Kreis Ludwigsburg Barrierefreies Laden nur selten möglich

Von Martin Hein
Die Ladesäulen Foto: /Oliver Bürkle

Mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw sollen bis 2030 in Deutschland unterwegs sein. Dazu braucht es eine entsprechende Ladeinfrastruktur. Dabei hat man bisher das Thema Barrierefreiheit kaum berücksichtigt.

Rund 1,46 Millionen Elektroautos sind derzeit auf Deutschlands Straßen unterwegs. Ob vollelektrische Fahrzeuge oder Plug-In-Hybrid-Autos, alle haben eines gemeinsam: Sie müssen regelmäßig einen Ladepunkt ansteuern, um aufzuladen. Zum 1. Januar dieses Jahres waren in Deutschland insgesamt 123.449 Ladepunkte für Elektrofahrzeuge in Betrieb. Im Vergleich zum Januar 2023 ein Zuwachs von stolzen 40 Prozent. Stand April 2023 gibt es knapp 16.000 öffentliche Ladepunkte in Baden-Württemberg.

Im Koalitionsvertrag 2021 hat die Landesregierung bis 2030 insgesamt zwei Millionen private und öffentlich zugängliche Ladepunkte als Ziel formuliert. Alle öffentlichen Ladepunkte und Schnellladesäulen sollen einheitlich zugänglich gemacht werden. In Siedlungs- und Gewerbegebieten soll außerdem der nächste öffentlich zugängliche Ladepunkt fußläufig erreichbar, die nächste Schnellladesäule maximal fünf Kilometer entfernt sein. Aktuell geht die Landesregierung von einem Bedarf von etwa 60.000 bis 100.000 öffentlich zugänglichen Ladepunkten bis 2030 aus.

Barrierefreiheit kaum beachtet

Ein Thema, das bei der E-Mobilität eine bisher untergeordnete Rolle spielt, scheint das Thema Barrierefreiheit zu sein. Der spontane Gedanke, dass Ladesäulen an sich barrierefrei sind, ist ein großer Trugschluss. Die BZ hat sich die Situation im Kreis angeschaut.

Schwierigkeiten bekommen Rollstuhlfahrer bei vielen Ladesäulen bereits auf dem Weg dorthin. Poller vor E-Ladestationen sollen als Rammschutz die Ladesäule schützen und sind vorgeschrieben. Allerdings stellen sie für Rollstuhlfahrer die erste Hürde auf dem Weg zum Ladepunkt dar. Wenn dann die Ladesäule noch hinter einem Bordstein steht, ist sie für Rollstuhlfahrer nahezu unerreichbar.

Ist die Ladesäule frei zugänglich, droht für Menschen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, neues Ungemach. Das Display an der Ladesäule ist so angebracht, dass jemand, der davorsteht, problemlos die Anweisungen und Infos ablesen kann. Auch die Ladesteckdose ist gut erreichbar – wohlgemerkt, wenn man davorsteht. Für jemanden, der im Rollstuhl sitzt, sind die Bedienelemente zu hoch, und unter Umständen ist das Display im Sitzen kaum ablesbar.

Dass Rollstuhlfahrer wesentlich mehr Platz zwischen den Fahrzeugen benötigen, versteht sich von selbst, wird jedoch bei den Ladesäulen in der Regel ebenfalls nicht berücksichtigt. Ein bis anderthalb Meter gelten als Richtwert, damit Rollstuhlfahrer sich halbwegs zwischen Fahrzeugen bewegen können. Bei fast allen Ladesäulen wird dies ebenfalls nicht berücksichtigt.

Das Problem: Es gibt bisher, mit Blick auf Barrierefreiheit, noch keine einheitlichen Gesetze und Normen für Elektromobilität und die dazugehörige Ladeinfrastruktur (siehe Infobox). Letztendlich sind Rollstuhlfahrer, die ein E-Auto haben, auf eine eigene Wallbox zuhause angewiesen. Die BZ hat bei Anbietern und Stadtwerken nach vorhandenen und barrierefreien Ladesäulen angefragt.

Größtes Schnellladenetz

Die EnBW legt den Fokus auf den Ausbau und Betrieb der öffentlichen Schnellladeinfrastruktur an Fernverbindungen, in Städte und beim Handel, sagt Pressesprecher Heiko Willrett, zuständig für Vertrieb und Elektromobilität bei der EnBW. Derzeit betreibt die EnBW laut Willrett das mit Abstand größte Schnellladenetz mit über 5000 Schnellladepunkten an mehr als 1200 Standorten.

Gleichzeitig hat die EnBW rund 1400 Normalladepunkte an über 650 Standorten in Betrieb. In Baden-Württemberg betreibt die EnBW über 800 Schnellladepunkte an rund 300 Standorten und über 1350 Normalladepunkte an rund 640 Standorten. Im Landkreis Ludwigsburg sind an zehn Schnellladestandorten 28 Schnellladepunkte in Betrieb. An weiteren 26 Standorten betreibt die EnBW laut Willrett 52 Normalladepunkte. Bis Spätherbst plant die EnBW an zwei neuen Schnellladestandorten acht weitere Schnellladepunkte in Betrieb zu nehmen, und zwar je vier in Schwieberdingen und Großbottwar. Beim weiteren Ausbau lege man großen Wert darauf, auch barrierefreies Laden zu ermöglichen, so Willrett.

79 EnBW-Ladesäulen barrierefrei

Aktuell sind 79 Ladesäulen an EnBW-Ladestandorten barrierefrei. In der EnBW-App „mobility plus“ können sich laut Willrett die Kunden barrierearme Ladestationen anzeigen lassen.

Die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen (SWBB) betreiben laut Gruppenleiterin Ute Grothe, derzeit an 21 Standorten insgesamt 106 Ladepunkte. Davon sind fünf Ladepunkte beziehungsweise drei Ladesäulen Schnelllader. 98 Ladepunkte sind im Stadtgebiet von Bietigheim-Bissingen, zwei Standorte mit sechs Ladepunkten sind in Sersheim, und ein Standort mit zwei Ladepunkten betreibt die SWBB in Oberriexingen. Im vergangenen Jahr verzeichneten die SWBB über 32.000 Ladevorgänge. Die Ladevorgänge nehmen weiterhin zu, jedoch nicht mehr so rasant wie die Jahre zuvor, so Grothe.

Bis jetzt nicht barrierefrei

Bis jetzt sind keine Ladesäulen der SWBB barrierefrei zugänglich, man sei jedoch mit dem Vorstand vom FGO (Fördergemeinschaft der Querschnittsgelähmten in Deutschland) in Kontakt, um dies künftig zu berücksichtigen.

Die Stadt Bönnigheim betreibt laut Fachbereichsleiter Tobias Bergmann in Kooperation mit der EnBW zwei Ladepunkte am Burgplatz. 2023 wurden insgesamt 1403 Ladevorgänge getätigt, dies entspreche durchschnittlich 3,9 Ladevorgänge pro Tag. Man rechne derzeit nicht mit einer Zunahme der Ladevorgänge. Die Ladesäule ist nicht barrierefrei.

In Sachsenheim sind derzeit sieben Ladestationen und insgesamt 18 Ladepunkte in Datenbanken hinterlegt. Pressesprecher Arved Oestringer weist darauf hin, dass eine Station, an der an zwei Ladepunkten geladen werden kann, von der Stadt Sachsenheim errichtet wurden. In Großsachsenheim ist eine weitere Station mit vier Ladepunkten beim Parkplatz am Hallenbad geplant.

Am Parkplatz bei der Mehrzweckhalle in Kleinsachsenheim sei eine Ladestation mit vier Ladepunkten angedacht, so Oestringer weiter. In Hohenhaslach und Ochsenbach sollen jeweils zwei Ladepunkte errichtet werden. In Hohenhaslach soll die Ladesäule auf dem Parkplatz bei der Kelter, in Ochsenbach am Parkplatz an der Spielberger Straße aufgestellt werden. An der Ladestation am Bahnhof werden laut Oestringer etwa zweieinhalb Ladevorgänge vorgenommen. Seit dem Bau der Ladesäule 2021 zeichne sich ein kontinuierlicher Anstieg der Nutzungsfrequenz ab. Die städtische Ladesäule ist nicht barrierefrei.

 
 
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