Schüsse und Gewaltdelikte: Wie kann man verhindern, dass Jugendliche schwere Straftaten begehen, weil sie als Mitglied einer gewaltbereiten Gruppe dazugehören wollen? Die Kriminalpolizei Ludwigsburg hat im Rahmen eines Netzwerk-Projekts im Kreis Ludwigsburg 30 Jugendliche und junge Männer im Alter zwischen 15 und 31 Jahren angesprochen (die BZ berichtete), die gefährdet sind, und ihnen Unterstützung angeboten. Die Redaktion hat sich das Projekt noch einmal genauer von Polizeihauptkommissar Chris Hellerich aus dem Referat Prävention erklären lassen.
Kreis Ludwigsburg Hilfe für gefährdete junge Menschen
Die Polizei hat mit 30 gefährdeten Jugendlichen gesprochen und ihnen Hilfsangebote vermittelt.
Über zwei Tage haben im Kreis acht Teams aus zwei Beamten in Zivil, einer aus dem Referat Prävention und einer aus dem operativen Polizeibereich, die jungen Menschen und zum Teil auch ihre Familien aufgesucht. „Die Kontakte waren sehr positiv“, sagte Hellerich. Immer, wenn einer der Jugendlichen angetroffen wurde, sei es auch zu einem Gespräch gekommen: „Wir durften immer in die Wohnung hinein.“ Die Taten der gewaltbereiten Gruppen im Raum Stuttgart seien allen Familien bekannt gewesen. Aber das war nur der Aufhänger für die Gespräche, betont Hellerich. Den Beamten ging es vor allem darum, den jungen Menschen zielgerecht Hilfe bei Problemen in Schule, Job oder Familie anzubieten und auf die unterschiedlichen Unterstützungsangebote hinzuweisen – bevor etwas passiert.
Sachliche Gespräche
Die Präventionsgespräche seien sachlich verlaufen, je nach Alter konnten auch die Eltern einbezogen werden. Die Unterhaltungen, die jeweils über 45 Minuten gedauert hätten, verliefen intensiv, „es kam viel auf den Tisch“, sagte Hellerich. So sei ein Vater, der die Gefährdung seines Sohnes im Vorfeld gespürt hatte, dankbar über die Unterstützung gewesen.
Bei der bisher üblichen so genannten Gefährderansprache steht laut Hellerich die Strafverfolgung im Vordergrund. Es gehe dabei vor allem um das Aufzeigen von strafrechtlichen Konsequenzen. Die neue Form der Prävention sei vielschichtiger konzipiert. Dieser ganzheitliche Ansatz ist aus einer Zusammenarbeit von mehreren Institutionen, Behörden, Sozialberatung, Jugendhilfe und Selbsthilfeorganisationen entstanden, sagte der Polizeihauptkommissar. Denn die 30 Jugendlichen und jungen Männer aus dem Kreis hätten noch keine schweren Straftaten begangen.
Prävention ist schwer messbar
Auch wenn der Verlauf der Gespräche Hellerich begeistert hat: „Der Erfolg von Präventionsgesprächen ist schwer messbar“, weiß er. Doch er bleibt optimistisch. Zum einen hätten viele der angesprochenen Eltern hinter den Gesprächen gestanden. Zum anderen wäre es den Beamten gelungen, die Jugendlichen an Hilfsangebote aus dem Netzwerk weiterzuvermitteln. „Es gibt viel mehr Angebote als man weiß“, ist Hellerich überzeugt: „Man muss sie nur kennen.“ Ob die Jugendlichen diese Angebote dann auch wirklich wahrnehmen und sich dort Unterstützung holen, weiß Hellerich nicht. Das werde seitens der Polizei auch nicht weiter ausgewertet, sagte er. Dennoch will er sich seinen Optimismus nicht nehmen lassen: „Ich habe ein sehr gutes Bauchgefühl.“
Fest steht, dass das Netzwerk aus rund 25 Initiativen, Organisationen und Behörden intensiv im Austausch bleiben möchte, denn davon würden alle profitieren. Ob das Präventionsprojekt, das sowohl zeit- als auch personalintensiv gewesen sei, intensiviert werde und vielleicht sogar in den Polizeialltag übernommen werden kann, soll in Kürze in einem weiteren landesweiten Workshop geklärt werden. Claudia Mocek