Wenn Eltern sich im Streit trennen, leiden oft die Kinder. Das neue Hilfsangebot „Kinder aus der Klemme“ der psychologischen Beratungsstelle im Landratsamt Ludwigsburg will Eltern helfen, die trotz bereits bestehender Unterstützung aus dem Dauerstreit nicht herausfinden. Beim ersten Kurs, der im Oktober im Kreis Ludwigsburg startet, gibt es noch wenige freie Plätze.
Kreis Ludwigsburg Kindern aus der Klemme helfen
Damit bei konfliktreichen Trennungen alle an einem Strang ziehen, gibt es ein neues Programm, bei dem Eltern und Kindern in Gruppen arbeiten und auch das Umfeld einbezogen wird.
Kinder in den Fokus
„Konfliktreiche Trennungen sind für Kinder oft eine Riesenbelastung“, sagt die Leiterin der Psychologischen Beratungsstelle im Landratsamt, Katja Bodinek. Als Folge können sie Verhaltensauffälligkeiten entwickeln, Schulprobleme bekommen oder aggressiv werden. Besonders schlimm sei es, wenn sich Kinder für einen Elternteil entscheiden, weil sie den Loyalitätskonflikt nicht mehr aushalten.
Hier setzt das neue Angebot an, das in den Niederlanden entwickelt wurde: Sechs Elternpaare und deren Kinder (ab sechs Jahre) arbeiten begleitet von je zwei Beratern in je einer Eltern- und Kindergruppe an den Themen, die die Trennung mit sich bringt. Auch das Umfeld, etwa Oma und Opa, wird bei einem Infoabend mit einbezogen – damit verletzte Gefühle besser verkraftet werden, die Eltern mit der Vergangenheit abschließen und die Kinder wieder stärker in den Fokus rücken können.
Großer Schritt für zerstrittene Eltern
„Bei den acht Gruppentreffen erfahren die Eltern, dass andere Paare bei der Trennung ähnliche Probleme haben“, sagt Bodinek. Dabei werden unterschiedliche Probleme angesprochen. Die Eltern sollen dabei unterstützt werden, aus verletzenden Kommunikationsmustern auszusteigen und für die Kinder eine gemeinsame Trennungsgeschichte zu entwickeln. „Es ist ein großer Schritt, wenn zerstrittene Eltern ihre negativen Gefühle verstehen und lernen, damit besser umzugehen, um ihren Blick dann wieder stärker auf die Kinder richten zu können“, sagt Bodinek. Eine Entwicklung, die letztlich nicht nur den Kindern helfe.
In der Kindergruppe, die sich parallel zur Elterngruppe trifft, dürfen diese erzählen, was ihnen auf der Seele liegt. Ihnen werden kreative Angebote gemacht. In jeder Sitzung treffen Eltern und Kinder zudem in der 15-minütigen Pause aufeinander.
Eine wichtige Phase findet Bodinek, in der die Kinder ihre Eltern endlich wieder einmal gemeinsam und ohne Streit erleben. Beim sechten von acht Treffen vermitteln die Kinder ihren Eltern mithilfe einer kleinen Präsentation, wie es ihnen geht. „Das macht etwas mit den Eltern“, ist Katja Bodinek überzeugt. Plötzlich würden sie ihre Kinder wieder bewusster wahrnehmen – den Entwicklungssprung, den sie gemacht hätten, oder eine neue Seite an deren Persönlichkeit.
„Ein echter Fortschritt“
Noch gibt es nicht viele Studien zu dem Programm, das es erst seit etwa zwei Jahren in Deutschland gibt. Doch Erfahrungen in den Niederlanden zeigen, dass sich das Konfliktverhalten der Eltern deutlich bessere, was sich stark auf die Kinder auswirke. „Das wäre für viele der betroffenen Familien ein echter Fortschritt“, sagt Bodinek.
Die Leiterin der Psychologischen Beratungsstelle geht davon aus, dass rund fünf Prozent aller Trennungsfamilien nicht alleine aus den Dauerkonflikten heraus finden. Schon jetzt würden sie innerhalb der Trennungs- und Scheidungsberatung fast 80 Prozent des Zeitaufwands in Anspruch nehmen. „Ein Aufwand, der sich lohnt“, sagt sie. Vor diesem Hintergrund bewertet sie das neue Programm als erfolgversprechend, auch wenn es für die Beratungsstelle betreuungsintensiv sei. Denn pro Gruppentreffen werden vier Betreuer benötigt. Die Eltern werden von einem männlichen und einer weiblichen Beraterin begleitet, betont sie.
Auch das Umfeld wird einbezogen
Eine Besonderheit des Programms ist, dass das enge Umfeld der zerstrittenen Familie – Großeltern, Freunde oder Verwandte – bei einem Infoabend einbezogen werden. Alle sollen an einem Strang ziehen, dieses Netzwerk der Familien werde bei anderen Hilfsangeboten oft vernachlässigt, sagt Bodinek. Doch wenn Großeltern, die sich um ihr Kind sorgten, gegen dessen Expartner stichelten, sei das letztlich nicht hilfreich. Gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten und den jeweiligen Tunnelblick aufzugeben, helfe allen Beteiligten dabei, Verletzungen zu verarbeiten und ruhiger in die Zukunft zu schauen.
Die Teilnahme an dem Programm „Kinder aus der Klemme“ ist kostenlos. In einigen Fällen weise das Familiengericht auch auf das Angebot hin. Wichtig für die Teilnahme ist, dass beide Elternteile dieses auch wollen. Katja Bodinek und ihr Team, das sich mit einer Fortbildung auf das Programm vorbereitet, planen, das Programm ein- bis zweimal pro Jahr im Kreis Ludwigsburg anzubieten – um mehr Familien dabei zu unterstützen, dass die Kinder aus der Klemme kommen.