Dieser Tag markiert den Beginn eines neuen Zeitalters der Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems. Mehr als 20 Jahre nach der Ursprungsidee wird die ‚ePA für alle’ endlich Realität“, sagte der damals noch amtierende Gesundheitsminister Karl Lauterbach am 15. Januar dieses Jahres, als die Pilotphase für die elektronische Patientenakte (ePA) in Modellregionen startete. Die Krankenkassen haben bis Mitte Februar für alle Versicherten, die nicht widersprochen haben, eine elektronische Patientenakte angelegt. Seit dem 29. April kann die ePA bundesweit von Praxen, Krankenhäusern und Apotheken genutzt werden. Ab 1. Oktober ist die Nutzung der ePA verpflichtend.
Kreis Ludwigsburg E-Akte ja, aber bislang nur theoretisch
Seit 29. April kann die elektronische Patientenakte bundesweit genutzt werden. Aktuell scheitert das im Kreis aber noch an der technischen Umsetzung.
Die BZ hat im Kreis nachgefragt, wie es mit der ePA bislang läuft – die Rückmeldungen zeigen massive Defizite auf. Denn bislang geht im Kreis noch (fast) gar nichts.
Positives zu Beginn: Wer seine eigene elektronische Patientenakte einsehen und verwalten möchte, kann das bereits seit geraumer Zeit. Über die App der jeweiligen Krankenkasse können die erbrachten Leistungen eingesehen werden, inklusive der vom Arzt vermerkten Diagnosen. Auch Krankmeldungen et cetera sind in den Apps zu finden. Patienten können auch selbst Daten in die ePA hochladen. Wer keinen Computer oder Handy hat, kann bis zu fünf Vertreter, etwa Familienangehörige, einrichten lassen.
Problematisch jedoch ist bislang noch das Abrufen der ePA in Arztpraxen, Kliniken, Apotheken. Denn dort hapert es noch an der nötigen Technik.
Nutzung im Landkreis
„Bislang arbeiten wir in der Apotheke noch nicht aktiv mit der elektronischen Patientenakte“, sagt Apotheker Jan Siegel, Inhaber der Apotheke im Buch in Bietigheim-Bissingen, der Palm’schen Apotheke in Freiberg und der Schiller-Apotheke in Marbach auf Anfrage der BZ. Er ist zudem im Beirat des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg für den Kreis Ludwigsburg zuständig. Grundsätzlich halte er die ePA jedoch „für ein wichtiges Tool, das für mehr Sicherheit im Gesundheitswesen sorgen wird.“
Ähnliches weiß auch Dr. med. Carola Maitra, Vorsitzende der Kreisärzteschaft Ludwigsburg, zu berichten: „Nach meinem Kenntnisstand haben die Praxen gerade erst damit begonnen, die technischen Möglichkeiten für die Umsetzung der ePA in Angriff zu nehmen.“ Für eine Bewertung sei es daher noch zu früh.
„Die flächendeckende Nutzung und Befüllung der Akten durch die Leistungserbringer sind erst möglich, wenn diese bundesweit an die neue ePA angebunden sind. Dazu müssen unter anderem die Praxisverwaltungs-Systeme der Arztpraxen ein entsprechendes Update erhalten“, sagt Joachim Härle, Sprecher der AOK-Gesundheitskasse Ludwigsburg-Rems-Murr. Dass die ePA nur theoretisch eingesetzt werden könne, liege jedoch nicht an den Krankenkassen, betont Härle. Die entsprechenden Vorgaben und Prozesse würden von der Gematik (siehe Infobox) verantwortet.
Nutzung in den Kreis-Kliniken
Die RKH-Kliniken sind auf die Nutzung der ePA vorbereitet, teilt Klinikensprecher Alexander Tsongas auf BZ-Anfrage mit. „Wir müssen jedoch noch abwarten, bis der Softwarehersteller unseres Krankenhausinformationssystems die Anforderungen der Gematik GmbH umgesetzt und nach einer Testphase die Freigabe der Software erteilt hat. Nach Freigabe und einer Testphase können wir in den Echtbetrieb gehen“, so Tsongas.
Die Gesamtverantwortung für die Telematikinfrastruktur (TI) trägt nämlich die Gematik GmbH. Sie ist für die technischen Standards und auch die Zulassung und Zertifizierung der Softwarelösungen und Schnittstellen zuständig, mit deren Hilfe sich die Arztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken an die Telematikinfrastruktur anbinden können. „Arztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken müssen dazu kein neues IT-System entwickeln oder einführen, sondern sie können sich mit einem Zusatzmodul zu ihrem bestehenden IT-System an die zentrale Infrastruktur anbinden, sofern dieses die notwendigen Voraussetzungen erfüllt und von der Gematik GmbH geprüft, zugelassen und zertifiziert wurde“, sagt Tsongas. Die RKH sieht die ePA als große Chance, gerade im Hinblick auf die Patientenversorgung und den Austausch mit anderen Gesundheitseinrichtungen und verspricht sich effizienteres Arbeiten.
Flächendeckender Einsatz
Die AOK Ludwigsburg-Rems-Murr empfindet die E-Akte als „zukunftsweisendes Projekt“. „Sie wird die Vernetzung der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen unterstützen und einen echten Nutzen für die Versicherten haben, wenn sie flächendeckend eingesetzt wird“, teilt Härle mit. Insgesamt sei die ePA ein „essenzieller Bestandteil einer zeitgemäßen, digitalen Gesundheitsversorgung in Deutschland.“ Den Weg, die ePA durch die „Opt-out-Regelung“ (Widerspruchslösung) einzuführen, habe die AOK begrüßt. In der Region Ludwigsburg-Rems-Murr sind übrigens 14.386 Widersprüche von AOK-Versicherten eingegangen. Dies entspricht einem Anteil von 4,1 Prozent. Zum Vergleich: Bei der AOK Baden-Württemberg sind es 3,2 Prozent. „Die Löschung einer inzwischen angelegten ePA ist jederzeit möglich“, ergänzt Härle.
Die bisherigen Erfahrungen sprechen laut AOK dafür, dass es verbindliche Fristen und Vorgaben braucht, um bei der ePA-Einführung und Verbreitung schneller voranzukommen. „Das gilt insbesondere für die ePA-Anbindung in den Praxisverwaltungssystemen der verschiedenen Hersteller“, so Härle. Und auch im Hinblick auf die Nutzerfreundlichkeit gebe es keine Vorgaben. Dies sei jedoch ein wesentliches Akzeptanzkriterium für die Arztpraxen.