Kreis Ludwigsburg Künstliche Intelligenz: Chance oder Risiko?

Von Claudia Mocek
Daten sind das Rohöl des 21. Jahrhunderts, sagt Kevin Lin. Foto: /2022 Porsche Consulting Magazin/Marco Proscha

Warum KI-Experte Kevin Lin von Porsche Consulting nicht glaubt, dass Menschen generell durch Maschinen ersetzt werden.

Künstliche Intelligenz: Wo liegen Chancen, wo Risiken? Die BZ hat den KI-Experten Kevin Lin von Porsche Consulting befragt.

Wird KI kurzfristig überschätzt, langfristig unterschätzt?

Kevin Lin: Ja, viele Manager glauben, dass KI ein Wundermittel ist. Aber das ist sie nicht. Aus meiner Sicht ist sie eher ein Siegel, das besagt: Meine Daten sind so gut, dass ich sogar KI darauf anwenden kann. Laien fragen immer nach dem Algorithmus. Die Experten fragen: Wie gut sind Deine Daten?

Wie viele Unternehmen nutzen KI?

Große Unternehmen wie Porsche setzen sie schon viel ein, zum Beispiel im Vertrieb. Dort hat man viele Kundendaten, die man mithilfe der KI auswerten kann, um Produkt- und Servicequalität weiter zu steigern. Allerdings gibt es in vielen Unternehmen und Verwaltungen noch große Herausforderungen. Das betrifft die Grundlagen für KI-gestützte Lösungen.

Wie müssen die Daten aufbereitet sein, um KI nutzen zu können?

Sie müssen einheitlich und gut strukturiert sein. Diese Basis zu schaffen, ist oft ein undankbarer Job. Jeder sollte das eigentlich einmal machen. Denn dann weiß man, wie aufwendig es ist, das Regelwerk und die Systeme zu entwickeln. In der Wirtschaft wird gerne gesagt, dass Daten das Öl des 21. Jahrhunderts sind. Experten sagen: Ja, aber es ist nur das Rohöl.

Wird das Thema Datengrundlage im Mittelstand offensiv angegangen?

Manche Unternehmen sind innovativ unterwegs und wollen die Digitalisierung angehen. Das heißt aber noch nicht, dass sie das auch erfolgreich hinbekommen. Andere gehen davon aus, dass sie KI noch nicht brauchen, weil ihre Prozesse überschaubar sind.

Bei welchen Prozessen ist der Einsatz von KI überhaupt sinnvoll?

Wenn Prozesse sich oft wiederholen, repetitiv sind, mit festen Regeln und klaren Entscheidungskriterien funktionieren, dann kann man KI einsetzen. Es lassen sich viele Vorgänge automatisieren, aber die Frage ist am Ende: Was priorisiere ich und was muss ich zunächst implementieren?

Dazu müssen Unternehmen zunächst eine Bestandsanalyse machen und schauen, womit die Mitarbeitenden die meiste Zeit verbringen. Dann muss man fragen, ob das Aufgaben sind, die für die persönliche Entwicklung der Leute erfüllend sind. Wenn man diese Arbeiten tatsächlich automatisiert, können die Menschen stattdessen die Jobs machen, in denen sie besonders gut sind – vor allem Interaktion mit anderen Menschen. So kann KI auch beim Bürokratieabbau helfen. Wenn Fachkräfte mit hoher Kompetenz von repetitiven Routineaufgaben entlastet werden, gewinnen sie Zeit für Aufgaben, die ihre individuellen Fähigkeiten erfordern.

Vielen Menschen macht KI Angst, ist sie berechtigt?

Bei der Angst spielt die Überschätzung von KI eine große Rolle. Ist ein gutes Verständnis dafür vorhanden, lassen sich Folgen besser abschätzen. Durch Aufklärung und Weiterbildung werden Ängste am besten abgebaut. Es geht darum, wie wir die Leute einbinden. Ich glaube nicht, dass Menschen generell durch Maschinen ersetzt werden. Jobs werden durch Jobs ersetzt. Die Menschen werden immer eine Rolle spielen. Manche Tätigkeiten werden umgestaltet. Mitarbeitende bekommen technologische Unterstützung und können sich mehr auf die Aufgaben fokussieren, für die sie speziell qualifiziert werden.

Wir binden die Kollegen in der Modellierungsphase von KI immer mit ein, damit sie die Logik kennenlernen und die Modelle durch ihr Expertenwissen optimiert werden. So funktionieren sie deutlich besser, als wenn man die KI trainiert, ohne dass die Menschen eingebunden waren. Das erhöht die Akzeptanz für KI.

Muss die Entwicklung der KI stärker kontrolliert werden?

Die Gefahren gehen heute nicht von der Forschung oder der Entwicklung aus, sondern von der Anwendung. Wenn wir uns das automatische Erstellen von Texten durch ChatGPT anschauen, ist der Effekt sehr beeindruckend. Aber die meisten Leute wissen nicht, dass es sich dabei lediglich um ein Sprachmodell handelt und nicht um ein Wissensmodell. Nur weil jemand hübsch formulieren kann, heißt das nicht, dass inhaltlich alles Gold ist, was er sagt. Die Gefahr ist aber groß, dass Menschen an die Qualität der Substanz glauben. Deswegen muss man beim Anwender ein Verständnis dafür schaffen, um die Angst auf der einen Seite oder die Faszination des ChatGPT-Hypes auf der anderen Seite besser einordnen zu können.

Wann wird KI eine größere Rolle spielen können?

Deutsche Unternehmen können oft noch sehr gut ohne KI exportieren, zum Beispiel im Maschinenbau. Irgendwann werden aber Wettbewerber kommen, die durch die Digitalisierung entweder eine bessere Technologie haben, oder deutlich effizienter sind oder schnellere Entwicklungsgeschwindigkeit erreichen. Wenn das die Existenz von Unternehmen bedroht, dann glaube ich, dass es zu einem sehr schnellen Umdenken und zeitnaher Umsetzung kommt.

 
 
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