Kontaktstüble in Marbach Großes Entsetzen: Landkreis will bei Treffpunkt für seelisch Kranke sparen

Von Christian Kempf
Menschen, die ein seelisches Leid plagt, können im Kontaktstüble Anschluss finden. Foto: dpa/Fabian Sommer

Der Landkreis Ludwigsburg stellt offenbar fürs Kontaktstüble in Marbach zunächst kein Personal mehr zur Verfügung. Doch die Besucher wollen das nicht klaglos hinnehmen.

Viele Haushalte der öffentlichen Hand sind in einem desolaten Zustand. So klafft auch beim Landkreis Ludwigsburg eine gewaltige Lücke im Etat. Mit einer dicken Streichliste soll nun entgegengewirkt werden. Das hört sich alles ziemlich abstrakt an – solange man nicht selbst betroffen ist. Ganz praktisch hat das aber zum Beispiel für das Marbacher Kontaktstüble Auswirkungen. Die Anlaufstelle für Menschen mit seelischen Leiden hängt am Tropf des Landkreises – und gehört zu den Leistungen, bei denen der Rotstift angesetzt werden soll.

Entsprechend groß ist die Sorge bei den Besuchern, die immer dienstags von 10 bis 13 Uhr im DRK-Heim am Leiselstein in der Nähe des Schulzentrums zusammenkommen. „Zunächst hatte es geheißen, dass das Kontaktstüble nur noch alle zwei Wochen stattfindet. Dann war die Rede davon, dass das Angebot sogar ganz eingestellt werden soll. Wir waren entsetzt“, sagt Ninetta Sedita, die selbst zu den Stammgästen gehört.

Sie und die anderen Besucher wollten sich aber nicht kampflos ihrem Schicksal ergeben, starteten eine Unterschriftenliste und wandten sich am 4. Februar mit einem Schreiben direkt an den Landrat Dietmar Allgaier. „Das Kontaktstüble ist ein fester Bestandteil in unserem Leben. Wichtig für die psychisch Kranken, für eine geregelte Tagesstruktur. Für Einsame und Ältere oft die einzige Möglichkeit, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen“, heißt es in dem Brief an den Chef der Kreisverwaltung. In dem Treffpunkt seien Freundschaften geschlossen und anschließend gepflegt worden. „All dies ist wichtig für unsere psychische Gesundheit. Aus diesen Gründen ist es für uns sehr wichtig, dass dieser Treffpunkt weiterhin wöchentlich besteht“, schreiben die Besucher.

Foto: Archiv (Simon Granville)/ 

Die Antwort von Dietmar Allgaier vom 17. Februar konnte ihre Bedenken jedoch nicht aus der Welt schaffen. Leider befinde sich der Landkreis „in einer akuten finanziellen Notlage“, konstatierte Allgaier. Das Landratsamt müsse deshalb vor allem „seine freiwilligen Angebote prüfen und damit verbundene Personalkapazitäten gegebenenfalls anderweitig einsetzen. Dies betrifft auch die gemeindepsychiatrische Grundversorgung und damit leider Ihr Kontaktstüble in Marbach.“

Kreishaus-Pressesprecher Andreas Fritz bekräftigte Ende vergangener Woche, dass es zu „Einschränkungen von freiwilligen Leistungen und zu Einschnitten bei Standards kommen“ werde. „Ob und wie davon auch das Kontaktstüble in Marbach betroffen ist, wird derzeit geprüft“, erklärt Fritz. In einer Sondersitzung Ende Juli werde der Kreistag über ein Aufgaben- und Sparpaket entscheiden.

Landkreis will sein Engagement offenbar im April beenden

Rainer Bauer, Geschäftsführer der Diakonischen Bezirksstelle Marbach, ist jedoch überzeugt davon, dass man das Angebot bis dahin nicht aussetzen sollte. „Es geht doch um die Menschen. Und wenn die merken, dass sie die Verlierer sein werden und es keine Kontinuität gibt, sind sie weg“, erklärt er. Und der Bezirksstelle als Kooperationspartner des Landkreises beim Thema Kontaktstüble sei klar kommuniziert worden, dass für den Treffpunkt zum 1. April kein Personal mehr zur Verfügung gestellt werde – die Anlaufstelle also de facto auf Eis gelegt wäre.

Foto: Archiv (Werner Kuhnle) / 

„Aus dem Grund haben wir beschlossen, den Treffpunkt jetzt selbst zu betreuen und mit Ehrenamtlichen am Leben zu halten“, sagt Bauer. „Ich weiß nicht, ob das klug ist, weil wir den Landkreis damit aus der Verantwortung entlassen. Aber wir können die Betroffenen nicht im Regen stehen lassen“, erklärt Bauer. Die Besucher könnten im Kontaktstüble ein Gemeinschaftserlebnis erfahren, zusammen etwas unternehmen, zum Beispiel im Verbund Mahlzeiten zubereiten.

Besucherin: wir brauchen die Hilfe des Landkreises

All das wird nun unter der Regie der Bezirksstelle weiter möglich sein. Rainer Bauer hofft jedoch, dass der Landkreis den Posten nicht aus dem Haushalt streicht und wieder ins Boot kommt. „Meines Erachtens ist das auch keine Freiwilligkeitsleistung. Der Landkreis hat schon auch die Aufgabe, solche niedrigschwelligen Angebote im psychiatrischen Bereich zu unterbreiten“, sagt er. Ninetta Sedita würde es auch sehr begrüßen, wenn der Landkreis sie und die anderen Besucher nicht im Stich lässt. „Wir würden uns alle wünschen, dass ein Mitarbeiter vom Landratsamt vor Ort ist. Es geht ja auch darum, dass jemand zum Beispiel dabei hilft, Formulare auszufüllen“, erklärt sie. Ein Thema, das über die Diakonische Bezirksstelle nicht zu lösen sei.

 
 
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