Kreis Ludwigsburg: Beamte und Finanz-Investments Greensill: Insolvenz und die Folgen für Kämmerer

Von Claudia Mocek
Seit 2017 gilt die öffentliche Hand als professioneller Anleger.⇥ Foto: Sina Schmidt / dpa

Müssen Finanzbeamte aus betroffenen Kommunen mit Konsequenzen rechnen? Die Juristin Prof. Dr. Gabi Meissner von der Verwaltungshochschule in Ludwigsburg hat die Frage untersucht.

Hat die Insolvenz der Greensill Bank rechtliche Konsequenzen für die Kämmerer von betroffenen Kommunen? Das hat die Juristin Prof. Dr. Gabi Meissner von der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg mit ihrem Kollegen Prof. Dr. Stefan Stehle von der Hochschule Kehl beispielhaft in einem Aufsatz untersucht.

Lag das Thema für Sie auf der Hand?

Prof. Gabi Meissner: Die Idee ist aus einem Einzelfallgutachten entstanden. Daraufhin habe ich mir auch den Arbeitsplatz eines Kämmerers einmal genauer angeschaut. Das ist ein unglaublich spannender Aufgabenbereich, der mit enormer Verantwortung verbunden ist. Ich frage mich da immer: Wer sind die Leute, die so viel Verantwortung übernehmen? Und das, obwohl dieser Beruf nicht speziell ausgebildet wird.

Bei der Greensill Bank waren die Finanzeinlagen der Kommunen ja nicht versichert.

Ja, die Kommunen sind aus der Einlagensicherung herausgefallen. Seit 2017 gilt die öffentliche Hand als professioneller Anleger.

Da kommen die Kämmerer ins Spiel?

Ja, die Kämmerer studieren in der Regel an den Verwaltungshochschulen des Landes in Ludwigsburg oder Kehl Public Management. Sie sind in der Regel nicht speziell darin ausgebildet, Investments in dieser Größenordnung zu schultern. Dies stellt vielmehr nur einen Arbeitsbereich neben vielen anderen dar. Was mich interessiert hat bei diesem Thema, ist das Spannungsverhältnis: auf der einen Seite diese hoch spezielle Aufgabe, für die in anderen Branchen Menschen in jahrelangen Studien zum Spezialisten ausgebildet werden, und auf der anderen Seite die öffentliche Hand, die nach den beamtenrechtlichen Vorgaben auf die sogenannte „Verwendungsbreite“ setzt und vornehmlich Generalisten ausbildet.

Ist das ein Problem, das auf die Kämmerer beschränkt ist?

Bedingt, die öffentliche Verwaltung stellt in vielen Bereichen Menschen an Positionen, für die diese nicht spezifisch ausgebildet sind. Das ist für jeden einzelnen auch eine persönliche Herausforderung. Der Beamtenberuf setzt mit dem Laufbahnprinzip und den Voraussetzungen für die berufliche Weiterentwicklung regelmäßig auf eine Einsatzmöglichkeit in unterschiedlichen Themenbereichen. Es werden Generalisten ausgebildet, die in der Lage sein sollen, sich in unterschiedliche Fachbereiche einer Behörde einzuarbeiten.

Ich bin aber der Meinung, dass die Welt komplex geworden ist, sodass das in mancher Hinsicht nicht mehr so richtig passt beziehungsweise der Ergänzung durch spezifische Fortbildungsangebote bedarf. Aber, um auf den spezifischen Aufgabenbereich zurück zu kommen, einen Investmentbanker als Quereinsteiger in die Verwaltung zu holen, wäre auch nicht ganz trivial. Ohne eine laufbahnqualifizierende Zusatzausbildung würde er sich in der Behördenwelt trotz umfangreicher anlagenspezifischer Kenntnisse nur schwer zurechtfinden.

Vor dem Hintergrund der (finanziellen) Rahmenbedingungen?

Ja, auch. Hinzu kommen aber vor allem die Wirkmechanismen und Voraussetzungen für Stellenbesetzungsverfahren. Diese unterliegen zwar den Vorgaben des Leistungsprinzips nach Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes, allerdings werden diese durchaus auch von „subjektiven Komponenten“ flankiert. Qualitätsstandards im Einstellungsprozess wie es die DIN 33430 vorsieht, sind meines Erachtens nicht durchgängig gewährleistet.

Überdies gilt es, Menschen in diese komplexen Aufgaben systematisch zu entwickeln. Auch im Rahmen der kommunalen Haushaltswirtschaft steigen die Leistungs- und Qualitätsansprüche. Wir haben hier – neben vielen anderen – einen Arbeitsbereich, der hoch komplex ist und Personalressourcen sind knapp. Daher gilt es, Beschäftigte, die in die entscheidenden Funktionen gelangen, systematisch und kompetenzorientiert zu entwickeln. Sie müssen die Chance erhalten, sich hinsichtlich aktueller und künftiger Anforderungen der Gemeinde an den Bereich des Kämmerers zu professionalisieren.

Wie sieht die Rechtsgrundlage aus?

Die fachlichen Vorgaben für die kommunalen Geldanlagen sind eingebettet in die Regelungen des Paragrafen 91 Absatz 2 Gemeindeordnung und des Paragrafen 22 Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO). Insoweit ist einerseits auf ausreichende Sicherheit zu achten, andererseits soll das eingesetzte Kapital einen angemessenen Ertrag bringen.

Überdies gilt es, liquide Mittel für ihren Zweck rechtzeitig verfügbar zu machen und Mittel, die innerhalb des fünfjährigen Finanzplanungszeitraums zur Deckung von Auszahlungen des Finanzhaushalts nicht benötigt werden, anzulegen. Zur Konkretisierung dieser Anlageformen und zum Schutz vor spekulativen Investments sieht Paragraf 22 Absatz 3 GemHVO selbst eine Reihe von Maßgaben vor. Überdies überantwortet er der Gemeinde den Erlass von Anlagerichtlinien, die die Sicherheitsanforderungen, die Verwaltung der Geldanlagen durch die Gemeinde und regelmäßige Berichtspflichten regeln. Alles in allem also gerade in der heutigen Zeit der langanhaltenden Niedrigzinsphase eine spannungsreiche Aufgabe.

Was ist bei Ihrer Untersuchung denn herausgekommen: Hat der Kämmerer aus Baden-Württemberg seine Dienstpflicht verletzt?

Nein, die maßgebenden Dienstvorgaben wurden sowohl hinsichtlich der Aufsichtspflichten in Bezug auf das eingesetzte Personal als auch hinsichtlich der materiellrechtlichen Grundlagen eingehalten. Es hat sich schlicht ein allgemeines Lebensrisiko realisiert.

Lässt sich Ihre Untersuchung auf andere Fälle übertragen?

Nur dann, wenn der Sachverhalt der gleiche ist. Ansonsten ist die beamtenrechtliche Schadensersatzpflicht, die Paragraf 48 des Beamtenstatusgesetzes regelt, in jedem Einzelfall zu prüfen – zum Beispiel daraufhin, welche Vorgaben und Anlagerichtlinien es gab und ob diese transparent gemacht, dokumentiert und vor allem auch eingehalten wurden. Ein zentrales Compliance-Thema. 

Und wie sieht es für Bürgermeister aus?

Auch er trägt entsprechend den Vorgaben der Gemeindeordnung Verantwortung wie der Gemeinderat. Dies bezieht sich sowohl auf die Auswahl des geeigneten Personals als auch auf die einzuhaltenden Anlagerichtlinien, deren Einhaltung auch durch geeignete Kontrollmaßnahmen zu gewährleisten ist.

Das hört sich nach einer großen Herausforderung an.

Ja, zumal der demografische Wandel auch für den öffentlichen Dienst bedeutet, dass qualifiziertes Personal, auch in den Kämmereien, immer schwerer zu gewinnen ist. Er konkurriert hier mit verschiedenen Wirtschaftsbereichen, die alle ein hohes Interesse an „Finanzmanagern“ haben. So lässt sich die Funktion des Kämmers wohl am zutreffendsten beschreiben.

Und es darf letztlich nicht vergessen werden, dass Geldanlagen dieser Art die Verwaltung von Steuergeldern darstellt, die öffentlichen Organe damit also eine Art Treuhandfunktion übernehmen, die eine hohe Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern bedeuten.

Was sind die Lehren aus dem Greensill Investment?

Dies vermag ich nur abzuschätzen, da die Begutachtung sich auf die beamtenrechtliche Haftung im Einzelfall bezog. Vermutlich wird es vor allem für kleinere Gemeinden hilfreich sein, Unterstützung durch die einschlägigen Institutionen wie den Gemeindetag Baden-Württemberg zu bekommen. Denkbar wäre es möglicherweise auch, einen spezifischen Ausbildungsgang etwa in Form eines weiterführenden Kontaktstudiengangs für den Beruf eines Kämmerers zu konzipieren und so spezifisch auf das Aufgabenfeld vorzubereiten.

 
 
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