Kreis Ludwigsburg „Die Krankenhäuser liegen selbst auf der Intensivstation“

Von bz
Insgesamt fehlen laut Landrat Dietmar Allgaier den Krankenhäusern im Land – dazu gehört auch die Klinik in Bietigheim – in den Jahren 2023 und 2024 1,5 Milliarden Euro Foto: /Helmut Pangerl

Offener Brief von Landrat Allgaier an Landtags- und Bundestagsabgeordnete im Landkreis.

Wegen der dramatischen finanziellen Situation der Krankenhäuser in Baden-Württemberg hat sich Landrat Dietmar Allgaier, gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der Regionalen Kliniken Holding (RKH) Gesundheit, mit einem offenen Brief an die Landtags- und Bundestagsabgeordneten im Landkreis Ludwigsburg gewandt. Darin benennt er konkrete Forderungen wie eine dauerhafte Erhöhung der Krankenausvergütung durch den Bund und ein Nothilfeprogramm des Landes, um die Leistungsfähigkeit und den Fortbestand der Kliniken im Land sicherzustellen.

„Krankenhäuser im Landfehlen Milliarden“

„Die finanzielle Lage der Krankenhäuser im Land und im Landkreis Ludwigsburg ist dramatisch. Deshalb wende ich mich heute mit ebenso großer Sorge wie Dringlichkeit an Sie – in der Hoffnung, dass Sie als Landes- und Bundesabgeordnete positiven Einfluss auf die Entwicklung nehmen können“, schreibt Allgaier in seinem offenen Brief, denn nach seiner Einschätzung lägen bildlich gesprochen die Krankenhäuser selbst auf der Intensivstation. Denn schon seit Jahren stünden sie unter massivem finanziellem Druck. Insgesamt fehlen, so der Landrat, den baden-württembergischen Kliniken in den Jahren 2023 und 2024 mehr als 1,5 Milliarden Euro. Allgaier: „Für 2024 rechnen auch Landkreise, die umfangreiche Strukturentscheidungen wie die Schließung von zwei oder drei Klinikstandorten treffen mussten, mit Defiziten im zweistelligen Millionenbereich.“

Die Landkreise seien von der Unterfinanzierung der Krankenhäuser stark und unmittelbar betroffen, da sie den stationären Sicherstellungsauftrag haben. Schon jetzt zahle ein Großteil der kreiskommunalen Klinikbetreiber hohe Stützungsbeiträge an die Krankenhäuser. Für das laufende Jahr gehen die Landkreise von Unterstützungsleistungen von rund 790 Millionen Euro aus. „Gleichzeitig sind die Landkreise immer weniger in der Lage, die sprunghaft angestiegenen Krankenhausdefizite aus den Kreishaushalten zu finanzieren“, schreibt Allgaier. Ohne Ausgleich der Finanzierungslücken und eine auskömmliche Regelfinanzierung durch Bund und Land drohe die Übertragung der Klinken an private Betreiber. „Dies würde nicht nur der gesetzlich gesicherten Trägerpluralität widersprechen, sondern vor allem auch die Versorgungssicherheit der Bevölkerung gefährden“, befürchtet der Kreischef.

Zwingende Forderungen an Bund und Land

Vor einer dringend notwendigen Krankenhausreform müssten mit Hilfe eines sogenannten Vorschaltgesetzes die finanziellen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Reformprozess geschaffen werden. Ferner sollte der Bund eine belastbare Auswirkungsanalyse seiner Reform vorlegen. Die aktuell geplante Umstellung der Betriebskostenfinanzierung inklusive der Vorhaltefinanzierung wird der Situation in Baden-Württemberg nicht gerecht, weil sie den im Land bereits weit fortgeschrittenen Strukturwandel nicht berücksichtigt, sagt Allgaier. Die Landkreise fordern deshalb zudem die dauerhafte Erhöhung der Krankenhausvergütung um mindestens vier Prozent, damit die Inflation und die Lohnkostensteigerungen abgemildert werden.

Zudem fehle noch immer eine gesetzliche Regelung, die die überdurchschnittlich hohen Personal- und Sachkosten in der Vereinbarung über den Krankenhausgrundpreis berücksichtigt. Dringend notwendig sei auch die Rücknahme der Kürzungen (Fixkostenregelung), die die Bundesregierung vorgenommen hat, und die verlässliche Finanzierung künftiger Kostensteigerungen. Allgaier: „Alle Krankenhäuser, die im Krankenhausplan des Landes aufgenommen sind, haben einen rechtlichen Anspruch auf die Finanzierung ihrer Kosten.“

Das Land finanziere im Krankenhausbereich zwar mehr als andere Bundesländer, decke seit Jahren aber auch nur die Hälfte der notwendigen Investitionsmittel. Auf diese Weise sei mit der Zeit ein großer Investitionsstau entstanden. Vor diesem Hintergrund fordert er dringend „eine deutliche Anhebung der Investitionsförderung“. Die Krankenhaus-Einzelförderung müsse um mindestens 250 Millionen Euro erhöht werden.

Auch eine Erhöhung der Pauschalförderung sei dringend geboten: Sie ist in fast 20 Jahren nur einziges Mal, im Jahr 2012, um zehn Millionen Euro auf 160 Millionen Euro angehoben worden. Das reiche bei weitem nicht aus, um mit der Kostenentwicklung Schritt zu halten. Auch dies habe zu einem erheblichen Investitionsstau geführt und dazu, dass die Träger in Vorleistung getreten sind, um die bedarfsgerechte stationäre Versorgung sicherzustellen. Die kommunale Ebene fordere deshalb schon seit Jahren zurecht eine Erhöhung der Pauschalförderung um 100 Millionen Euro. Allgaier: „Das Land hat die Pflicht zur auskömmlichen Finanzierung der Investitionskosten.“

Nothilfeprogramm dringend notwendig

Gleichzeitig sei ein Nothilfeprogramm dringend notwendig, um noch dieses Jahr die Krankenhäuser finanziell stabilisieren zu können. Für dieses Programm fordert er ein Mindestvolumen von 300 Millionen Euro.

Wegen seiner unzureichenden Betriebskostenfinanzierung trage der Bund die Hauptverantwortung für „die desaströse Finanzlage der Kliniken“. Dennoch kann und dürfe sich das Land nicht hinter der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Betriebsostenfinanzierung verstecken, da es den Kreisen die Pflicht zur Sicherstellung der Krankenhausversorgung übertragen hat. Wenn also der Bund nicht helfe und allein das Land Ansprechpartner der Kommunen für alle finanzverfassungsrechtlichen Angelegenheiten sei, müsse es in die Bresche springen und das akut benötigte Nothilfeprogramm auflegen.  bz

 
 
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