Kreis Ludwigsburg Kinder- und Jugendtelefon sucht Ehrenamtliche

Von Claudia Mocek
Christa Holtzhausen (links), erste Vorsitzende des Orts- und Kreisverbands Ludwigsburg des Kinderschutzbund und Carola Herter engagieren sich beim Kinder und Jugendtelefon (KJT). Foto: /Oliver Bürkle

Die Berater erhalten eine 100-stündige Ausbildung beim Kinderschutzbund. Was man mitbringen muss und wie die Beratungen ablaufen.

Jedes Telefonat ist anders“, sagt Carola Herter. Seit 2015 ist die 36-Jährige ehrenamtliche Beraterin beim Kinder- und Jugendtelefon (KJT) des Kinderschutzbundes in Ludwigsburg, das Teil des bundesweiten Netzwerks „Nummer gegen Kummer“ ist. Unter der Nummer 116 111 können Kinder und Jugendliche in ganz Deutschland mit ihren Sorgen und Nöten montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr kostenlos anrufen und werden von Ehrenamtlichen beraten. Ein Teil der Anrufe landet bei den Beraterinnen und Beratern in Ludwigsburg, die derzeit auf der Suche nach neuen Ehrenamtlichen sind. Eine Ausbildung, die im September startet, bereitet sie umfassend auf die Telefonate vor.

Ob Liebeskummer, Schulprobleme oder Missbrauch: Für Kinder und Jugendliche in einer akuten Krise sei es eine große Hilfe, wenn sie direkt mit jemandem über ihr Problem sprechen können, sagt die erste Vorsitzende des Orts- und Kreisverbands Ludwigsburg des Kinderschutzbundes, Christa Holtzhausen. Für solche Fälle sei das niederschwellige Angebot des KJT genau richtig. „Wichtig ist dabei das aktive Zuhören der Beraterinnen und Berater“, sagt sie. Studien zeigten, dass Missbrauchsopfer sieben bis acht Mal über die Taten sprechen müssten, bevor sie ernstgenommen würden.

Finanzierung übernimmt Verein

Die Ehrenamtlichen in Ludwigsburg betreuen das KJT in zwei Schichten: von 14 bis 17 und von 17 bis 20 Uhr. Wie lange ein Gespräch dauert, entscheiden die Berater abhängig vom Bedarf der Anrufer, erläutert Herter. Telefonate von fünf Minuten bis hin zu einer Dreiviertelstunde kommen vor. Die Anrufer bleiben anonym, bei manchen Gesprächen geben die Berater auch Tipps, an welche Beratungsstelle sich ein Jugendlicher noch wenden kann.

In Erinnerung geblieben ist Carola Herter vor allem der Anruf eines kranken Mädchens, das im Krankenhaus lag. Im Gespräch sei es gar nicht so sehr um die Krankheit gegangen, sondern darum, dass das Mädchen einsam war und keinen Ansprechpartner hatte – das habe sie berührt.

Keine Angst vor einer falschen Reaktion

Angst, im Gespräch falsch zu reagieren, hat Herter nicht. In der Ausbildung, die rund 100 Stunden umfasst und etwa sieben Monate dauert, werden viele Themen angesprochen – von der richtigen Gesprächsführung über die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen bis hin zu Selbsterfahrungen. Viele ältere Menschen seien es zum Beispiel nicht gewöhnt, über Sexualität zu sprechen, erklärt Holtzhausen. Die Schulungen, die ein breites Themenspektrum abdecken – von Essstörungen, Trennungen bis hin zu Suizid – finden ab September über etwa sieben Monate regelmäßig an Montagabenden statt. Darüber hinaus gibt es fünf Treffen an einem Samstag. Fachspezifische Vorträge zum Beispiel von der Polizei, dem Verein Silberdistel und von Sozialarbeitern ergänzen die Schulung.

Die Finanzierung der Ausbildung für zwölf Ehrenamtliche, die insgesamt rund 12 000 Euro kostet, übernimmt der Kinderschutzbund. Im Gegenzug verpflichten sich die Teilnehmer, für zwei Jahre mindestens zwei mal drei Stunden im Monat das KJT-Telefon zu betreuen. Über eine Kaution von 300 Euro, die auch in Raten hinterlegt werden kann, sichert sich der Kinderschutzbund über die Mitarbeit ab.

Viele Scherzanrufe

Schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit, bei der Teilnehmer zwar die Ausbildung genossen hätten, dann aber nicht am KJT mitgearbeitet hätten, machten laut Holtzhausen solche Regelungen nötig. Den Beratern werden auch nach der Ausbildung pro Jahr regelmäßig mehrere Fortbildungen sowie sechs Supervisionen angeboten. „Noch gibt es für die Ausbildung einige freie Plätze“, sagt Christa Holtzhausen.

„Während einer Schicht klingelt das Telefon kontinuierlich“, erzählt Carola Herter. Manche Jugendlichen sprechen ihr Problem direkt an, andere tun sich etwas schwerer damit. „Leider sind auch Scherzanrufe keine Seltenheit“, bedauert Holtzhausen. Rund 75 Prozent fallen darunter, sagt sie. Dann hören die Berater Gekichere im Hintergrund oder jemand bestelle eine Pizza. Der 70-jährigen Vorsitzenden ist es wichtig, dass neue Berater nicht mit falschen Vorstellungen starten.

Angst, in den Gesprächen mit den Jugendlichen und Kindern etwas Falsche zu sagen, hat Carola Herter nicht. Die Ausbildung habe sie gut vorbereitet, mit den Gesprächen wachse auch die Erfahrung. Die regelmäßigen Supervisionen sind für sie wertvoll und helfen dabei, die Telefonate zu reflektieren. Dennoch käme es auch auf den eigenen Anspruch an. „Man muss die eigenen Grenzen achten und die der Jugendlichen“, sagt sie.

Carola Herter empfindet ihren Telefondienst für den Kinderschutzbund nicht als belastend. Eine wesentliche Voraussetzung dafür sei, dass sie die Telefonate in den Räumen des Kinderschutzbund in der Asperger Straße 43 führt – und nicht Zuhause.

Offenheit und Dankbarkeit

Für Christa Holtzhausen, die ihre Arbeit beim Kinderschutzbund mit der Betreuung des Sorgentelefons begonnen hat, steht fest: „Man nimmt für sich auch sehr viel mit: Man lernt zuzuhören und bleibt in Verbindung mit der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen.“ Carola Herter schätzt an der Arbeit den Blick über den eigenen Tellerrand. „Aber man lernt auch, sich abzugrenzen“, sagt sie. Auch wenn es nicht ihre eigene Motivation ist, entwickelt man eine gewisse Dankbarkeit darüber, dass es einem selbst so gut geht.

 
 
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