Das war wirklich gefährlich damals“, sagt Hubertus Knabe. Der Historiker war als Festredner von einem Forschungskongress aus Budapest angereist. Dort habe er lange mit Miklós Németh gesprochen, so Knabe. Die Entscheidung des damaligen ungarischen Ministerpräsidenten, am 11. September 1989 für ausreisewillige DDR-Bürger die Schlagbäume nach Österreich zu öffnen, setzte die Dynamik in Gang, die in die Wiedervereinigung mündete. Némeths Personenschützer habe diesem nachdem Entschluss zur Öffnung der Grenze geraten, sich bei öffentlichen Reden zu bewegen, um einen Mordanschlag zu erschweren.
Kreis Ludwigsburg “Die Deutschen haben Glück gehabt“
Beim Festakt der CDU zum Tag der Deutschen Einheit zog Historiker Hubertus Knabe eine positive Bilanz der Revolution von 1989 – und fordert mehr Engagement zur Verteidigung der Freiheit.
„Ein erschütternder Moment“
Ein „Opfer, Zeitzeuge und Mahner“ habe man diesmal mit Historiker Knabe für den Festakt gewinnen können, den seine CDU alljährlich zu Tag der Deutschen Einheit ausrichtet, freute sich Rainer Wieland. Der frühere Vizepräsident des Europäischen Parlaments und heutige Vorsitzende des Verbands Region Stuttgart erinnert sich selbst noch gut an 1989: Auf der Rückkehr aus dem Marokko-Urlaub sei er nachrichtenhungrig am Frankfurter Flughafen geradezu „in die Zeitung hineingekrochen“. Als er las, was geschehen war, „ein erschütternder Moment“, so Wieland.
Der Festakt selbst fand, musikalisch umrahmt durch die Jugendmusikschule Ludwigsburg, im Großen Saal des Landratsamts statt. Begonnen hatte er schon um halb zehn mit einem Festgottesdienst des Evangelischen Arbeitskreises der CDU in der Ludwigsburger Friedenskirche
„Wenn man den Verlauf der Geschichte anschaut, kann man viel beklagen, aber die Deutschen haben Glück gehabt“, betonte der Historiker Knabe angesichts der unblutigen Wiedervereinigung. In seiner Festrede unterstrich er mehrere Lehren aus diesem Prozess. Erstens: „Nichts bleibt wie es ist“. Regime verschwänden, auch, wenn man kaum mehr damit gerechnet hätte. „Noch so bewaffnete Regime sind nicht für die Ewigkeit geschaffen“. Das könne beruhigen, allerdings haben „auch Demokratien keine Ewigkeitsgarantien“. Man müsse aufstehen und für sie kämpfen, Rückgrat zeigen: „Man hat nur die Freiheit, die man sich nimmt.“ Zweitens: Der Wert der Freiheit sei ebenfalls eine Lehre aus der Wiedervereinigung. Die Mühe der DDR, die Bürger von der Jugend an zur Treue zur DDR zu erziehen, sie zu ermuntern, andere ans Messer zu liefern – das sei Unfreiheit. Das Grundgesetz stehe dem entgegen. Hier sei der Grundgedanke, dass der Staat die Bürger vor dem Staat schützen müsse. Diese Freiheitsrechte erführen derzeit aber, so Knabe, eine „nachlässige Behandlung“. Der „freie, auch polemische Schlagabtausch“ sei oft nicht mehr gewünscht, „Beschimpfungen von Andersdenkenden“ nähmen zu.
Russland im Blick
Drittens müsse die Freiheit verteidigt werden. „Die Schwäche wird ausgenutzt von anderen Mächten“, ist Knabe überzeugt. „Wir sind bereit dagegenzuhalten“, müsse mit Blick nach Russland die Haltung sein, so der Historiker, der an die „knallharte Politik von Schmidt und Kohl“ gegenüber der DDR erinnerte. „Wenn Sie sich nicht rüsten, laden Sie andere Mächte ein.“
Nicht zuletzt sei auch die freie Marktwirtschaft eine Lehre aus der Wiedervereinigung. „Privateigentum ist Motivation für Innovation“. Das sei schon an der fleißigen Pflege des eigenen Gartens zu sehen, dessen Besitzer aber nie auf die Idee käme, einen öffentlichen Park zu reinigen. Und, wieder auf Ungarn zurückkommend, habe nicht zuletzt Gorbatschow damals bei einem Besuch über das reiche Lebensmittelangebot gestaunt. Das sei dadurch zustande gekommen, dass die ungarischen Bauern neben ihrer Arbeit für die sozialistischen Großbetriebe ein eigenes Stück Land bewirtschaften durften.
Aus der Rückschau auf die Erfahrung lasse sich so eine „Leitschnur für die Zukunft“ entwickeln, schloss Knabe seine Festrede, noch einmal mit der Feststellung: „Wir Deutschen können schon auch stolz sein, dass wir das so gut hinbekommen haben – ohne einen Toten.“