Mit Judith Rosmair und Dominique Horwitz "Fräulein Julie" in Bietigheim

Von Michaela Glemser
Judith Rosmair und Dominique Horwitz in „Fräulein Julie“ auf der Bühne des Kronenzentrums. Foto: Martin Kalb

Judith Rosmair und Dominique Horwitz begeistern mit „Fräulein Julie“.

Während Kritiker bei der Uraufführung von August Strindbergs naturalistischem Trauerspiel „Fräulein Julie“ im Jahr 1889 von dem Bühnenwerk als einem „Misthaufen“ sprachen, gab es für die Aufführung des Renaissance Theaters Berlin in Zusammenarbeit mit dem Studio Landgraf im Kronenzentrum großen Applaus. In dem von Regisseur Torsten Fischer inszenierten Stück konnten die beiden aus Film und Fernsehen bekannten Schauspieler Judith Rosmair und Dominique Horwitz ihr Können vor einem beeindruckenden Bühnenbild voll zur Geltung bringen.

Rosmair und Horwitz ständig in Bewegung

Die Kulisse ist karg, aber bedeutungsvoll. Die weiße Fassade eines Herrenhauses mit imposanten Türen wird von einem Sockel aus Stahl erhöht. Judith Rosmair als Fräulein Julie und Dominique Horwitz als Diener Jean bewegen sich stets auf und ab. Mal befinden sie sich auf einer Ebene am Boden, mal ist einer oben am Herrenhaus, während der andere vor dem Stahlsockel agiert. Dieses stetige Auf und Ab symbolisiert eindrucksvoll die wechselnde Beziehung zwischen Julie und Jean.

Während die Tochter eines Grafen davon träumt, den Käfig ihrer Standesgrenzen zu durchbrechen und zu „fallen“, damit alle Menschen wieder gleich sind, ersehnt der Diener Jean den sozialen Aufstieg. In der Mittsommernacht umgarnt das gräfliche Fräulein den noch zögerlichen, teilweise auch überheblich wirkenden Kammerdiener, der schließlich doch den Reizen von Julie unterliegt.

Doch nachdem beide miteinander geschlafen haben, zeigt der Diener sein brutales, berechnendes Wesen. Obwohl Julie für eine gemeinsame Flucht in die Schweiz den Tresor ihres Vaters plündert, gibt es kein Entrinnen mehr. Jean und Julie bedrohen sich abwechselnd mit einer Pistole, Blut spritzt. Am Ende tanzt das Fräulein wie zu Beginn vor der Herrenhauskulisse im schwarzen Kleid, und auch der Diener Jean hat sein schwarzes Gewand wieder angelegt. Ob das ihr gemeinsamer Tod bedeuten soll, bleibt unklar.

Verstörende Gewaltausbrüche von "Fräulein Julie"

Der Text des Bühnenwerks wurde für die Inszenierung eigens zeitgemäß umgearbeitet. Doch noch immer wird deutlich, warum „Fräulein Julie“ zu Lebzeiten Strindbergs der Zensur unterlag. Verstörend wirken auch heute noch die Gewaltausbrüche in der Liebesbeziehung von Julie und Jean, wenn sie mit ihm mit der Reitpeitsche tanzt oder ihn mit seinem Gürtel würgt und er wiederum sie mit dem Gürtel schlägt oder ihren liebsten Vogel umbringt, dessen Blut an die Wand spritzt. Dieses Spiel mit Nähe und Distanz wird nicht nur mit Licht und Schatten in Szene gesetzt, sondern auch mit den Kostümen der Darsteller. Mal ganz in düsterem Schwarz gekleidet, mal auffällig in goldenem Glitzerkleid oder verführerisch im schwarzen Negligé, mit den Stimmungsschwankungen von Julie und Jean wechselt auch die Atmosphäre auf der Bühne.

Den beiden Schauspielern, auf die das Bühnenwerk im Gegensatz zu Strindbergs Ursprungsstück beschränkt war, gelang es, das Publikum in ihrer fast einstündigen Darbietung zu fesseln und alle Facetten des menschlichen Mit- und Gegeneinanders zum Ausdruck zu bringen. Das lange Warten auf die Aufführung, die ursprünglich schon für 2020 geplant war, aber aus Pandemiegründen immer wieder verschoben werden musste, hatte sich wirklich gelohnt.

Sinnvoll war auch die Einführung in das Stück von Marissa Eisele vom Kulturamt in Bietigheim-Bissingen, die den Zugang zu den Charakteren leichter machte und eine zeitgeschichtliche Einordnung des Werkes erlaubte.

 
 
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