Die Bilanz des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) für 2024 ist beeindruckend: Rund 100.000 Arbeitsstunden, darunter fast 4000 Einsätze und Sanitätswachdienste sowie über 4100 Einsätze der Helfer vor Ort (HvO), geleistet von den 323 Hauptamtlichen und den 3500 Ehrenamtlichen in den Ortsvereinen, die in der Bereitschaft und dem Jugendrotkreuz sind. Die Zahlen illustrieren die Bedeutung, aber auch die Leistungen des DRK im Kreis Ludwigsburg. Bei der Kreisversammlung am vergangenen Freitag in Hemmingen blickte der Vorstand auf eine in vielen Bereichen gut aufgestellte Organisation – aber auch auf einige Problembereiche, die es in der Zukunft anzugehen gilt.
Kreis Ludwigsburg Gewalt gegen Rettungskräfte „gehört zum Job“
Bei der Kreisversammlung des DRK standen von Finanzierung bis Nachwuchsgewinnung auch einige Probleme im Zentrum.
Die Finanzsituation hat sich seit 2019 deutlich verbessert, sagte Kreisgeschäftsführer Wolfgang Breidbach. 2024 konnte das DRK einen Überschuss von 762.000 Euro erzielen. Das seien aber keine Überschüsse aus Einnahmen. Die Summe komme von den 1,8 Millionen Euro, die von den Fördervereinsmitgliedern beigesteuert werden. Mit dem Überschuss sollen die Altlasten abgebaut werden, noch über fünf Millionen Euro Bilanzverluste hat das DRK. „Wir bauen Schritt für Schritt den Verlust der schwierigen Jahre ab“, so Präsident Gerd Maisch. Das werde aber in Zukunft eher schwerer, weil die klamme Haushaltslage der Kommunen auch auf das Rote Kreuz durchschlägt.
Bei der Finanzierung des Rettungsdiensts sehe man sich mit den Krankenkassen zudem auch „harten Verhandlungspartnern“ gegenüber. Hier habe man „kein kostendeckendes Konzept“, man strebe ein Verhandlungsergebnis an: „das Geld, das wir derzeit für den Rettungsdienst bekommen, reicht nicht aus, ist nicht kostendeckend“, sagte Maisch. Auch wisse man erst seit ein paar Wochen, wie viel Geld man 2025 für den Rettungsdienst von den Krankenkassen bekomme, für 2026 sei der Betrag noch unklar.
Die Finanzierung sei auch bei den Aufgaben, die man für den Landkreis übernehme, etwa bei den Angebote für Senioren und der Integration von Geflüchteten, nach wie vor nicht auskömmlich: das müsse besser werden, sonst müsste der Verband darüber nachdenken, ob die Leistungen noch angeboten werden können, auch wenn sie „in der DNA des DRK steckt.“
Ein weiteres wichtiges Thema, für das der Verband auch schon am Regierungssitz demonstrierte: die sogenannte Helfergleichstellung in Unternehmen: wenn ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr bei der Arbeit zu einem Einsatz gerufen wird, könne er in dem Wissen aufbrechen, dass der Arbeitgeber ihn daran nicht hindern kann und dass er den Gehaltsausfall erstattet bekommt. Ein DRKler habe diese Sicherheit nicht – selbst wenn er zum selben Einsatz gerufen wird. Bisher werde die Gleichstellung durch das Erklären der „besonderen Einsatzlage“ oft schnell ermöglicht, so Maisch. Dies könnte aber durch das neue Katastrophenschutzgesetz infrage gestellt werden, befürchtet er.
Sorgen um den Nachwuchs
„Irgendwann werden wir keine Leute mehr finden, die so enthusiastisch sind“, warnt Maisch. „Es ist schwieriger geworden, Menschen zu motivieren, sich dauerhaft zu engagieren“, weiß er. Mit einer Werbekampagne soll Nachwuchs angeworben werden. Dabei stehe in der Jugendarbeit nicht das Heranführen an die aktiven Einheiten im Fokus, sondern die Vermittlung der Werte des DRK.
An der Spitze des DRK teilt man sich künftig die Aufgaben: Kreisgeschäftsführer Breidbach geht in den Ruhestand. Und nachdem sich der Verband von seinem Mitte des Jahres eingesetzten Nachfolger Alfred Kühn noch in der Probezeit getrennt hatte – „es passte nicht“, so Maisch – wird die Stelle nun bis auf Weiteres von Steffen Schassberger und Till Fröscher ausgefüllt.
Die steigenden Einsatzzahlen sowie die Verringerung der Hilfsfrist von 15 auf 12 Minuten, nach denen die Rettungskräfte vor Ort sein müssen, macht Umstrukturierungen nötig: so soll in Enzweihingen der dortige Rettungswagen nun 24 Stunden im Einsatz sein, ebenso soll in Murr personell aufgestockt werden. Neue Wachen an neuen Standorten sind aktuell jedoch nicht geplant.
Knapp 30 Prozent der Einsätze seien Fehlalarme und Bagatellfälle: etwa wenn sich die Atemnot beim Eintreffen des Krankenwagens als Schnupfen herausstelle. Diese will man künftig zu minimieren versuchen. Zudem gehöre eine enorme Zahl von Übergriffen auf Rettungskräfte mittlerweile zum DRK-Alltag. Das passiere tagtäglich, die Kollegen meldeten es schon gar nicht mehr, und Anzeigen brächten so gut wie nie etwas. „Das gehört zum Job“, so das bittere Fazit des Präsidenten. Erst in der vergangenen Woche sei in Hemmingen ein HvO von einem offenbar berauschten Patienten attackiert worden.
Sicherheit verschärft
Rettungsdienstleiter Till Fröscher gab auch noch Erklärungen zu dem laufenden Prozess um die angehende Notfallsanitäterin, die wegen des Verdachts auf vierfachen versuchten Mord in Untersuchungshaft sitzt (die BZ berichtete): sie soll starke Medikamente in die Getränke ihrer Kollegen gemischt haben. Da es sich bei den Medikamenten nicht um Betäubungsmittel handelte, die auch gar nicht auf den Wachen gelagert würden, unterlagen diese nicht einer speziellen Verwahrungspflichten, etwa dem Verschluss im Tresor. Und da es sich um Mittel handelte, die quasi täglich eingesetzt würden, und die Angeklagte sie wohl in kleineren Dosen über einen längeren Zeitraum aus dem Bestand des DRK gestohlen hatte, sei dies nicht direkt aufgefallen. Man habe aber nachgesteuert, sagte Fröscher, und die Sicherheit an den Standorten verschärft.
