär sein sollten.

Hinzu kommt das Thema Notfallpraxis als Ergebnis einer desolaten Politik. Diese treibt die Menschen mit Husten in die Notaufnahme. Wir brauchen in unseren Notaufnahmen ein völlig neues System, um Priorisierungen vornehmen zu können.

Die Krankenhausreform ist insgesamt äußerst unbefriedigend, weil die strukturellen finanziellen Probleme nicht ausreichend gelöst werden. Verbünde, wie die RKH Gesundheit, die bereits in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgaben gemacht haben, werden jetzt noch weiter belastet. Da muss nachgebessert werden.

Wie geht es mit dem Sanierungsbedarf an den Kliniken weiter?

Wir haben in die Jahre gekommene Häuser und müssen viel investieren. Und deshalb halte ich es für wichtig, dass wir auch über den Tellerrand hinaus denken. Zum Beispiel über ein neues Haus an zentraler Stelle im Landkreis. Dazu läuft eine Machbarkeitsstudie. Wir reden da aber von Vorlaufzeiten von etwa 15 bis 20 Jahren, bis so etwas entstehen kann. Wenn das keine Lösung sein sollte, wird es weiterhin zwei Häuser geben.

Nach dem Sturz des Assad-Regimes: Wie schätzen Sie die Folgen für die syrischen Flüchtlinge im Kreis ein?

Ich rechne damit, dass weniger Syrer neu hinzukommen werden als bisher. Diejenigen Geflüchteten, die heute schon gut integriert sind, werden vielleicht die BRD als ihre Heimat ansehen.

Wir werden auch in Zukunft qualifizierte Arbeitskräfte aus allen Nationen benötigen, um unsere Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Wenn Menschen herkommen, die arbeiten können und wollen, schauen wir danach, dass sie schnell die entsprechenden Genehmigungen bekommen. Dazu läuft bei uns im Landkreis ein landesweites Pilotprojekt.

Was erhoffen Sie sich von den Neuwahlen auf Bundesebene?

Ich hoffe vor allem auf eindeutige politische Verhältnisse, um zumindest Klarheit auch in den politischen Vorgaben und Entscheidungen der nächsten Jahre zu haben. Es hat sich gezeigt: Je mehr Koalitionäre unterwegs sind, desto schwieriger wird es, eine verlässliche und stabile Politik zu machen.

Welche Themen werden Sie 2025 beschäftigen?

Das Thema Haushaltskonsolidierung steht auf Platz eins. Aber wir werden natürlich auch unsere begonnenen Projekte weiterführen. Im Januar entscheidet der Kreistag über den Planungsauftrag für das neue Bevölkerungs- und Katastrophenschutzzentrum. Zudem möchten wir den Klimamobilitätsplan finalisieren und arbeiten intensiv an der Digitalisierung, um für die Bürgerinnen und Bürger einfachere Wege für ihre Anliegen zu ermöglichen.

Vielen Dank für das Gespräch.

 
 
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