Hier, an diesem Parkplatz hat es angefangen“, sagt René Kriegelstein. Seit 2018 ist der Gemminger Vorsitzender des Vereins der Pilzfreunde Heilbronn. Eine Verbindung zu Pilzen hat der 49-Jährige schon seit seiner Kindheit. „Ich komme ursprünglich aus der Lausitz. Dort war meine Oma oft mit mir Pilze suchen, so kam ich überhaupt dazu“, erzählt er. Er kannte jedoch nur rund zehn Sorten. Vor gut 15 Jahren kamen seine Kinder ganz aufgeregt zu ihm und berichteten von unzähligen leuchtend bunten Pilzsorten, die sie in den hiesigen Wäldern entdeckt hätten. „Pilze, die ich alle nicht kannte“, sagt er und lacht.
Kreis Ludwigsburg Die Hochsaison für Pilze beginnt
Pilzsachverständiger René Kriegelstein ist mit der BZ auf die Suche nach Pilzen gegangen. Der Vorsitzende der Pilzfreunde Heilbronn stellt ein steigendes Interesse an Pilz- und Naturthemen fest.
Daraufhin habe er recherchiert und sei auf den Verein der Pilzfreunde Heilbronn gestoßen und habe an seiner ersten geführten Pilzsuche teilgenommen. Treffpunkt war der Wanderparkplatz beim Natoweg an der L 1110 zwischen Ochsenbach und Eibensbach, an dem er sich mit der BZ verabredet hat. Er wurde prompt Mitglied im Verein, in dem er sich seitdem engagiert. Auch ließ er sich zum Pilzsachverständigen ausbilden.
Ein gutes Pfifferlingsjahr
„Es war ein gutes Pfifferlingsjahr“, sagt Kriegelstein, allerdings habe er Ende Mai eine Herbsttrompete gefunden, die im Sommer definitiv keine Saison habe, normal sei sie von Mitte August bis Ende November zu finden. Der Klimawandel lasse sich auch am Pilzverhalten nachvollziehen. „Die Merksätze von früher haben kaum noch Gültigkeit, weil sich das Wetter so verändert hat.“
Das zeigte sich auch bei der kleinen Pilz-Tour mit der BZ. Die Ausbeute war überschaubar: Einen Wurzelnden Schleimrübling entdeckte Kriegelstein, kleine Halsband-Schwindlinge und einige Schichtpilze. „Das ist das Los des Pilzsammlers, mal hat er Glück, mal nicht“, sagt Kriegelstein und erklärt: „Pilze stellen ab 25 Grad das Wachstum ein. Es gibt nur sehr wenige Arten, die es warm mögen.“ Das jetzige Wetter dürfte dementsprechend einen richtigen Wachstumsschub auch bei den Pilzen im Kreis verursachen. An sich sei die Gegend nämlich durchaus pilzreich.
Er gehe sooft er könne Pilze sammeln, dabei komme es ihm aber nicht zwingend immer darauf an, mit einem prall gefüllten Körbchen nach Hause zu kommen. Die Zeit im Wald, das Beobachten der Tiere und die Kraft, die er durch die Ruhe schöpfe, das sei ihm das Wichtigste. „Wobei ich zumeist schon auch Pilze finde“, ergänzt er schmunzelnd.
Um nicht ganz ziellos nach den Gewächsen mit Hut zu suchen, schaue er online beim „Pilzticker“, einer Plattform, auf der Pilz-Sucher ihre Fundstellen preisgeben. Aber auch die Erfahrung helfe enorm, denn viele Pilze wachsen immer an der selben Stelle, etwa Pfifferlinge, Morcheln oder auch Steinpilze. Wer meint, vor allem im tiefsten Wald viele Pilze zu finden, der irrt. Steinpilze etwa wachsen an lichten Stellen, am Wegesrand, an Schneisen oder an Bächen.
„Saison ist das ganze Jahr über“
Natürlich ist der Herbst die Hochzeit für Pilze, „Saison ist aber das ganze Jahr über“, sagt der Pilzsachverständige. Manche Pilze, etwa der Austernseitling, brauchen den Kältereiz durch Frost sogar, um den Fruchtkörper ausbilden zu können.
Gerade das Ernten von Austernseitlingen bereite Kriegelstein großen Spaß. Diese Pilzart wächst an toten oder geschädigten Buchen. „Ich habe dafür einen bis zu sechs Metern ausfahrbaren Teleskopstab dabei, um die Pilze in der Höhe abkratzen zu können“, erklärt er.
Doch auch für Pilz-Anfänger hat Kriegelstein einige Tipps, wie man richtig loslegt. Das Wichtigste sei erst einmal die Kleidung. „Waldgerechte Kleidung besteht aus festem Schuhwerk, einer langen Hose und Zeckenschutz“, sagt der Waldliebhaber. Dabei haben sollte man ein Körbchen für die Beute – der Pilz-Experte rät von Plastiktüten als Transportmittel dringend ab, da Pilze schnell matschig werden können oder sich gegenseitig eindrecken. Beides führe möglicherweise zu ungenießbaren Lebensmitteln. Am besten reinige man den Pilz noch vor Ort grob. Wichtig sei auch, gleich zu bestimmen, um welchen Pilz es sich handelt, sodass ein potenziell giftiger Pilz nicht bei den Speisepilzen liegt. Zuhause sollten die Pilze dann umgehend gründlich gereinigt werden. Im Kühlschrank halten sie sich ein bis zwei Tage, durch Einfrieren oder Trocknen können sie haltbarer gemacht werden. Für alle Pilze rät Kriegelstein, sie mindestens 15 Minuten abzukochen. Und ganz wichtig: „Ist man sich unsicher, lieber wegwerfen.“
Auch Anfänger sollten sich an der Bestimmung der Pilzart versuchen, bei Unsicherheiten jedoch einen Pilzsachverständigen aufsuchen. Wer vor Ort zuständig ist, kann über die Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGFM) herausgefunden werden, Pilzsachverständige sind dort nach Orten gelistet (www.dgfm-ev.de).
Keine Bestimmung per Foto
„Zur Pilzbestimmung reicht ein Foto nicht aus“, erklärt er in diesem Zusammenhang. Der Sachverständige müsse den Pilz anschauen, an ihm riechen und ihn in die Hand nehmen können, sonst sei eine Bestimmung unseriös. Die meisten Vergiftungen durch Pilze entstünden übrigens durch den Verzehr von zu alten Pilzen, nicht weil man einen falschen Pilz gegessen hat, sagt Kriegelstein. „Pilze enthalten viel Eiweiß. Wenn es warm ist, kippt das schnell.“
Empfehlen kann der Experte geführte Pilz-Touren. Dort lerne man zum Beispiel auch, welcher Pilz mit welchem Baum zusammen wächst. Denn bei vielen Pilzarten, etwa dem beliebten Pfifferling, geht der eigentliche Pilz, das Geflecht aus Pilzfäden im Boden, eine Symbiose mit den Feinwurzeln des Baums ein. Der Pfifferling tritt oft in Kombination mit Tannen auf. Der Birkenröhrling etwa mag, wie der Name schon sagt, die Gesellschaft von Birken; der Butterpilz bevorzugt Fichten.
Neben speziellen Bäumen, deren Gesellschaft bestimmte Pilzarten mögen, sind Pilze auch oft in Kombination mit anderen Pilzen zu finden. Sieht man etwa den Bekanntesten aller Pilze, den giftigen Fliegenpilz, sollte man nicht gleich flüchten. Denn der rote Pilz mit den weißen Punkten ist auch ein Steinpilz-Anzeiger.
Es gibt Regeln, an die sich Pilzsammler halten. So dürfen etwa nicht beliebig viele Pilze aus dem Wald mitgenommen werden – pro Person und Tag sind zwei Kilo erlaubt. Auch erntet man nicht alle Pilze ab, um den Bestand zu sichern. Um dieses Pilzwissen, aber auch allgemein Wissen rund um Wald und Natur auch an die Jüngeren weiterzugeben, hat der Heilbronner Pilz-Verein eine Jugendgruppe gegründet (siehe Infobox). Aber auch Experten wie René Kriegelstein gehen immer wieder auf Schulungen, denn: „Das Thema Pilz ist unerschöpflich“, sagt er. Der Vereinsvorsitzende der Heilbronner Pilzfreunde sieht seit der Corona-Pandemie allgemein auch wieder ein gesteigertes Interesse an Pilzen und insgesamt an Naturthemen. Das lasse sich auch am eigenen Verein ablesen: Alleine zwischen 2018 als Kriegelstein Vorsitzender geworden ist und heute sind 70 neue Mitglieder dazugekommen. Derzeit sind es insgesamt 200 Pilzfreunde, Tendenz steigend.
Jugendgruppe, Pilzausstellung und Naturerlebnistag
Seit 1. September gibt es beim Verein der Pilzfreunde Heilbronn eine Jugendgruppe. Aktuell machen acht Kinder mit. „Wir wollen den Kindern die Natur näher bringen“, erklärt René Kriegelstein, der im Oktober selbst die Prüfung zum Pilzcoach ablegt. Es gehe nicht nur um Pilze, auch das Bestimmen von Bäumen, Insekten und insgesamt Wissen rund um Wald und Natur soll vermittelt werden. Der Verein ist auch Teil des Naturerlebnistags am 22. September im Naturparkzentrum Zaberfeld. Auch richtet er ebendort die Pilzausstellung am 12. und 13. Oktober aus. www.pilzvereinheilbronn.de