Kreis Ludwigsburg Kein Fall ist wie der andere

Von Martin Hein
Die polizeilichen Maßnahmen, wie beispielsweise Suchaktionen, richten sich immer nach den Umständen im konkreten Fall.. Foto: dpa/Uli Deck

Seit einem Jahr sind eine erwachsene Frau und vier männliche Jugendliche im Landkreis verschwunden. Kinder und Jugendliche werden häufiger vermisst gemeldet.

In Baden-Württemberg werden nach Auskunft des Landeskriminalamtes derzeit 1274 Menschen vermisst.

Davon sind 510 Erwachsene, 231 Kinder unter 14 Jahren und 533 vermisste Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren. Allein im Bereich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden, so die Mitteilung des LKA weiter, 317 Jugendliche und 38 Kinder (bis 13 Jahren) vermisst. Soweit die Zahlen auf Landesebene, die erstaunlich hoch sind.

Die BZ hat bei der Polizeidirektion Ludwigsburg und der Kriminalpolizei nachgefragt, ab wann für die Polizei ein Mensch als vermisst gilt, warum manche weglaufen und wie viele Menschen derzeit im Landkreis vermisst werden.

Nach Auskunft von Polizeisprecher Steffen Grabenstein gelten Menschen nach der Vorschriftenlage als vermisst, wenn sie ihren gewohnten Lebensbereich verlassen haben, ihr Aufenthaltsort unbekannt ist oder auch für sie eine Gefahr für Leib und Leben angenommen werden kann.

Bei Minderjährigen wird Gefahr für Leib und Leben angenommen

Nach diesen Kriterien gelten auch Minderjährige als vermisst, mit dem Unterschied, dass bei Minderjährigen grundsätzlich eine Gefahr für Leib oder Leben angenommen werden muss, solange die Ermittlungen nichts anderes ergeben, betont Steffen Grabenstein.

Tatsächlich werden nach Auskunft des Polizeisprechers, häufig Jugendliche vermisst gemeldet. Oft seien es aber auch Senioren, vor allem im Zusammenhang mit Demenzerkrankungen sowie psychisch auffällige Personen.

Gründe, warum Menschen weglaufen, sind aus Sicht der Polizei nicht immer eindeutig. Als typische Gründe zählt Steffen Grabenstein beispielsweise Verwirrung beziehungsweise Krankheit bei älteren Menschen, Stress zu Hause oder in der Schule, oder auch Liebeskummer bei Minderjährigen und psychische Probleme oder auch Suizidankündigungen. Dies seien jedoch alles nur Erfahrungswerte. Feste Kategorien hat die Polizei nicht, „es werden alle Fälle gleich behandelt“, sagt Polizeisprecher Grabenstein.

Kein Fall ist wie der andere, die Polizei reagiert individuell

Dennoch ist kein Fall wie der andere. Nachdem eine Person als vermisst gemeldet wurde, richten sich die polizeilichen Maßnahmen immer nach den Umständen im konkreten Fall. Polizeisprecher Grabenstein weist darauf hin, dass es in einer solchen Situation eine Rolle spielt, wie alt die Person ist, ob sie krank und oder auf Medikamente angewiesen ist. Weitere Faktoren sind die Jahreszeit, Witterungsverhältnisse oder auch den Umständen des Verschwindens.

Erste Maßnahmen, die die Polizei ergreift, sind meistens, so Steffen Grabenstein weiter, Ermittlungen im Umfeld der Person. Weitere Maßnahmen und Ermittlungsmöglichkeiten möchte Polizeisprecher Grabenstein aus polizeitaktischen Gründen nicht nennen. Eine Öffentlichkeitsfahndung komme grundsätzlich auch in Betracht, allerdings meistens zu einem späteren Zeitpunkt, wenn alle anderen Ermittlungsansätze ausgeschöpft seien.

Auf die Frage, ob es Personen gibt, die immer wieder als vermisst gemeldet werden, also womöglich gezielt weglaufen, nennt der Polizeisprecher speziell Kinder und Jugendliche, die häufiger als vermisst gemeldet werden – sogenannte Streuner.

15 ungeklärte „historische“ Fälle im Landkreis

Nach Auskunft der Kriminalpolizei gibt es derzeit 15 ungeklärte „historische“ Vermisstenfälle, bei denen man davon ausgehen muss, dass diese Personen nie mehr auftauchen. Seit rund einem Jahr gelten aktuell eine erwachsene Frau und vier männliche Jugendliche als vermisst.

Vorbeugende Maßnahmen seien im Prinzip nur bei den Menschen möglich, die aufgrund ihres Alters, Verwirrtheit beziehungsweise Krankheit weglaufen und sich damit selbst in Gefahr bringen, sagt Steffen Grabenstein. Meist wohnen diese Menschen in Alters- oder Pflegeheimen und müssten im Extremfall zu ihrem eigenen Schutz auf geschlossene Stationen verlegt werden. Namen- oder Adressetiketten in Kleidungsstücken oder GPS-Sender könnten das Auffinden solcher Menschen erleichtern, die ja nicht absichtlich verschwinden wollen, sondern weglaufen und sich unwillentlich selbst gefährden, erläutert Polizeisprecher Grabenstein. Ab wann die Polizei eingeschaltet werden soll, lasse sich nicht pauschal beantworten, das hänge immer von den Umständen im Einzelfall ab.  

 
 
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