Ludwigsburger über die Türkei-Wahl „Das war peinlich für Erdogan“

Von Frank Ruppert
Macit Karaahmetoglu. Foto: privat/Stella von Saldern

Der Ludwigsburger SPD-Bundestagsgeordnete Macit Karaahmetoglu über den ersten Wahlgang und die anstehende Stichwahl bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei. Der Erdogan-Kritiker hat die Hoffnung auf einen Machtwechsel noch nicht aufgegeben. 

Am Sonntag fällt in der Türkei die Entscheidung, ob es einen Machtwechsel gibt. In der Stichwahl um das Amt des Präsidenten treten Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan, der die absolute Mehrheit beim ersten Urnengang vor zwei Wochen mit 49,51 Prozent der Stimmen knapp verfehlt hatte, und Oppositionsführer  Kemal Kilicdaroglu (44,88 Prozent) an.

Ein genauer Beobachter der Politik in der Türkei und ausgewiesener Erdogan-Kritiker ist Macit Karaahmetoglu (Foto: Stella von Saldern). Der SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Ludwigsburg wurde 1968 in der Türkei geboren. „Dass Erdogan in der ersten Runde nicht schon gewonnen hat, ist peinlich für ihn“, sagt Karaahmetoglu, der stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe ist. Der Präsident kontrolliere 90 Prozent der Medien des Landes und die Justiz, habe im Wahlkampf gegen seinen Herausforderer Lügenkampagnen mit Fake-Videos gefahren und es dennoch nicht über 50 Prozent geschafft.

In der Region stimmten allerdings 69,5 Prozent der Deutschtürken für Erdogan. Das hat aus Sicht von Karaahmetoglu mehrere Gründe. Nur die Hälfte der Deutschtürken sei wahlberechtigt und auch von denen gingen viele nicht wählen, zudem seien die in Deutschland lebenden Türken überwiegend dem konservativen Wahlspektrum zuzuordnen und sie seien stark von Staatsmedien beeinflusst. Ein Grund sei auch, dass viele Türken sich in Deutschland benachteiligt fühlten und sich Erdogan als starker Mann und Kämpfer für ihre Rechte darstelle.

Karaahmetoglu sieht die Wahl noch nicht als entschieden an, obwohl der Drittplatzierte beim ersten Wahlgang eine Empfehlung für Erdogan aussprach: „Ob alle Anhänger ihm folgen, ist äußerst fraglich“. Karaahmetoglu hofft auf einen Sieg Kilicdaroglus und auf eine Rückkehr der Rechtsstaatlichkeit – auch wenn Erdogan auf dem Papier die deutlich besseren Chancen habe. Dass Kilicdaroglu im Wahlkampf nun auch äußerst nationalistische Töne anschlug und erklärte, er wolle alle Flüchtlinge nach Hause schicken, sieht der Bundestagsabgeordnete als strategische Äußerungen an. Dem Oppositionskandidaten bleibe kaum eine andere Möglichkeit als auch im rechten Lager zu punkten. Gleichwohl mache ihn das bei den eigenen Wählern angreifbar, auch wenn Kilicdaroglu kein Hardliner wie Erdogan sei. Frank Ruppert

 
 
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