Ein gewisses Maß an Frust haben vermutlich die meisten schonmal verspürt, wenn sie mit den oft langsamen und komplizierte Zahnrädern des öffentlichen Dienstes zu tun haben. Doch immer häufiger entlädt sich dieser Frust in Form von Anfeindungen im Internet gegenüber den Beschäftigten. Das zeigt eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). 38 Prozent der Bediensteten haben demnach direkt oder indirekt Anfeindungen erlebt, 61 Prozent davon leiden deshalb unter emotionaler Belastung, bei immerhin 40 Prozent haben sich die Angriffe demnach negativ auf die Arbeitsleistung und Konzentration ausgewirkt. 13 Prozent haben sogar darüber nachgedacht, aufgrund des Vorfalls die Arbeitsstelle zu wechseln.
Kreis Ludwigsburg Digitale Gewalt gegenöffentlichen Dienst nimmt zu
Immer häufiger werden Mitarbeiter der Stadtverwaltungen in den sozialen Medien angefeindet. Seminare sollen darauf vorbereiten.
„Beschwerdebereitschaft ist höher geworden“
Die Sersheimer Meldestelle Respect der Jugendstiftung Baden-Württemberg, die von der Bundesnetzagentur als vertrauenswürdiger Hinweisgeber zertifiziert ist, erhebt zwar keine Daten zu einzelnen Berufsgruppen, ein allgemeiner Anstieg der eingegangen Meldungen geht es aus der Statistik jedoch deutlich hervor. Gingen 2022 noch 9914 Meldungen über Hasskommentare im Netz ein, waren es 2024 bereits 32.587 oder 89 pro Tag. Im ersten Halbjahr 2025 gingen insgesamt 11.297 Meldungen ein, rund ein Viertel davon wurde demnach als strafrechtlich relevant eingestuft und an das Bundeskriminalamt weitergeleitet.
Auch in Bietigheim-Bissingen stelle man fest, dass sich insbesondere in den Bereichen Bußgeldstelle und Baurecht die Vorfälle digitaler Bedrängung häufen. „Das Anspruchsdenken und die Erwartung von schnellen Antworten auf Anfragen von Bürgern an die Stadtverwaltung ist gestiegen. Die Beschwerdebereitschaft ist höher geworden“, berichtet Presseamtsleiterin Anette Hochmuth auf BZ-Anfrage. Vor allem in Bereichen, in denen gewisse Entscheidungen der Stadtverwaltung unmittelbaren Einfluss auf das tägliche Leben der Bürger haben – darunter neben der Bußgeldstelle und dem Baurecht auch die Kinderbetreuung – werden Ablehnung, Kosten und Verzögerung demnach nicht mehr so einfach wie früher hingenommen.
Seminare zur Resilienzbildung für die Mitarbeiter
Doch an den Mitarbeitern der Verwaltung gehen diese Vorfälle nicht immer spurlos vorbei: „Die Mitarbeitenden in diesen Bereichen sind dadurch zum Teil belastet“, sagt Hochmuth. Präventiv haben die Beschäftigten demnach die Möglichkeit entsprechende Seminare zu absolvieren, um darauf vorbereitet zu werden. Auch werden laut Hochmuth Gespräche mit Betroffenen geführt, um den jeweiligen Unterstützungsbedarf zu ermitteln und entsprechende Angebote anzubieten.
Auch in Sachsenheim beobachte man eine zunehmende Zahl entsprechender Kommentare, die Pressesprecher Arved Oestringer allerdings auf die zunehmende Verstetigung der Online-Kommunikation zurückführt. Extreme Ausschläge habe man demnach nicht zu verzeichnen. Betroffen seien vor allem Personen des öffentlichen Lebens – der Bürgermeister, Vollzugsbeamte oder auch er selbst als Pressesprecher. Oestringer unterscheidet dabei zwischen zwei Arten der Anfeindungen: Jene, die aus einem privaten Interesse erfolgen – etwa weil ein Bürger sich über ein Bußgeld ärgert. Häufiger jedoch beziehen sich solche Nachrichten auf (kommunal-)politische Debatten, zu denen die Schreiber andere Ansichten vertreten. Mitarbeiter der Verwaltung besuchen laut Oestringer deshalb regelmäßig Seminare zur Resilienzbildung, die unter anderem das Thema Konfliktmanagement beinhalten.
Wie umgehen mit Hasskommentaren – Empfehlungen der Meldestelle Respect
Wie Betroffene mit Hate Speech umgehen sollten, hängt laut der Meldestelle Respect stark von der Art der Äußerung ab. Strafbare Inhalte – etwa Volksverhetzung, Bedrohung oder das Verwenden verfassungswidriger Symbole – sollten gemeldet werden, persönliche Anfeindungen, Beleidigungen, Verleumdungen oder üble Nachrede, können nur von den Betroffenen selbst zur Anzeige gebracht werden. „Auch sachlich formulierte Gegenrede kann ein wichtiges Signal setzen. Ziel ist weniger, die Verfasser zu überzeugen, sondern Betroffenen und stillen Mitlesenden zu zeigen, dass Hassrede nicht hingenommen wird“, teilt die Jugendstiftung Baden-Württemberg auf BZ-Anfrage mit. Empfohlen wird dabei, einen eigenen Kommentar zu hinterlassen, um den ursprünglichen Hasskommentar nicht durch eine direkte Antwort noch sichtbarer zu machen.
Auch bestehende Gegenkommentare mit einem Like zu unterstützen oder Betroffenen per Direktnachricht Solidarität zu zeigen, seien Optionen. Wichtig sei dabei grundlegend, die eigene Belastungsgrenze zu kennen. Wer Gegenrede verfasst, könne selbst angegriffen werden. In solchen Fällen helfe Blockieren und bewusster Eigenschutz. „Betroffene sollten sich Unterstützung holen, zum Beispiel beim eigenen Arbeitgeber, speziellen Beratungsstellen oder Freunden/Verwandten, um mit dem Hass nicht allein zu bleiben“, so die weitere Empfehlung.
