Klassik in Bietigheim Höhepunkte der deutschen Romantik

Von Dietmar Bastian
Die Jenaer Philharmonie bei ihrem Auftritt am Donnerstagabend im Bietigheimer Kronenzentrum. Foto: Werner Kuhnle

 Eine klangkräftige Jenaer Philharmonie und zwei glänzende Solisten sorgten mit Werken von Brahms und Mendelssohn für ein eindrückliches Erlebnis im Kronenzentrum.

Wer gerne erleben möchte, wie es sich anfühlt, quasi mittendrin in einem großen Sinfonieorchester zu sitzen, ist im Kronensaal genau richtig. Wem dagegen das Aufbrausen eines voll besetzten Klangapparates wie der Jenaer Philharmonie zu laut ist, sollte auf deutlich größere Konzertsäle, zum Beispiel die Stuttgarter Liederhalle, ausweichen.

Die Wiedergabe des großartigen Doppelkonzerts für Violine, Cello und Orchester in a-Moll von Johannes Brahms und der dritten Sinfonie „Schottische“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy durch die Gäste aus Thüringen und die Solisten Lena Neudauer (Violine) und Julian Steckel (Violoncello) stellte vor allem die dramatische Kraft und Brillanz der Werke heraus, weniger deren innig-intimen Passagen. Manches hätte vom Orchester zurückgenommener musiziert und klanglich besser austariert werden können, trotz des kleinen Konzertsaales, vor allem in Brahms‘ Riesenopus.

Bravorufe und Applaus

Auch bei der Intonation und Präsenz der Bläser stand nicht alles zum Besten. Doch dem Publikum im leider nicht vollbesetzten Kronenzentrum gefiel es. Bravorufe und lautstarken Applaus gab es sowohl nach Brahms‘ Doppelkonzert als auch nach Mendelssohns genialer Sinfonie. Doch der Reihe nach:

Johannes Brahms‘ selten gespieltes Doppelkonzert in a-Moll op. 102 für Violine und Violoncello steht strukturell in der Tradition des italienischen Concerto grosso. Concertino- beziehungsweise Solo- und Tuttipassagen wechseln einander ab. An musikalischen Schönheiten und genialen Einfällen ist das dreisätzige Konzert ebenso reich wie die übrigen, viel populäreren Brahmskonzerte. Das Publikum verfolgte am Donnerstagabend hochkonzentriert die herrlichen Dialoge von Solovioline und Solocello, die häufig imitatorisch angelegt sind. Wunderschöne Kantilenen und Kadenzen in der gleißend hohen Geigenstimme und im sonor-rauen Cello verfehlen ihre Wirkung bis heute nicht.

Die Zurückhaltung gegenüber diesem 1887 komponierten Werk erklärt sich durch die Schwierigkeit der Ausführung: Die Solisten müssen bestens aufeinander eingespielt sein, was im schnelllebigen Konzertbetrieb nicht so leicht zu bewerkstelligen ist. Vielleicht erklärt sich das routinierte und beseelte Zusammenspiel Neudauers und Steckels in Bietigheim wenigstens zum Teil damit, dass beide eine Professur an der Hochschule für Musik und Theater München innehaben und deshalb häufiger musikalisch zusammenfinden?

Kantige, vorwärtsdrängende Ecksätze und ein liedhaftes Andante voller Erfindungsreichtum und sorgfältig auskomponierter Binnendifferenzierung machen dieses Konzertstück zu einem beglückenden Hörerlebnis. Leider verließen die vom Publikum begeistert gefeierten Solisten ohne Zugabe die Bühne.

Hochdramatischer Zugriff

Nach der Pause folgte Mendelssohns „Schottische“, seine vielleicht bedeutendste Sinfonie, die Simon Gaudenz vom Pult aus mit einem ebenso hochdramatischen Zugriff leitete. Kontrastierende, weichere Nebenthemen und rhythmische Eigenwilligkeiten gelangen Gaudenz, der seit 2018 Chefdirigent des Orchesters ist, bei Mendelssohn noch besser als bei Brahms. Das Werk ist nicht programmatisch komponiert, sondern überlässt die Zuordnung der Musik zu Schottland, seinen Menschen, Landschaften, Küsten und Städten ganz der Imagination des Zuhörers. Balladenhafte Themen, eine Sturmschilderung und düster-mystische Stimmungen begünstigen freilich Kopfbilder eines nordischen Sujets. Anhaltender Applaus und begeisterte Bravorufe führten am Ende zu der gerne angenommenen Zugabe von Mozarts Ouvertüre zur Oper „Die Hochzeit des Figaro“.

 
 
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