Konzert in Häfnerhaslach Musik dringt tief in die Herzen ein

Von Heike Rommel
Von links: Natalie Chee (erste Geige), Emily Körner (zweite Geige), Paul Pesthy (Bratsche) und Elena Cheah (Cello) spielten die Charaktere von Felix Mendelssohn-Bartholdy Foto: /Oliver Bürkle

Das „Hegel-Quartett“ machte mit Kompositionen von Mendelssohn-Bartholdy, Korngold und Rósza Kammermusik in der Kirche.

Tief in die Herzen dreier jüdischer Komponisten ließ das Stuttgarter „Hegel-Quartett“ am Samstagabend in der Häfnerhaslacher Sankt-Remigius-Kirche blicken. Natalie Chee (erste Geige), Emily Körner (zweite Geige), Paul Pesthy (Bratsche) und Elena Cheah (Cello) spielten die Charaktere von Felix Mendelssohn-Bartholdy - Miklós Rósza und Erich Wolfgang Korngold - beim zweiten Konzert der „Klanglese Kirbachtal“ treffend heraus.

Der Konzertverein Kirbachtal hatte ein volles Haus, als die Kammermusiker „Wege nach Hollywood“ einschlugen – in ein Programm, das jüngst mit dem deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet wurde. Mendelssohn hat es zwar nur bis nach Großbritannien geschafft, aber wegen dessen „Sommernachtstraummusik“ fuhr Korngold zum ersten Mal nach Amerika, um diese als Filmmusik zu verarbeiten. Nach Hitlers Anschluss Österreichs gab es für ihn keine Rückkehr mehr. Wie der Ungar Miklós Rósza schrieb er in Amerika Filmmusik, konnte jedoch die klassische Musik ebenfalls nicht loslassen.

Eines der besten Streichquartette der Welt

Wie verliebt der junge Mendelssohn in Betty Pistor war, die sich am Ende mit einem anderen verlobte, durften die Konzertbesucher im Es-Dur-Streichquartett, von seinen Freunden auch „Quartett aus BP-Dur“ genannt, mitfühlen. Die zu Mendelssohns Zeit sehr populäre Canzonetta in diesem Stück, das als eines der besten Streichquartette der Romantik gilt, lag den Streichern in den Ober- und Unterstimmen, die einander paarweise ablösten.

Auch im langsamen Satz zeigte sich, wie gut das „Hegel-Quartett“, dessen Mitglieder sich im SWR-Symphonieorchester kennengelernt haben und seit 2015 in gleicher Besetzung auftreten, aufeinander eingespielt ist. Über den drei Unterstimmen en bloque konnte die erste Geigerin ihre ganze Brillanz entfalten.

Reizvoll in der Verbindung ungarischer Einflüsse mit spätromantischer Sinnlichkeit erklang in der Kirche Sankt Remigius das erste von zwei Streichquartetten des in Budapest geborenen Miklós Rósza, einem der berühmtesten Filmkomponisten Hollywoods. In der dem Schauspieler Peter Ustinov gewidmeten Komposition zeigten die Instrumentalisten interessante Wendungen in der Harmonik, wobei auch so mancher Anklang an impressionistische Stücke wie die von Béla Bartòk oder Claude Debussy zu hören waren.

Lautstarker als die Glocken ging es ins Finale

Gekonnt ging der Cellist im ersten Satz mit der ersten Geigerin in einen sich steigernden Dialog. Kurze Bogenstriche bewältigten die Violinistinnen im zweiten Satz absolut synchron. Streich- und zupftechnisch sowie im Flageolett perfekt führten sie das Cello in ein brummendes „Lento“, zu welchem um 18 Uhr aus Versehen die Kirchenglocken läuteten, was das „Hegel-Quartett“ jedoch nicht davon abhielt, lautstarker als die Glocken ins Finale zu gehen. Dafür erntete es frenetischen Applaus.

Mit „Wiener Schmäh“ hatten der Vorsitzende des Konzertvereins Kirbachtal Till Breitkreutz und dessen künstlerischer Leiter Marcus Caratelli nicht zu viel versprochen, als sich das „Hegel-Quartett“ mit dem zweiten, noch in Österreich geschriebenen Streichquartett von Erich Wolfgang Korngold beschäftigte.

Cheah bearbeite ihr Cello mit geschlossenen Augen leidenschaftlich. Melancholisch, herzzerreißend und bildhaft kamen leichte Anklänge an die Walzer von Johann Strauss II und an die Lyrik von Richard Strauss in reizvollem Kontrast zu Korngolds Neigung, an die Grenzen der Tonalität zu gehen. Als hätte der Komponist das Unheil der Machtübernahme durch die Nazis geahnt. Im Walzersatz kamen fast bittere Untertöne und vom Publikum dafür stehende Ovationen.

 
 
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