Kreis Ludwigsburg: Pisa-Studie Kluft zwischen Arm und Reich wächst

Von Claudia Mocek
Der Abwärtstrend der vergangenen Jahre hat sich für die deutschen Schüler in der aktuellen Pisa-Studie bestätigt. Foto: dpa/Jens Büttner

Albrecht Wacker von der PH Ludwigsburg warnt davor, dass Armut und Probleme künftig vererbt werden. Um das zu verhindern sind längerfristige Strategien im Schulsystem nötig.

Viele 15-Jährige in Deutschland verfügen laut aktueller Pisa-Studie nicht mehr über die Grundkompetenzen in Mathe, Lesen oder Naturwissenschaften. Dieser Trend hat Professor Albrecht Wacker nicht überrascht. Auch die IQB-Studie von 2022 und weitere Studien verwiesen schon auf sinkende Kompetenzstände. Der Leiter des Instituts für Erziehungswissenschaften an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg sieht jedoch die Gefahr, dass in Deutschland das Bildungsniveau nach wie vor vom sozioökonomischen Status der Schüler abhängt und hier seit 2000 kaum etwas bewegt werden konnte: „Wenn wir so weitermachen, wird es so kommen, dass Armut und Probleme vererbt werden.“

Seit der ersten Studie von 2000 ist laut Wacker auf allen Ebenen vieles angestoßen worden, zum Beispiel wurden Schulstrukturen verändert, Leseprogramme initiiert und auch die Lehrerbildung in den Blick genommen. Auch hätten Lehrkräfte und Schulleiter viel Kraft und Zeit in die Schülerförderung investiert. Die Lehrkräfte sieht der Wissenschaftler heute zunehmend mit zahlreichen Anforderungen überlastet und Lehrer kaum zu ihrem Kerngeschäft des Unterrichts kommen, hier sei eine Entlastung erforderlich.

Fehlende Kontinuität

Auf Landesebene habe es zwar Änderungen gegeben, diese seien jedoch zuweilen auch parteinah erfolgt, zunächst von CDU, dann von der SPD und nun von den Grünen. Dabei fehlt es laut Wacker an Kontinuität und einer langfristigen Strategie. Die Förderung benachteiligter Schüler jenseits von Gymnasien müsse verbessert werden, ist Wacker aufgrund der Pisa-Daten überzeugt.

Die Kluft, die sich aufgrund sozioökonomischer Faktoren auftut, werde größer, warnt er und fasst dies in ein Bild: Es gebe heute Schüler, die mit 14 Jahren schon auf jedem Kontinent waren. Gleichzeitig gebe es andere, die kaum über das nächste Dorf hinausgekommen seien, weil ihre Eltern kein Auto haben. An allen Schularten sei der Anteil leistungsschwacher Schüler größer geworden, während sich aber dieser Anteil in der neuen Studie für das Gymnasium in Mathematik auf 4,3 Prozent belaufe, erhöhte er sich von 17 auf 42 Prozent an den Gesamt-, Haupt- und Realschulen. Ein alarmierendes Ergebnis, findet Wacker.

Nach der neuen Pisa-Studie habe der sozioökonomische Statuts im Durchschnitt der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu 15 Prozent einen Einfluss auf die Bildung – in Deutschland jedoch zu 19 Prozent. Das sei ein enormer Unterschied: „Der Schwerpunkt der Reformen müsse deshalb gerade an den benachteiligten Schülern und den Schularten, die sie besuchen, ansetzen“, sagt Wacker. Er hofft, dass ein „Pisa-Schock 2.0“ dazu führt, dass längerfristig strategische Gedanken angestoßen werden und er plädiert für mehr multiprofessionelle Teams an den Schulen.

TikTok und Co

Auch die Bildungspläne, die nur unzureichend die Lebenswelt der Schüler aufgreifen, sollten überdacht werden. Was steckt hinter TikTok, was muss man in sozialen Medien beachten? Ein durchgängiges Fach, in dem Schülern Medienkompetenzen vermittelt werden, fehlt, sagt Wacker. Hier müsse, weil die Lebenswelt der Schüler zunehmend digital geprägt sei, Abhilfe geschaffen werden.

Seit der Veröffentlichung der aktuellen Pisa-Studie werde viel auf asiatische Länder geschaut. Davor warnt Wacker jedoch: In Südkorea etwa werde zwar auf schnelle Erfolge geschaut, die Lebenschancen würden von zentralen Prüfungen im November abhängig gemacht. Doch die Folge sei ein enormer Stresslevel für Schüler und Eltern. Das Land habe eine der höchsten Selbstmordrate unter Schülern. „Unser System ist nicht so schlecht und ermöglicht Anschlüsse über Abschlüsse“, sagt Albrecht Wacker.

 
 
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