Zwei Geschäftsreisende in der Badewanne. Weihnachten mit Marschmusik. Dem Papst seine Herrenboutique in Wuppertal. Das exakt nach Gefühl gekochte Vier-ein-halb-Minuten-Ei – ein flüchtiges, doch dafür umso wirkungsvolleres Denkmal setzen die fünf Darsteller mit „Loriots dramatische Werke“ dem namensgebenden Tausendsassa und Erschaffer doppelbödiger Sketche. Nun zu erleben in der Komödie im Marquardt in Stuttgart.
Komödie im Marquardt Herzhaft lachen mit Loriots beliebtesten Figuren
„Loriots dramatische Werke“ werden derzeit und noch bis zum 12. Mai in der Komödie im Marquardt in Stuttgart aufgeführt.
Karriere beginnt als Statist
Der als „Loriot“ bekannte und in Ammerland geborene Vicco von Bülow begann nach dem Gymnasium in Stuttgart als Statist in der Staatsoper, machte später Fernsehkarriere beim Süddeutschen Rundfunk. Arbeitete als Autor, Regisseur, Sänger, Synchronsprecher, Cartoonist, Moderator und Trickfilmer. Seine Sketche, Wim und Wendelin als Pausenfüller, die Knollennasenmännchen – an Loriot kam man bald nicht mehr vorbei. Er war schnell Teil der deutschsprachigen Nachkriegskultur, ähnlich wie das Sandmännchen oder der VW-Käfer. Prägte Jahrzehnte. Eine Mopsstatue ziert noch (und nach Diebstahl wieder) den Eugensplatz vor seinem damaligen Stuttgarter Wohnhaus.
Kaum ein deutscher Komiker hat es geschafft, die Fallhöhe so genussvoll auszuloten wie Vicco von Bülow. Ihm und seinen Protagonisten sah man den Komiker eben nicht an. Sie traten nie als typische Witzfiguren auf wie Otto Waalkes oder Dieter Hallervorden. Ganz im Gegenteil, repräsentieren sie Vorzeigebürger: die beanzugten Herren streng gescheitelt, die adretten Damen allesamt modisch onduliert. Nur um dann mit ernstem Gesicht dermaßen abgefahrenen Stuss von sich zu geben, immer schön Alltagsfloskel an Alltagsfloskel aneinanderreihend, dass es kein Halten gibt.
Fünf Darsteller in Loriot-Rollen
Einfach zum Knutschen: die fünf Darsteller in der Komödie im Marquardt in den Loriot-Rollen. Gideon Rapps fahrig exaltierender Reich-Ranicki. „Dieses Buch sollte in keinem Bücherrrschrrrank fehlen“, preist er schnarrend einen Fahrplan an. Magdalena Flades Fernsehansagerin, die so oft übers englische „th“ stolpert, bis sie wimmernd von der Bühne flüchtet. Rupert Hausners Worthülsen zelebrierender Bundestagsredner. Maja Müllers Frau Hoppenstedt und ihr verzweifelter Versuch eines harmonischen Weihnachtsabends ohne Marschmusik und Atomsprengung.
Dass Loriots Sketche völlig zeitlos – und in der zweiten Auflage an der Komödie im Marquardt sogar noch besser sind, zeigt jetzt die erweiterte und nach Corona wiederaufgenommene Version unter Catja Baumanns Leitung. Baumann inszeniert hier ein durchchoreografiertes Chaos. Als Vorgeschmack laufen zwischen den Nummern schon mal vorab die Figuren aus späteren Sketchen durchs Bild. In mehreren Anläufen versucht Magdalena Flade sich in der Inhaltsangabe zur englischen Krimiserie in „North Cothelstone Hall von Lord und Lady Hesketh-Fortescue“. Oder die Darsteller trippeln auf dem rollbaren Sofa sitzend angestrengt in die Bühnenmitte, anstatt es einfach dorthin zu schieben. Kurzweiliger waren Bühnenumbauten selten kaschiert.
So einfach Loriots Sketche auf den ersten Blick auch wirken: Meist haben sie mindestens einen doppelten Boden. Man kann das „Jodeldiplom“ allein für die absurde Idee eines solchen Abschlusses feiern (es gibt ihn wirklich; einfach mal googeln), sich darüber beäumeln, wie der Dozent seine erwachsenen Schüler einzelne Silben nachsprechen lässt und oberlehrerhaft korrigiert. Der Kern der Gesellschaftskritik, und den arbeitet die aktuelle Stuttgarter Produktion heraus, tut sich auf, wenn eine Jodelschülerin und Hausfrau gegenüber einem Reporter betont, dass sie mit dem Jodeldiplom „etwas in der Hand“ habe, für wenn die Kinder dann aus dem Haus sind.
Loriot als Frauenrechtler
Nur, um von ihrem Gatten verdrängt zu werden, der stolz wie Bolle ins Mikro prustet, wie wichtig ihm das sei. Viktor von Bülow als Frauenrechtler.
2011 ist Vicco von Bülow gestorben. Er hatte sich schon 2006 aus dem Fernsehgeschäft verabschiedet, mit der Begründung, humoristische Qualität sei da nicht mehr zu schaffen. Schade. Wir wüssten zu gern, was er zum Beispiel von der Genderdebatte hielte. Womöglich hätte er einige Sketche umbenannt, etwa in „Kosak:innenzipfel“ oder das „Jodler:innendiplom“. Hollera-dudödl-di. Patricia Fleischmann