Konrad Kujau Interesse am genialen Fälscher ist immer noch groß

Von Uwe Mollenkopf
Nach seiner Haftstrafe verkaufte Konrad Kujau ganz offiziell seine Fälschungen. So versteigerte er auch Werke für den guten Zweck beim Ingersheimer Amselfest. Das Bild zeigt ihn im Juli 1992 mit einem nachgemalten Dali-Gemälde. Foto: Helmut Pangerl

Heute vor 20 Jahren ist Konrad Kujau gestorben. Der Mann, der dem Stern die Hitler-Tagebücher unterjubelte, lebte seit 1981 in Bissingen.

Marc-Oliver Boger, der in der Bahnhofstraße 55 in Bissingen ein Museum aufgebaut hat, ist in Sachen Konrad Kujau ein gefragter Mann. Ende letzten Jahres war er bei der RTL-Sendung „Kitsch oder Kasse“ mit einem Kujau-Bild eingeladen, die New York Times hat bei ihm schon als Kujau-Experten angefragt, und auch beim Stern war er zu Gast – dem  Magazin, bei dem Kujau seinen größten Coup landete, indem er ihm mehr als 60 gefälschte Hitler-Tagebücher für mehr als neun Millionen Mark über den Reporter Gerd Heidemann verkaufte. Kurz: Das Interesse an dem Fälscher, der seit 1981 in Bissingen wohnte und am 12. September 2000, also vor genau 20 Jahren, an einem Magenkrebsleiden starb, ist nach wie vor groß.

Zuletzt mussten Kujau-Interessierte allerdings etwas darben. Coronabedingt hatte Bogers Kujau-Kabinett, das sich nur rund 700 Meter entfernt vom Reihenhaus im Friederikele 10 befindet, in dem Kujau mit seiner Lebensgefährtin Edith Lieblang lebte, seit März geschlossen. Am Sonntag soll es indes wieder losgehen, unter Corona-Auflagen. Dann wird Boger wieder seine Kujau-Schätze präsentieren, die einen umfassenden Einblick in das Schaffen des gebürtigen Sachsen geben – Geschichten hinter den Fälschungen inklusive.

Sogar eine Fälscher-Werkstatt gibt es in dem Museum, in der zu sehen ist, wie Kujau arbeitete. Titel: „Wie man mit Handwerk und Wissen Experten hinters Licht führt“. Das Ende 2017 eröffnete Kujau-Kabinett hat als Einrichtung, in der es ausschließlich um dessen Werke geht, ein Alleinstellungsmerkmal.

Der Mann, der mit seinen Hitler-Tagebüchern und dem dadurch ausgelösten Skandal bundesweite Bekanntheit erreichte, wurde am 27. Juni 1938 im sächsischen Löbau geboren. Von Zeitzeugen sei glaubhaft überliefert, dass der spätere Meisterfälscher bereits in der DDR sein bemerkenswertes Talent der Unterschriftenfälschung in bare Münze umsetzte, weiß Boger, der für sein Museum auch eine Online-Kujau-Biografie zusammengestellt hat.

Darin ist auch zu erfahren, dass dieser als 19-Jähriger mit dem Gesetz in Konflikt kam. Den Ermittlungen wegen Diebstahls eines Mikrofons im Wert von 40 Mark habe er sich 1957 durch Verlegung seines Wohnsitzes nach Westberlin entzogen. Vier Jahre später habe er erstmals auch in der Bundesrepublik Deutschland vor Gericht gestanden. Das Schöffengericht Stuttgart verurteilt ihn wegen gemeinschaftlichen schweren Diebstahls.

Haft in Fuhlsbüttel

Konrad Kujaus künstlerische Ausbildung sei nicht glaubhaft zu belegen, meint Boger, da die Informationen hierzu meist aus seiner eigenen Feder stammen. Sein Markenzeichen sei es gewesen, dass er Dinge, nach denen er als Antiquaria-Händler von Kunden gefragt wurde, einfach selbst herstellte, erzählt Boger. Er sei auch ein guter Menschenkenner gewesen: „Bei gut angezogenen Kunden stieg sofort der Preis.“

Seinen „künstlerischen Durchbruch“ hatte er alias „Fischer“ dann 1983 mit der Veröffentlichung der Hitler-Tagebücher im Stern. Er wurde, nachdem das Ganze aufgeflogen war, zu 780 Tagen Haft verurteilt, die er in der Justizvollzugsanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel absaß. Die Original-Gefängniszellentür befindet sich heute in dem Bissinger Museum. Dahinter hat Boger Kujaus gefälschte Hoheitszeichen des Dritten Reichs gepackt.

Nach der Haft fälschte Kujau weiter, doch jetzt verdiente er mit offiziellen Plagiaten legal viel Geld. Aber auch für soziale Projekte fälschte er. So versteigerte er  „echte“ Kujaus beim Ingersheimer Amsel-Fest, wo ein Dali 3000 Mark erbrachte. Bis zu seinem Tod war er eine bekannte Größe in den Etablissements der Stuttgarter Altstadt, und auch in den Lokalen seines Heimatorts Bietigheim-Bissingen war er ein häufiger Gast.

Gefälschte Urkunde

Auch 20 Jahre nach Kujaus Tod werden immer wieder Kujau-Werke am Kunstmarkt angeboten. So präsentiert Boger bei der Wiedereröffnung am Sonntag mehrere Neuerwerbungen. Darunter ist ein Rembrandt, den Kujau Mitte der 80er-Jahre angefertigt hat. Inklusive eines Risses, der gemacht wurde, um eine Restauration vorzutäuschen, und einer gefälschten Expertise auf der Rückseite.

Ebenso hat Boger eine rote DDR-Mappe neu in seiner Sammlung, darin die gefälschten Unterschriften des Parlamentarischen Rates. Sie stammt aus den Beständen von Gerd Heidemann, der dem Stern die Hitler-Tagebücher besorgte. Typisch für Kujau war, dass er eine, im Nachhein haarsträubende Geschichte über die DDR-Herkunft der Fälschung erfand. Tatsächlich seien solche Mappen in der DDR massenweise für Sporturkunden verwendet worden, erzählt Boger schmunzelnd über den mit allen Wassern gewaschenen Fälscher.

Info  Das Kujau-Kabinett in der Bahnhofstraße 55 in Bissingen hat sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet vier Euro, Kinder bis 14 Jahre zahlen zwei Euro. Für Gruppen werden Führungen außerhalb der Öffnungszeiten angeboten.

 
 
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