Kreis Ludwigsburg Dr. Karlin Stark: „Der Lockdown war eine gute Entscheidung“

Von Frank Ruppert
Dr. Karlin Stark leitete das Landesgesundheitsamt Foto: privat

Vor genau drei Jahren war Karlin Stark, die aktuelle Leiterin des Kreisgesundheitsamts, auf Landesebene an zentraler Stelle tätig. Als Chefin im Landesgesundheitsamt war sie an der Erarbeitung der Maßnahmen gegen die Corona-Ausbreitung beteiligt. Den Lockdown damals sieht sie auch heute noch als notwendig an, andere Maßnahmen würde sie heute so nicht mehr unterstützen, sagt sie im Gespräch mit der BZ.

Wie fällt bei Verantwortlichen im Kreis Ludwigsburg der Rückblick auf den ersten Lockdown aus? Die BZ hat bei Dr. Karlin Stark nachgefragt. Sie war Ende März 2020 noch Leiterin des Landesgesundheitsamts in Stuttgart und damit an noch verantwortungsvollerer Stelle im Kampf gegen das Virus als derzeit als Chefin des Kreisgesundheitsamts. Die Freudentalerin berichtet von lebhaften Erinnerungen an die Zeit, weil es viele neue Problemlagen zu bewältigen galt.  Vor allem galt es Kommunikationswege zu etablieren: „Wir haben wirklich Tag und Nacht, auch an Wochenenden gearbeitet, um Informationen zusammenzuführen. Trotzdem liefen wir der Lage immer ein Stück hinterher“, sagt Stark.

Die Zeit habe sie an ihre persönlichen Leistungsgrenzen gebracht. „Im ersten Lockdown verbrachte ich meine Wach-Zeit weitgehend vor dem PC in Videokonferenzen und bei Recherchen. Ich hatte häufig sieben Videokonferenzen und mehr jeden Tag, oft bis spät abends, auch am Wochenende“, berichtet Stark.

Schlafstörungen wegen der Corona-Bekämpfung

Ihr Schwerpunkt lag darauf, Informationen zu sammeln, zu bewerten, mit den Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren und entsprechend weiterzuleiten. „In dieser Zeit hatte ich erstmals in meinem Leben massive Schlafstörungen und war so fokussiert auf die Probleme durch Corona, dass ich alle anderen Lebensbereiche stark vernachlässigte. Im Nachhinein gesehen, war das für mich persönlich eine gesundheitsgefährdende Gesamtsituation.“

Auf professioneller Ebene bewertet sie die Maßnahmen rückblickend unterschiedlich. Das Handeln der Ministerien auf Landes- und Bundesebene bezeichnet sie als verantwortungsbewusst und angemessen. „Der Lockdown war bei der damaligen Datenlage - mit hoher Sterblichkeit, ohne Impfoption und mit vielen Unbekannten zur Übertragbarkeit und zum Krankheitsverlauf - eine gute und richtige Entscheidung“, erklärt die Medizinerin. Sie ist der Überzeugung, dass das Gesundheitssystem damals ohne den Lockdown tatsächlich kollabiert wäre und es auch hier ähnliche Bilder wie die in Italien gegeben hätte.

Heute würde sie Kitas und Schulen offen lassen

Aber nicht alles würde sie so wie vor drei Jahren wieder machen.

Aus heutiger Sicht und in Anbetracht der Folgeerscheinungen, würde sie die Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen weiter offen lassen. Es seien damals Aspekte, wie der Einfluss auf die Entwicklung der Kinder, zwar auch angesprochen, aber in der Gewichtung der potenziellen infektiologischen Rolle der Kinder untergeordnet worden. „Das war aus damaliger Sicht nachvollziehbar und ich habe das damals auch mit getragen. Heute würde ich mich bei ähnlicher Sachlage klar dagegen positionieren, auch mit dem Wissen, dass dadurch mehr Menschen infiziert werden und schwer erkranken“, sagt Stark.

Eine der Lehren aus der Hochphase der Pandemie sind für die Gesundheitsamtschefin folglich auch, dass nicht nur virologisch und epidemiologische Aspekte beachtet werden müssen, sondern auch andere Bereiche in Entscheidungen eingebunden werden. Zudem habe sie aus der Tatsache, dass während der Pandemie ein großer Teil der Führungskräfte im Öffentlichen Gesundheitsdienst, „wegbrachen“ gelernt, dass die (Selbst-)Fürsorge auch in Krisenzeiten wichtig sei.

Bei einer neuen Pandemie sei man zudem im Kreis besser aufgestellt, was die Kommunikationswege angehe. „Wir können uns schneller und effektiver überregional austauschen“, sagt Stark. Auch habe sich die Stabstruktur bewährt, allerdings würde man zukünftig auch externe Akteure miteinbeziehen. Außerdem würde man in Zukunft mehr reflektieren über die Belastungen derjenigen „auf deren Schultern die Lösungsansätze durchgeführt werden. Hier müssen Hilfsstrukturen greifen“.

 
 
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