Kanupolo in Bietigheim-Bissingen Stereotype Parameter spielen keine Rolle

Von Sandra Bildmann
Der Kanu-Club Bietigheim bietet seit Juni auch Kanu-Polo an. Männer, Frauen, Erfahrene und Beginner spielen gemeinsam. Foto: /Oliver Bürkle

Der Bietigheimer Kanu-Club hat seit Juni eine Sparte für Kanupolo und sucht Mitspieler und Mitspielerinnen. Vorkenntnisse sind dabei nicht notwendig; auch das Alter spielt eine untergeordnete Rolle.

Antritt, Pass, Rückpass, Abwurf – dann fliegt der Ball ins Tor und landet einige Meter weiter hinter der Auslinie. „War er drin?“, fragt jemand aus der Mannschaft mit den rosa Leibchen. Das Spiel ist schnell, die Perspektive oft verzerrt, ruckzuck geht es hin und her. „Ja!“, ruft es zurück. Kurzes Durchschnaufen. Die Spieler jedes Teams formieren sich zurück auf die Startposition.

Cleverer sein als der Gegner

Dann läuft schon der nächste Angriff: den Zweikampf nicht scheuen, die Lücke suchen, mit technischer Raffinesse und Spielübersicht cleverer sein als der Gegner. Das könnte eine Handballpartie sein. Oder Basketball. Die zwei Mal fünf Sportler aber flitzen nicht über einen Hallenboden. Sie bewegen sich eingekastet im Sitzen auf unruhiger Oberfläche. Sie sind nass – doch sie triefen nicht von Schweiß, sondern von Enzwasser. Diese Outdoor-Aktiven spielen Kanu-Polo.

Seit Ende Juni im Angebot

Seit der Premiere Ende Juni kommen jeden Freitagabend zwischen zehn und 20 Kanuten zusammen und trainieren. Einige paddeln seit Jahrzehnten, andere sitzen zum ersten Mal überhaupt im Boot. Die Jüngsten sind noch keine fünfzehn Jahre alt, andere wiederum beinahe 60.

Sie wuseln durch das Wasser, motivieren sich, lernen voneinander und haben gemeinsam großen Spaß. Männer und Frauen. Stereotypische Parameter spielen hier keine Rolle. Jeder wird eingebunden – unabhängig von Vorerfahrungen und Leistungsvermögen.

Als der passionierte Kanu-Polo-Spieler John Gassenmeier vor etwa einem halben Jahr von Stuttgart nach Bietigheim-Bissingen zog und feststellte, dass es im hiesigen Verein trotz dessen Größe und professioneller Struktur keine Sparte für Kanu-Polo gibt, war ihm klar, dass er das Angebot auf den Weg bringen möchte. Dem Club gefiel die Idee, man erweiterte das vereinseigene Equipment um die für Polo unverzichtbaren Helme mit Gitterschutz. Gespielt wird derzeit in Wildwasserbooten – noch.

Vielleicht gibt’s bald Polo-Boote

Sollte sich die Disziplin etablieren, könnten spezielle Polo-Boote angeschafft werden, hoffen Gassenmeier und seine Mitstreiter. Aktuell rekrutiert die Gruppe ihre Mitspieler nicht nur aus dem eigenen Verein. Gäste von Kanu-Clubs aus Vaihingen und Stuttgart ergänzen das Team. Großer Wunsch aller Beteiligten ist aber, Neugier zu wecken – auch bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die bislang noch keine Berührungspunkte mit dem Kanu-Sport hatten.

Gibt es die ultimative Zielgruppe? „Handballer mit kaputten Knien“, antwortet Gassenmeier mit zwinkerndem Auge. Denn für den Job im Boot sind wurf- und zweikampfstarke Typen im Vorteil; Belastbarkeit und Fitness braucht es aber nur von der Hüfte aufwärts. Das Spiel erfordert wendiges Umschalten, schnelle Reaktionsfähigkeit, Orientierung und einen technisch flexiblen Umgang mit Boot und Paddel. Wer das nicht hat, der kann es beim Kanu-Polo-Training schulen. Da sich die Bietigheimer Truppe im Aufbau befindet, erprobt Leiter John Gassenmeier unterschiedliche Übungen und Trainingsabläufe.

Spaß und Effektivität

Er achtet darauf, dass Spiel, Spaß und Techniktraining in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, denn hinter dem Vergnügen steht der Anspruch, das Niveau kontinuierlich zu steigern.

An zwei Schnüren befestigt hängen die Tore wie große Bilderrahmen in rund zwei Metern Höhe. Das Team mit den rosa Leibchen ist am Drücker. Ein Zuspiel ist unpräzise – der Ball platscht wenige Zentimeter neben dem Boot ins Wasser. Es spritzt in alle Richtungen. Beim Versuch, ihn mithilfe des Paddels zu greifen schaukelt das Kanu bedrohlich. Dank der Spritzdecke gelangt kein Wasser ins Innere – aber das Runde hat sich längst die gegnerische Mannschaft geschnappt und setzt an zum Torabschluss.

In letzter Sekunde reckt einer sein Paddel in die Höhe. Torwurf geblockt. Der Ball klatscht ab und fällt einem Spieler im Getümmel in die Hände. Zum Durchschnaufen ist diesmal keine Zeit.

 
 
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