Kreis Ludwigsburg Krisen belasten Familien

Von Jörg Palitzsch
Den Verein Silberdistel erreichten im vergangenen Jahr 407 Anfragen – ein Zuwachs von 13 Prozent gegenüber 2023. Foto: /Helmut Pangerl

Kritik am anhaltenden Mangel an Therapieplätzen bei niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten.  

Die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisen hinterlassen deutliche Spuren bei Kindern, Jugendlichen und Familien im Landkreis Ludwigsburg. Das zeigen die aktuellen Jahresberichte der Beratungsstellen im Kreishaus, der Caritas und Silberdistel eindrücklich. Die Fallzahl der Ratsuchenden steigt auch im neuen Jahr kontinuierlich weiter an – und mit ihr die Komplexität der Anliegen. Wie stark die Beratung in Anspruch genommen wird, zeigt eine Aufstellung der Psychologischen Beratungsstelle des Landkreises, die im Jugendhilfeausschuss von Simone Ohlandt (Caritas) und Elke Karle (Silberdistel) vorgelegt wurde. So wuchs die Zahl in Bietigheim-Bissingen von 288 Fällen im Jahr 2020 auf 394 Fälle im Jahr 2024. Im Kreishaus stieg sie in der gleichen Zeit von 659 auf 1172 Fälle und in Vaihingen von 179 auf 274 Beratungsfälle.

Mangel an Therapieplätzen

Besonders alarmierend ist der anhaltende Mangel an Therapieplätzen bei Kinder- und Jugendpsychotherapeuten, wie Wolfram Scheffbuch (Linke und Vielfalt) in der Sitzung bemängelte. Dadurch würden die Beratungsstellen überlastet, die zunehmend eine überbrückende Rolle übernehmen, um Wartezeiten auf Therapieplätze abzufedern.

Den Bericht der Silberdistel, die Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Landkreis Ludwigsburg, nahm der Erligheimer Bürgermeister und Kreisrat der Freien Wähler, Rainer Schäuffele, „mit Erschrecken“ zur Kenntnis. Er erhalte Berichte von Übergriffen im Kindesalter und nehme eine deutliche Zunahme wahr. „Und in der Grundschule kann man gleich weitermachen“, so seine Anmerkung. Er hob deshalb die Schutzkonzepte hervor, auch in den Vereinen sei Prävention wichtig. Kritik übte er an den sozialen Medien, die bei der Entwicklung von Kindern und Jugendliche „sehr gefährlich“ seien.

Karin Lakotta von den Grünen sagte, die Missbrauchsopfer würden immer jünger, aber auch die Missbraucher müssten Unterstützung erfahren. Man könne an vielen Stellen sparen, aber bei diesem Thema nicht, so ihr eindringlicher Appell.

Allein die kommunale Beratungsstelle des Landkreises verzeichnete im Jahr 2024 mit 804 zusätzlichen Fällen einen neuen Höchststand – das entspricht einem Anstieg von 54 Prozent innerhalb der vergangenen fünf Jahre. Einen besonderen Zuwachs gab es im Bereich Trennungs- und Scheidungsberatung, der rund ein Drittel mehr Zeit beanspruchte als im Vorjahr. Um dieser Entwicklung zu begegnen, wurden präventive Gruppenangebote gemeinsam mit der Caritas ins Leben gerufen. Für das kommende Jahr sind weitere Programme für hochkonflikthafte Eltern und betroffene Kinder geplant.

456 Familien betreut

Auch die Caritas-Beratungseinrichtung im Landkreis meldet einen wachsenden Bedarf. 456 Familien wurden 2024 betreut, insgesamt 1206 Personen nahmen die Angebote wahr – ein Plus von 17 Prozent bei den geleisteten Beratungsstunden im Vergleich zum Vorjahr. Besonders auffällig ist die intensive Arbeit mit Jugendlichen. Um tragfähige Beziehungen aufzubauen, sei ein deutlich höherer zeitlicher Einsatz notwendig, erklärten die Fachkräfte. Gerade pubertierende Jugendliche bräuchten verlässliche Erwachsene, die ihnen zuhören und Orientierung geben – etwas, das im familiären Alltag häufig zu kurz komme.

In der Beratungsstelle Silberdistel stiegen 2024 sowohl Anfragen als auch Fallberatungen erneut. Mit 407 Anfragen wurde ein weiterer Höchststand erreicht – ein Zuwachs von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Kinderschutzberatungen sowie die Bearbeitung von Übergriffen unter Kindern verharren seit 2022 auf hohem Niveau. Zudem wachse die Nachfrage nach Präventionsangeboten, insbesondere zum Thema Schutzkonzepte in Vereinen und der offenen Kinder- und Jugendarbeit.

Deutlich wurde, dass die Beratungsstellen einen unverzichtbaren Beitrag zur sozialen Daseinsfürsorge im Landkreis Ludwigsburg leisten. Man werde die Wertschätzung der Arbeit durch aktives Handeln begleiten, so Landrat Dietmar Allgaier.  Jörg Palitzsch

 
 
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