Kreis Ludwigsburg Lehrermangel und keine Besserung in Sicht

Von Gabriele Szczegulski
Es gibt zu wenig Lehrer, sodass an manchen Schulen der Fokus vor allem auf die Kernfächer Deutsch, Mathe und Englisch gelegt wird. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Trotz vieler Maßnahmen des Kultusministeriums und des Staatlichen Schulamts Kreis Ludwigsburg fehlen an jeder Schule genügend Lehrer, um den Unterricht zu 100 Prozent zu gewährleisten.

Ab den 1980er-Jahren gab es im Land Baden-Württemberg immer wieder Wellen des Einstellungsstopps für Lehrer. Heute sucht man händeringend nach Lehrern: Auch wenn eine Schule, wie beispielsweise die Realschule im Aurain in Bietigheim-Bissingen ein Lehrerdeputat von 95 Prozent hat – sobald Lehrer kurz- oder auch längerfristig krank sind, Lehrerinnen in Mutterschutz gehen – hat Schulleiter Claus Stöckle ein Problem. Ersatz für ausfallende Lehrer gibt es nicht, Reservelehrer wie noch vor Jahren gibt es im ganzen Landkreis gar keine. Der Lehrermarkt ist nahezu leer gefegt. „Nur wenn alle Lehrer da sind, kann der Unterricht regulär stattfinden“, sagt Stöckle. Eine 100-prozentige, optimale Versorgung an Lehrern an einer Schule gebe es noch nicht mal zum jeweiligen Schuljahresbeginn.

„Wir verwalten den Mangel an Lehrern an unseren Schulen“, sagt Sabine Conrad, als Leiterin des Staatlichen Schulamts für die Grund-, Werkreal-, Gemeinschafts- und Realschulen sowie die Sonderpädagogischen Bildungszentren (SBBZ) zuständig. Dennoch, so Conrad, könne sie für ihren Amtsbezirk nicht bestätigen, dass der Lehrermangel an bestimmten Schularten größer sei. „Der Mangel verteilt sich gleichmäßig auf die Schularten und wir vom Schulamt versuchen zu steuern, dass der Zustand bei allen Schulen in etwa gleich ist“, so Conrad. Es gebe Schulen, an denen die Situation „extrem“ sei, weil zahlreiche Lehrer gleichzeitig ausfallen. „Dann versuchen wir, Hilfsangebote zu machen“, sagt Conrad.

Es werde viel getan, um zu verhindern, dass Unterricht längerfristig ausfalle. „Die Schulen sind nicht zu 100 Prozent versorgt, weil wir sie nicht versorgen können.“ Das Schulamt habe auch die Möglichkeit, Quereinsteiger oder Pensionäre einzustellen.

Claus Stöckle sagt, dass der Unterricht an seiner Schule als auch an den meisten Schulen in Bietigheim-Bissingen immer gewährleistet sei. Aus seiner Sicht gingen nur wenige Lehrer vor dem Rentenalter in Pension, wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sagen würde, und viele Teilzeitlehrer auch an seiner Schule hätten ihr Deputat aufgestockt. „Wir versuchen, auch an unserer Schule auf individuelle Bedürfnisse einzugehen, damit die Lehrer sich wertgeschätzt fühlen, da kann eine Schule schon viel bewirken“, so Stöckle. Vor Kurzem hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann dazu aufgerufen, dass Lehrer in Teilzeit ihr Stundenkontingent aufstocken sollen. Landesweit, so sagt Sabine Conrad, habe dieser Aufruf in der Summe zu 400 vollen Deputaten mehr geführt. Wenn jede Teilzeitkraft um eine Stunde aufstocke, sei das für die Person nicht viel, aber in der Summe schon, sagt sie. Sie könne aus ihrem Schulamtsbereich nicht erkennen, dass die Zahl der Anträge auf Teilzeitdeputate mehr geworden sei, aus Gründen der Überlastung der Lehrer, wie die GEW behaupte, eher hätten die Aufstockungen zugenommen.

Eine Maßnahme für eine bessere Versorgung an den Schulen seien, so Conrad, die pädagogischen Assistenten, deren Zahl erhöht werden soll. An Schulen, an denen die Belastungen nach einem sozialindizierten Maßstab, erklärt Conrad, besonders hoch seien, sollen die Lehrer durch pädagogische Assistenten oder durch Absolventen des neu geschaffenen freiwilligen sozialen Jahres an Schulen unterstützt werden.

Das sieht auch der Rektor der PH Ludwigsburg, Professor Dr. Jörg-U. Keßler so. „Diese pädagogischen Assistenten können Aufgaben wie Betreuung außerhalb des Unterrichts übernehmen, die die Lehrer vom Unterrichten fernhalten, das wäre eine Entlastung“, sagt er. Wohingegen er den Einsatz von Quer- und Seiteneinsteigern als Pädagogen „langfristig kontraproduktiv“ findet. „Warum soll dann jemand noch studieren, wenn er auf einfacherem Weg Lehrer werden kann?“, fragt er sich. „An der PH Ludwigsburg ist von weniger Nachfrage auf die vorhandenen Studienplätze noch nichts zu spüren“, so der Rektor.

Im Wintersemester (WS) 2022/23 wurden für das Grundschullehramt nicht nur alle 237 Plätze vergeben, sondern sogar insgesamt 255 Studierende aufgenommen. Fürs gerade angefangene Sommersemester (SS) wurden nicht nur die 80 vorhandenen, sondern 94 besetzt. „Für das Lehramt an Grundschulen haben wir fast viermal so viele Bewerbungen als Plätze“, sagt Keßler.

Weniger Bewerbungen gab es für die Sekundarstufe I, aber auch so viele, dass im WS alle 187 Plätze vergeben wurden, für das SS wurden sogar zwölf Plätze mehr belegt als vorhanden, nämlich 72. Für das Studienfach Sozialpädagogik sei der Bedarf an Plätzen groß, da man das Fach derzeit nur in Ludwigsburg und Heidelberg studieren kann. Im WS wurden statt 165 sogar 229 Studierende aufgenommen, im SS wurden alle vorhandenen 45 Plätze belegt, obwohl die PH ihr Kontingent durch die Überbelegung im WS schon erfüllt hatte. „Doch leider kommen diese neuen Lehrer erst in ein paar Jahren an den Schulen an und sind keine kurzfristige Lösung des Problems“, so Keßler.

Weitere Maßnahmen zur Bekämpfung des Lehrermangels

Befristete Angestellte
Ab diesem Jahr sollen befristet angestellte Lehrkräfte auch während der Ferien weiter bezahlt werden. Bisher wurden sie vor den Sommerferien entlassen und erst nach den Ferien wieder eingestellt, was dazu führte, dass viele dieser Kräfte sich andere Arbeitgeber suchten, zudem soll es für mehr Wertschätzung der befristet angestellten Lehrkräfte sorgen.

Teilzeit
Im Maßnahmenpaket des Kultusministeriums wird auch die Teilzeitmöglichkeit eingeschränkt. Der Sonderfall der Teilzeit aus „sonstigen Gründen“ wird auf einen Mindestumfang von 75 Prozent begrenzt, das bedeutet eine Reduzierung um bis zu 25 Prozent. Gründe wie Betreuung der eigenen Kinder oder Pflege von Angehörigen sind weiterhin „gute Gründe“, so Kultusministerin Theresa Schopper und wird weiterhin anerkannt.

Direkteinsteiger und Personen mit einer ausländischen Lehramtsausbildung sollen als zusätzliche Lehrkräfte gewonnen werden.

Ab dem Vorbereitungsdienst, der im Frühjahr 2024 beginnt, werden die angehenden Lehrkräfte (Referendare) ab der zweiten Hälfte des Vorbereitungsdienstes eine Stunde mehr unterrichten. Die Inanspruchnahme von Freistellungsjahren (Sabbatjahr) soll künftig eingeschränkt werden und erst nach einer Verweildauer von fünf Jahren im Landesdienst möglich sein.

Für mittlere und große Schulen soll die Leitungszeit für Schulleiter und ihre Stellvertreter angehoben werden, vor allem im Rahmen der Inklusion. Aber auch die Leiter von kleineren Schulen sollen künftig eine Stunde mehr Zeit bekommen.

Die Studienplätze für das Lehramt Grundschule werden um 700, die für Sonderpädagogik um 200 erhöht, aber auch für das Lehramt Sekundarstufe I, die zwischenzeitlich verringert wurden, werden wieder um mehr als 400 Studienplätze erhöht. sz

 
 
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