Kreis Ludwigsburg Krankenhäuser stehen vor „schmerzhafter Konsolidierung“

Von Uwe Mollenkopf
Pflegekräfte bei der Arbeit auf der Intensivstation des Bietigheimer Krankenhauses. Foto: /Martin Kalb

Die Verantwortlichen der Kliniken Ludwigsburg-Bietigheim gGmbH stellten die Bilanz 2023 vor und blickten nach vorn.

Ein letztes Mal präsentierte Professor Jörg Martin (66), der Leiter des Klinikverbunds RKH Gesundheit, am Freitag den Jahresabschluss der Kreiskliniken für das vergangene Jahr gegenüber der Presse. Wie berichtet scheidet Martin als Klinikenchef vorzeitig aus, ein neuer medizinischer Leiter als Teil einer Doppelspitze wurde diese Woche gewählt. Ausgerechnet zum Abschied weist die Ludwigsburg-Bietigheim gGmbH nun einen Rekordverlust von 24,4 Millionen Euro aus, den der Kreis tragen muss. Kalkuliert hatte man mit 12,8 Millionen.

Es sei bedenklich, dass versorgungsrelevante Großkliniken so in die Bredouille geraten seien, erklärte der Kliniken-Chef dazu. Martin und der Kaufmännische Direktor der RKH-Kliniken Axel Hechenberger sahen die Gründe allgemein in einer dramatischen Situation im Klinikenwesen, erkennbar daran, dass inzwischen 85 Prozent der Häuser im Land defizitär seien. „Da ist irgendwas im System nicht in Ordnung“, so der RKH-Chef.

Finanzierungslücke tut sich auf

Laut Hechenberger ergibt sich für die Jahre 2022 bis 2024 eine Finanzierungslücke von sieben Prozent. Um zumindest die preisbedingte Lücke zu schließen, sei ein dauerhafter Inflationsausgleich von vier Prozent nötig. Die ganze Lücke werde man aber nicht schließen können. Daher sei Sparen angesagt, so Hechenberger, aber auch Investitionen dürften nicht unterbleiben, etwa bei Digitalisierung und Infrastruktur. Martin nannte die Zahlen der Ludwigsburg-Bietigheim gGmbH „erschreckend“ und sprach von einer „schmerzhaften Konsolidierung“, die bevorstehe, ohne schon fertige Konzepte zu nennen.

Zu den negativen Zahlen beigetragen habe ein Mangel an Personal, der dazu geführt hat, dass in Ludwigsburg und Bietigheim ein Teil der Betten nicht belegt ist. Sprich: Es wurde weniger Umsatz gemacht, durch die Beschäftigung von Leiharbeitskräften stiegen gleichzeitig die Kosten. Man brauche zwischen 80 und 100 zusätzliche Pflegekräfte, stellte der RKH-Chef fest.

Er kündigte an, dass diesen Juli die Pflegeschule auf das Salamanderareal in Kornwestheim umziehe werde. Dort werde die Zahl der Ausbildungsplätze von 250 auf 300 erhöht, in der Hoffnung, dadurch mehr Pflegekräfte für die Kliniken im Kreis zu gewinnen. Hinzu komme die Anwerbung ausländischer Fachkräfte.

Dass die Ludwigsburg-Bietigheim gGmbH vergleichsweise besonders stark in die roten Zahlen gerutscht ist, liegt laut Martin auch daran, dass sie „ein Gemischtwarenladen“ sei. Das heißt, es werden auch Leistungen angeboten, die unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht rentabel seien.

Besser stellt sich die Lage im Orthopädischen Krankenhaus in Markgröningen (OKM) dar, das nach einem Minus von 1,3 Millionen Euro 2022 im Jahr 2023 wieder ein Plus von 1,2 Millionen Euro erzielte. Auch hier seien die Erlöse allerdings nicht mehr kostendeckend, sagte Geschäftsführer Olaf Sporys, die OKM profitiere aber aufgrund ihrer überregionalen Bekanntheit von einem höheren Anteil an Privatpatienten. Apropos Bekanntheit: Sporys wie auch Martin ärgerten sich darüber, dass der bundesweite Klinikatlas des Gesundheitsministeriums teilweise lückenhaft und falsch sei, was die hiesigen Kliniken betreffe. „Da muss noch erheblich dran gearbeitet werden“, forderte Martin.

Erfolge bei Digitalisierung

Der Kliniken-Chef wies auf viele Zertifizierungen und erfolgreiche Strukturprüfungen an den RKH-Kliniken hin und stellte fest: „Insgesamt haben wir das alles ganz gut hingekriegt.“ Auch beim Thema Telemedizin seien die RKH-Kliniken gut aufgestellt, bei der Digitalisierung laufe es insgesamt ebenfalls gut.

Zentrales Zukunftsthema wird die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angestoßene Krankenhausreform sein, um die es derzeit ein zähes Ringen zwischen Bund und Ländern gibt. Die Reform sei nötig, sagte Jörg Martin, wobei er aber nicht davon ausgehe, dass insgesamt mehr Geld ins System fließe. Bei der Reform sollen die verschiedenen Krankheiten in 65 Leistungsgruppen eingeteilt und festgelegt werden, welches Krankenhaus was anbietet.

Die Bildung von Zentren, die Lauterbach anstrebe, existierten in der Kliniken-Holding durch die Ausdehnung über die Kreisgrenzen hinweg schon, betonte Martin. Durch die beabsichtigte Clusterbildung drohe allerdings die Gefahr, dass das RKH-Territorium zerrissen werde.

Mit sich im Reinen

Es gelte, die Leistungsgruppen auf der Basis eines Medizinkonzepts auszuwählen, Defizite zu korrigieren, Kooperationsverträge zu schließen und die Ambulantisierung voranzutreiben, blickte Martin voraus. Er will dazu die technische Vorbereitung noch abschließen, alles weitere werde dann Sache seines Nachfolgers sein. „Ich bin mit mir im Reinen“, erklärte der scheidende RKH-Chef angesichts der öffentlichen Debatte um seinen vorzeitigen Abschied.

In der Sitzung des Ludwigsburger Kreistags am Freitagnachmittag wurden die Jahresabschlüsse der Kliniken einstimmig beschlossen. Die Entlastung des Aufsichtsrats der Kliniken geschah mit zwei Neinstimmen und vier Enthaltungen.

 
 
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