Weitreichende Entwicklungen, so Sabine Conrad, Leitende Schulamtsdirektorin des Staatlichen Schulamts Ludwigsburg, würden ab diesem Schuljahr einen Schwerpunkt der Arbeit an den Grundschulen bilden.
Kreis Ludwigsburg Kompetenztest in der Grundschule
Neben einer Prüfung für die Grundschulempfehlung am Ende der vierten Klasse gibt es weitere Neuerungen, die Schulamtsleiterin Sabine Conrad vorstellt.
Verbindliche Prüfung
Wohl bedeutendeste Neuerung wird der erstmalig durchgeführte, für alle verbindliche Kompetenztest für Viertklässler. Nach Wiedereinführung der Grundschulempfehlung für weiterführende Schulen soll diese nun strukturiert werden und allgemeingültig sein. Genannt wird dies „Kompass 4“. Mit Kompass 4 konnten die Grundschulen im Schuljahr 2023/2024 erstmals freiwillig ein neues und landesweit einheitliches Instrument nutzen, um den Leistungsstand ihrer Schülerinnen und Schüler in Klasse 4 zu erfassen. In diesem Schuljahr wird die Prüfung nun für alle Schulen und Schüler verpflichtend.
Das bedeutet: Für den Besuch des Gymnasiums sind in Zukunft einerseits die pädagogische Gesamtwürdigung der Klassenkonferenz relevant, die vor allem nach den Noten im Schuljahr entschieden wird. Zudem gilt die erfolgreiche Teilnahme an der landesweiten Kompetenzmessung Kompass 4. Dazu finden zentrale Arbeiten wie eine Art Prüfung in den Fächern Deutsch und Mathematik statt und diese sind ausschlaggebend. Falls beides keine Prognose für den Schulerfolg am Gymnasium zulässt, oder die Eltern trotz anderer Empfehlung den Wechsel aufs Gymnasium wollen, wird ein Potenzialtest am Gymnasium gemacht, der dann gilt.
Durch diese Maßnahmen soll vermieden werden, dass Kinder, die den Leistungserwartungen am Gymnasium nicht gerecht werden können, dauerhaft frustriert werden und im schlimmsten Fall die Freude am Lernen verlieren, sagt Conrad. Zwar werden in dem Test am Ende des Schuljahres Kompetenzen abgefragt, aber nicht nur fachlich, sondern darüber hinaus geschaut, ob das Kind in der Lage ist, sein Wissen zu artikulieren.
„Nein, auf diese Prüfung müsse nicht gelernt werden“, sagt Sabine Conrad. Abgefragt würden die Grundrechenarten oder die Lese- und Schreibfähigkeit, „die sich das Kind schon während der vier Jahre Grundschule angeeignet haben muss, in der Prüfung muss es diese Grundlagen nur hervorholen.“ Es sei eher der Umgang mit dem Wissen und der Leistungsstand, die ermittelt werden sollen, so die Pädagogin.
Einige Schulen im Schulamtsbezirk haben den Kompass 4 schon freiwillig durchgeführt und teilten der Schulamtsleiterin ihre Erfahrungen mit. „Es gab gezielte Rückmeldungen, dass es zwar mehr Arbeit für die Lehrkräfte sei, aber diese Arbeit würde sich lohnen, im Sinne des Kindes“, so Conrad. Es finde eine „Versachlichung der emotional geführten Grundschulempfehlungsdebatte“ statt. Sie empfinde es nicht als weitere zusätzliche bürokratische Aufgabe für die Schule. Denn die Lehrer hätten so eine „glasklare Richtlinie“ und seien weniger angreifbar.
Ständige Lernstandserhebung
Neben Kompass 4 finden aber auch in allen vier Grundschulklassen regelmäßig Lernstandserhebungen der Schüler und Schülerinnen durch die Lehrer und Lehrerinnen statt. Diese Erhebungen würden datenbasiert erhoben. „Wenn die Kompetenz wissenschaftlich gemessen wird, kann man Förderbänder besser implementieren und den Kindern das zur Verfügung stellen, was sie brauchen“, sagt Conrad. Sie nennt diese Veränderung „ein strategisches Vorgehen von Diagnose und Förderung zum Wohle des Kindes“. Es ginge darum, nicht einfach Lernstoff abzuarbeiten, sondern ihn entsprechend der Begabungen des einzelnen Schülers zukommen zu lassen.
Neues Sprachförderkonzept
Helfen sollen den Lehrkräften weitere Tools wie „Sprachfit“, einem Sprachförderkonzept. Sprachfördergruppen, die vor allem alltagsbezogen Sprache fördern, sollen künftig verbindlich an den Schulen eingeführt werden für alle Kinder, die bei der Schuleingangsprüfung vor der ersten Klasse Schwächen zeigten.
Dies soll auch laut Conrad perspektivisch gesetzlich verpflichtend gelten. „An der Schuleingangsprüfung nehmen alle schulpflichtigen Kinder teil und hier kann man jedes Kind nach seiner Sprachfähigkeit testen“, sagt sie. Bis zur Einschulung sollen die Kinder dann im letzten Kindergartenjahr und im ersten Grundschuljahr in den sogenannten Juniorklassen unterrichtet werden, die an den Grundschulen implementiert werden. „Es ist viel Bewegung an den Grundschulen, denn je früher Kinder gefördert werden, desto besser ist es“, sagt Conrad.
Einhergehend mit den Veränderungen an den Schulen werde sich auch das Berufsbild des Lehrers mehr und mehr ändern. Bisher habe man die Schule mit der Kontigentstundentafel organisiert und die vorhandenen Stunden mit Inhalten gefüllt. Perspektivisch, so Conrad, müsse die Schule eine ganztägige Bildung- und Betreuungsstelle sein. Schule müsse mehr und mehr Erziehungsarbeit leisten und die Lehrer mehr und mehr Beziehungsarbeit. „Das fängt beim Wortschatz an. Sorgte bisher das Elternhaus dafür, dass der Wortschatz gefüllt wird, muss dies nun die Schule tun“, sagt sie. Die Anzahl der Wörter, die Erstklässler kennen und sprechen können, habe sich in den vergangenen Jahren drastisch verringert. Grund seien das veränderte Freizeitverhalten zuhause, mehr Zeit im Internet, weniger Gespräche und kaum Zeit zum Lesen. „Das müssen wir analysieren und entscheiden, wo greifen wir ein“, sagt Conrad.
Lehrerversorgung ist das Problem
Ein großes Problem sei natürlich die „mit einer heißen Nadel gestrickte“ Lehrerversorgung, die kaum Raum für zusätzliche Aufgaben lässt. „Wir im Schulamtsbezirk Ludwigsburg sind, was den Pflichtbereich, also Deutsch und Mathematik in den Grundschulen betrifft, ausreichend versorgt“, so Conrad. Es könnten auch fast alle Förderbänder für diese beiden Fächer durchgeführt werden, auch AGs fänden statt. Dass es momentan aufgrund von Erkrankungen, wie immer im Herbst, zu Engpässen komme, sei nicht unüblich..
Grundschulprüfung und Juniorklassen zur Sprachförderung
Kompass 4 stellt eine fachlich und qualitativ hochwertige Aufgabensammlung dar und basiert auf bekannten Aufgabenformaten und bildungsplanrelevanten Kompetenzen, erklärt Conrad. Gemeint ist ein neues Aufnahmeverfahren für die weiterführenden Schulen. Die Termine für die zentrale Kompetenzprüfung in den Grundschulen für das Schuljahr 2024/2025 stehen fest: Sie sind am 18. November in Deutsch und am 19- November in Mathematik. Die Fragen wurden vom Institut für Bildungsanalyse Baden-Württemberg zusammengestellt.
Bei der bestehenden Einschulungsuntersuchung (ESU), die verpflichtend für alle Kinder im Alter von viereinhalb Jahren stattfindet, ist ein Spracherhebungstest integriert. Wenn dadurch bei Kindern ein erhöhter Sprachförderbedarf festgestellt wird, ist eine verpflichtende Sprachförderung in Gruppen von durchschnittlich acht Kindern von vier Stunden pro Woche geplant. Sobald das Angebot flächendeckend besteht, soll die Teilnahme daran für die betreffenden Kinder verpflichtend sein. Wenn die Sprachförderung in einer Kita nicht möglich ist , soll sie für Kinder aus verschiedenen Kitas zusammen mit Kindern, die keine Kita besuchen, in Gruppen in Grundschulen stattfinden.
Wenn bei einem zweiten Sprachtest im letzten Kita-Jahr weiterhin ein erhöhter Förderbedarf festgestellt wird, sollen diese Kinder nicht in eine reguläre erste Klasse eingeschult werden. Sie sollen vom Schulbesuch zurückgestellt und in sogenannten Juniorklassen 22 oder eventuell auch 25 Stunden pro Woche Sprachförderung erhalten und in Basiskompetenzen und schulischen Vorläuferfähigkeiten gefördert werden. So soll erreicht werden, dass sie nach dem Jahr in der Juniorklasse erfolgreich in der Grundschule lernen können. Die Juniorklassen werden an Grundschulen gebildet und starten nach den bisherigen Plänen im Schuljahr 2026/2027. Sie sollen die bisherigen Grundschulförderklassen ablösen. Die Juniorklassen sollen in das Ganztagsangebot der Grundschule einbezogen werden.