Kabarett Brunsbüttel, Bayern und ein Flüchtling

Von Heike Rommel
Mehr als ein Mikrofon und eine Gitarre braucht Weiherer nicht, um seine Fans zu begeistern. ⇥ Foto: Martin Kalb

Weiherer begeistert im Kleinkunstkeller Bietigheim mit Protestsongs und einem besonderen Sprachkurs.

Servus Bietigheim“: Mit seinem neuen Programm „Im Prinzip aus Protest“ begeisterte der niederbayerische Musikkabarettist Weiherer am Freitag die „Bietigheimer Brunsbüttelerianer“ im Kleinkunstkeller. Sie gehören teilweise zu denen, die wie die halbe Bundesrepublik mittlerweile die Postleitzahl von Brunsbüttel auswendig kennen, um den Datenpool von Super- und Baumärkten mit der 25541 zu verfälschen, nachdem sie mit Weiherer schon vor vier Jahren ihr Vergnügen hatten.

17 Jahre Bühnenerfahrung

Der 39-jährige Protestsänger steht seit 17 Jahren auf der Bühne und stellte im Schwabenland erst einmal sicher, dass er auch richtig verstanden wird. Denn „I red anders wia ihr“, rollte er das bayerische r konsequent überbetont durch das ganze Programm. „Pack‘ mers“, sagte er mit einer gehörigen Portion Selbstironie und kam nicht nur deshalb sympathisch rüber, sondern auch, weil es sich bei ihm um einen bescheidenen, zurückhaltenden Charakter handelt, der seinen Dialog mit der Zuhörerschaft feinfühlig zu gestalten versteht: Weiherer muss man menga (mögen).

„Wer is aus Bietigheim und wer is aus Bissingen“, machte Weiherer die „Lautprobe“ und dabei einen „Franz-Josef-Flüchtling“ aus dem bayerischen Landshut ausfindig, der es nur mit einem Visum zu ihm geschafft hatte und um 24 Uhr wieder daheim sein musste. Auch der Bayer wusste, dass Alexander Dobrindt bei Weiherers letztem Gastspiel in Bietigheim noch Bundesverkehrsminister war und für diesen Job inzwischen „ein noch größerer Vollidiot“ gefunden wurde.

Weiherer setzt nicht auf running Gags, er beweist Ernsthaftigkeit und Tiefsinn wie in dem Song „Scheiße schreien“, den er im Kleinkunstkeller spontan und ohne Setlist einfach singen wollte, auch wenn er eher zu dem „oiden Schmarrn“ als zum neuen Programm gehört. Es ging um Angst, Gewalt, Hass und Menschen ohne Hirn als Themen, die es schon immer gab und immer geben wird.

Instrument als Waffe

Die neue Solo-CD „Im Prinzip aus Protest“ animierte ihn dazu, mit dem Publikum einen Chinesisch-Sprachkurs zu machen, der in das Ergebnis mündete, dass mit diesen Kenntnissen jeder Durchschnittsbayer in China locker durchkäme. Denn aus „meng“ für hell und „ming“ für Traum wurde „Ein Helles wäre ein Traum“. Ein kleiner Ausflug in die Welt der Bühnenpannen ließ den Musikkabarettisten über „Breckl“ aus Erdbeersaft in seiner Mundharmonika zu der Erkenntnis kommen, dass der Auswurf aus der Blues Harp gefährlicher sein kann als Terrorismus und Flüchtlinge.

Mit dem „Hoiz“ (Wald) beschriftet Weiherer aktuell fast genauso viele Fanartikel wie mit der Postleitzahl von Brunsbüttel inklusive Strichcode zum Abscannen auf dem Girlie-Shirt. Seine Bio-Stofftasche namens „Brunsbeutel“ und sein Schafkopf-Spiel mit „Brunskartler“ haben ihm zwar noch keinen Ehrenbürgertitel aus Schleswig-Holstein eingebracht, aber eine Ernennung zum Brunsbüttel-Botschafter.

Umweltschutz, Schützenverein, Oktoberfest, Atomkraft, Flächenversiegelung: Bayern beleuchtete Weiherer aus allen Richtungen. Getreu dem Wunschlied „Original nix passiert“ ist wirklich nichts passiert im Kleinkunstkeller, außer dass die Bietigheimer, die Bissinger und der Bayern-Flüchtling mit Weiherers Aufkleber in die Kirche geschickt wurden, auf dem steht: „Der Papst kann sich an nichts mehr erinnern, Gott sei Dank.“

 
 
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